Protokoll der Sitzung vom 09.06.2010

Die Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern ist multifunktional und flächendeckend zu erhalten. Für die Unterstützung der Landwirtschaft als bedeutenden Wirtschaftszweig und zur weiteren Entwicklung der ländlichen Räume setzen wir Liberalen uns für ein Beibehalten eines bedeutenden EU-Agrarhaushaltes ein. Ziel ist es, die Landwirtschaft weiter zu stärken, am Markt zu orientieren und bestehende Wettbewerbsnachteile abzubauen. Wir Liberalen setzen uns für eine deutschlandweite Angleichung der Direktzahlungen ein, da uns jeder Hektar Kulturlandschaft gleich viel wert ist. Das derzeit bestehende Zwei-Säulen-Modell zur Finanzierung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume hat sich unserer Auffassung nach bewährt. Die Notwendigkeit zur Einführung einer weiteren dritten Säule sehen wir nicht.

Das Erfordernis der Beibehaltung des jetzigen Agrarhaushaltes begründen wir mit den umfänglichen gesamtgesellschaftlichen Leistungen, welche die Landwirtschaft zusätzlich für die Bevölkerung erbringt. Kappungsgrenzen sowie eine degressive Gestaltung der Zahlung werden von uns abgelehnt. Im Interesse der Landwirte hat die erste Säule für uns Vorrang vor der zweiten Säule. Sie gleicht Leistungen der Landwirtschaft für das Gemeinwohl und die Pflege der Kulturlandschaft aus.

Wir Liberalen setzen uns darüber hinaus für eine stringente Entkopplung der Direktzahlungen von der Produktion ein. Als Maßstab für die Direktzahlungen sehen wir die Beibehaltung des Flächenbezuges als derzeit alternativlos an. Jedwede andere Bemessungsgrundlage führt nach unserer Auffassung wieder zu einer Kopplung etwaiger Produktionsverfahren und hemmt eine marktwirtschaftliche Entwicklung der Betriebe. Die Weiterführung der mit dem Health Check 2008 begonnenen Modulation wird klar abgelehnt.

Das Umschichten von zusätzlichen Mitteln aus der ersten in die zweite Säule wird von uns als nicht zielgerichtet angesehen. Um den bürokratischen Aufwand nicht weiter zu erhöhen, sollen in die erste Säule über die bestehenden hinaus keine weiteren Maßnahmen und Ziele aufgenommen werden. Die Direktzahlungen aus der ersten Säule leisten bereits einen Beitrag zur Entwicklung der ländlichen Räume, denn für uns ergibt sich eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume aus einer Stärkung der ländlichen Betriebe, der landwirtschaftlichen Betriebe.

Für die mit der zweiten Säule umzusetzenden Maßnahmen der ländlichen Entwicklung setzen wir das Primat der Freiwilligkeit an die oberste Stelle. Die Programme der zweiten Säule sind länderspezifisch zu gestalten. Dabei sollte beachtet werden, dass mit den Mitteln auch wirklich Investitionen angeregt werden und diese nicht in der Verwaltung versickern. Gerade vor dem Hintergrund der bestehenden Finanzierungsprobleme und der begrenzten Haushaltsmittel von Bund, Ländern und Kommunen setzen wir uns für eine deutliche Erhöhung des EU-Finanzierungsanteils in der zweiten Säule ein. Dadurch soll die Durchführung der Agrarumweltprogramme gewährleistet sein und ein Brachliegen dieser Programme aufgrund fehlender Kofinanzierungsmittel vermieden werden. Die zweite Säule muss weiterentwickelt und den tatsächlichen Bedürfnissen angepasst werden.

Ein wichtiges Element in diesem Zusammenhang muss die Schaffung von Programmen zur Aus- und Weiterbildung sein. Bei der Diskussion um die Einbeziehung von Klimaschutzzielen in die Agrarpolitik wird die Schaffung einer neuen dritten Säule für den Klimaschutz ebenso wie die Integration der Ziele in die erste Säule abgelehnt. Dieses Thema sehen wir als klaren Bestandteil der zweiten Säule.

Zukünftig soll die Offenhaltung der Grünlandflächen im Rahmen der ersten Säule durch Direktzahlungen gewährleistet werden. Zusätzliche freiwillige regionale Programme zur Honorierung der Leistung für die Gesellschaft werden im Rahmen des Vertragsnaturschutzes angeboten. Die bisherige Ausgleichszulage wird in die Einzelmaßnahmen mit einbezogen.

Weiteres vorrangiges Ziel der Förderung soll die Erhöhung der Energieeffizienz im Rahmen der Energiepolitik sein. Auch hier sollen die Maßnahmen ausschließlich auf

freiwilliger Basis angeboten werden. Grundsätzlich setzen wir Liberalen uns für die Rückführung von Markteingriffen wie beispielsweise Exporterstattungen ein. Interventionen sollen nur in Ausnahmesituationen vertreten werden, da sie effektiv arbeitende Vermarktungsstrukturen vermeiden und zur Marktverzerrung führen.

