Protokoll der Sitzung vom 09.06.2010

wo die Landwirte dann in der Zukunft über die erste Säule in drei Stufen dieses Geld tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes verdienen können. Ich will das ausdrücklich ansprechen. Und das wird in Europa sehr positiv aufgenommen. Im Übrigen auch in den Veranstaltungen innerhalb des Bauernverbandes, auf denen ich anwesend war und dieses Konzept vorgestellt habe, ist das allgemein im Wesentlichen begrüßt worden und der eine oder andere sitzt ja hier auch im Raum, der die Anhörungen im Deutschen Bundestag miterlebt hat.

Ich will auch den Tag des offenen Hofes hier ansprechen. Ich kenne keine Branche in Deutschland, die sich so transparent, offen und ehrlich zeigt. Die Landwirte, die 5.300 Betriebe, die wir in Mecklenburg-Vorpommern haben, brauchen sich in keiner Weise zu verstecken.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Diese Aktion war eine Aktion des Bauernverbandes und des Ministeriums, gemeinsam getragen, und da kann ich mich nur bei allen bedanken, die daran mitgewirkt und die auch diese Entwicklung beflügelt haben. Aber was aus meiner Sicht notwendig und richtig ist, ist, dass wir tatsächlich wegkommen von einer pauschalen Ausgleichszahlung hin zu einer leistungsorientierten, an dem Gemeinwohl und an den gesellschaftlichen Leistungen orientierten Auszahlung. Die wichtigsten will ich noch einmal benennen:

Punkt 1 für mich ist klar, es wird einen Ausgleich in Europa und in Deutschland dafür geben müssen, dass wir Wettbewerbsbenachteiligungen haben, auch wenn wir eben höhere Standards haben, ob in der Umwelt, im Tierschutz oder letzten Endes höhere Löhne zahlen müssen. Im Übrigen bedauere ich zutiefst, wenn ich mir überlege, dass ein Landwirtschaftsbetrieb heute im Durchschnitt über diese pauschalen Ausgleichszahlungen 20.000 Euro pro Arbeitskraft im Jahr erhält, dass man nicht bereit ist, in Mecklenburg-Vorpommern zumindest einen Mindestlohn zu zahlen. Ich bedauere das.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Auf der anderen Seite darf man auch die Frage aufwerfen: Sollte man sich nicht tatsächlich in diesem Stufenmodell die Hand reichen, um eine neue Architektur der europäischen Agrarpolitik