Auch die Agrarpolitik nach 2013 hat die Aufgabe, die Entwicklung der ländlichen Räume beispielsweise durch die Anbindung an ein schnelles Datennetz und die Stärkung der Wirtschaft weiter voranzutreiben. Ziel dabei ist es, auch in den ländlichen Regionen gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Vielen Dank, Frau Reese.

Ums Wort gebeten hat jetzt der Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin auch sehr dankbar, dass wir heute die Aktuelle Stunde zum Thema europäische Agrarpolitik haben,

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

denn der eine oder andere hätte hier auch schon die Frage aufwerfen können, ob es nicht wichtigere Themen gibt, das, was die Bundesregierung gerade vorgelegt hat oder was sich in der Finanz- und Haushaltssituation in Europa darstellt.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Und da muss ich sofort sagen, jawohl, dieses, was wir heute behandeln, hat direkt, sehr direkt etwas mit dem zu tun.

Ich will an dieser Stelle nur ein paar Zahlen auch für die Öffentlichkeit in Erinnerung rufen: Die Europäische Union finanziert sich heute durch ein Prozent Bruttoproduktabgabe der Mitgliedsstaaten. Unterm Strich kommen also gut 100 Milliarden Euro zusammen. Davon gehen zurzeit 52 Milliarden Euro in die Landwirtschaft und in die ländlichen Räume. Wenn Sie dann das Verhältnis, Frau Reese, zwischen der sogenannten ersten Säule und den pauschalen Direktzahlungen, die an die Landwirtschaft in Europa gehen, sehen, dann sind diese 42 Milliarden Euro reine pauschale Ausgleichszahlungen an die Landwirte. 10 Milliarden Euro gehen in die ländliche Infrastruktur und das Umweltprogramm.

Wenn ich das jetzt herunterbreche auf das Land Mecklenburg-Vorpommern, dann ist das exakt so, dass wir jährlich in Mecklenburg-Vorpommern 470 Millionen Euro pauschale Ausgleichszahlungen, und zwar Einkommensbeihilfen an die Landwirte auszahlen und auf der anderen Seite gut 120 Millionen Euro an reinen EU-Fördermitteln für die ländliche Entwicklung bereitstellen. Das habe ich im Übrigen in den letzten Jahren mit entwickelt. Und Deutschland ist die einzige Region in Europa, die immer dafür plädiert hat, so schnell wie möglich Quoten, Lieferrechte, Plafonds abzuschaffen mit dem Ziel, dass die Landwirtschaft sich den marktwirtschaftlichen Entwicklungen widmen und sich damit am Markt behaupten kann. Dass wir weltweit aufgrund der hohen sozialen Standards, der Tierschutzstandards, der Umweltstandards benachteiligt sind, das ist klar, und dafür muss es auch in der Zukunft eine starke, eine sozial ausgewogene, gerechte Agrarpolitik geben, und zwar eine gemeinsame.

Ich glaube, wir sind uns in diesem Hohen Hause einig, wir wollen ein sozial gerechtes, wir wollen ein wirtschaftsstarkes und wir wollen auch ein umweltgerechtes Europa. Wenn man sich die letzten Wochen und Monate anschaut, dann ist der Diskussionsprozess, Frau Holznagel, der zurzeit öffentlich geführt wird, in zwei Tagen beendet. Der EU-Kommissar Ciolos wird in zwei Tagen die Internetplattform schließen

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

und er hat geradezu alle Nationen, alle Regionen, alle gesellschaftlichen Gruppen aufgefordert, sich in diesen Prozess einzubringen. Wir haben das getan. Unser Konzept ist im Übrigen in der Kommission als auch in den Verbänden der Europäischen Union, aber auch in Deutschland mit starker Beachtung wahrgenommen worden. Ich bedauere es zutiefst, dass die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland bis heute kein eigenes Konzept vorgelegt hat. Ich bedauere das.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Denn was hat die EU-Kommission für Fragen aufgeworfen? Ich will diese hier in Erinnerung rufen, das sind nämlich nur vier. Die EU-Kommission hat folgende Fragen aufgeworfen:

1. Warum benötigen wir in Europa eine gemeinsame europäische Agrarpolitik?

Die zweite Frage, für mich ganz entscheidend:

2. Was erwarten die Bürgerinnen und Bürger von der Landwirtschaft?

3. Warum muss die gemeinsame Agrarpolitik in Europa reformiert werden?

4. Welche Instrumente benötigen wir für eine gemeinsame Agrarpolitik in Europa?

Das sind ganz knallhart treffende Fragen, die sich jeder, ob im Bauernverband, in der Landwirtschaft oder im ländlichen Raum, in den letzten Jahren, Jahrzehnten immer wieder gestellt hat. Im Juli wird im Übrigen dann diese Diskussion in einer Auswertung in Brüssel stattfinden. Ich gehe davon aus, dass dann endlich die Bundesregierung mit einer eigenen Meinung in diesen Prozess hineingeht.

Im Übrigen, Frau Holznagel, auch das will ich an dieser Stelle sagen: Nicht die Kommission wird maßgeblich die zukünftige europäische Agrarpolitik bestimmen, sondern zum Glück das EU-Parlament.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Das dürfte eigentlich auch bei der CDU schon mal angekommen sein. Und wer sich in diesen Prozess jetzt nicht einbringt, nämlich in die Fraktion des Europäischen Parlamentes und in die Kommission, der muss sich nicht wundern, wenn dann unsere Forderungen, unsere Vorstellungen überhaupt nicht gehört werden. Ich weise ausdrücklich auch darauf hin, 24 Verbände, gesellschaftliche Gruppen – der eine oder andere von Ihnen wird es wissen, die Kirchen, die Umweltverbände haben sich in einem Memorandum zusammengeschlossen – haben ihre Forderungen zur zukünftigen Ausrichtung der Agrarpolitik und der ländlichen Räume zusammengeschrieben. Und ich finde mich mit unserem Konzept, das wir erarbeitet haben, absolut wieder.

Im Übrigen, auch darauf ist hingewiesen worden, hat es eine Expertenberatung vor dem Deutschen Bundestag gegeben. Ich nehme ausdrücklich zur Kenntnis, dass gerade auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesrepublik Deutschland, der die Bundesregierung berät in diesen Sachfragen, wo hochgradig anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mitgearbeitet haben,

(Rudolf Borchert, SPD: Die davon was verstehen.)

mich in meiner Position zu 100 Prozent bestätigt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Rudolf Borchert, SPD: Die verstehen auch was davon.)

Im Gegenteil, man geht sogar noch deutlich darüber hinaus. Es gibt in dem Wissenschaftlichen Beirat …

(Michael Andrejewski, NPD: Es waren 200 Prozent. – Raimund Frank Borrmann, NPD: 300.)

Sie haben doch von dem Thema überhaupt keine Ahnung.

… zusätzliche Forderungen, nämlich die Abschaffung der sogenannten Direktzahlungen, und zwar so schnell es geht. Dem widerspreche ich ausdrücklich, weil wir sukzessive ein Anpassen der Preisentwicklung benötigen.

Ich will auch an dieser Stelle für mich die wichtigsten Forderungen hier noch mal deutlich machen:

Erstens. Was verlangt die Politik? Was verlangt die Gesellschaft von der Landwirtschaft und den ländlichen Räumen? Ich glaube, ich liege richtig, wenn ich sage, wir wollen nach wie vor in Deutschland hochwertige Lebensmittel zu möglichst vernünftigen, ausgewogenen Preisen für die Allgemeinheit bereitstellen.

(Udo Pastörs, NPD: Sie erzählen immer das Gleiche, immer das Gleiche. – Michael Andrejewski, NPD: Wünsch dir was!)

Zweitens. Ich glaube, dass die Gesellschaft ein hohes Interesse daran hat, dass die Kulturlandschaft erhalten bleibt.

Drittens. Das ist für mich gleichwertig auch mit dem, was ich sage, dass wir Ressourcen schonen, das heißt, dass wir tierartgerecht produzieren, dass wir das Wasser schonen, dass wir die Umwelt schonen, dass wir Energie produzieren und dass wir auf der anderen Seite aber auch die Artenvielfalt in Deutschland erhalten oder sie weiter stabilisieren. Da sage ich ausdrücklich: Wir wollen den Landwirten helfen. Wir leben nämlich in einer Leistungsgesellschaft und da ist es aus meiner Sicht so – so habe ich das bis jetzt jedenfalls erfahren –, dass, wenn jemand eine Leistung erfährt, er dafür dann auch eine Gegenleistung erwarten darf.

(Udo Pastörs, NPD: Wenn er eine Leistung erbringt. – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Und da sage ich, wir wollen weg von den rein pauschalen Ausgleichszahlungen, dass am Jahresende die Landwirtschaftsbetriebe, ich habe die Zahl schon genannt, 470 Millionen Euro bekommen, sondern wir haben einen Leistungskatalog erarbeitet,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

wo die Landwirte dann in der Zukunft über die erste Säule in drei Stufen dieses Geld tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes verdienen können. Ich will das ausdrücklich ansprechen. Und das wird in Europa sehr positiv aufgenommen. Im Übrigen auch in den Veranstaltungen innerhalb des Bauernverbandes, auf denen ich anwesend war und dieses Konzept vorgestellt habe, ist das allgemein im Wesentlichen begrüßt worden und der eine oder andere sitzt ja hier auch im Raum, der die Anhörungen im Deutschen Bundestag miterlebt hat.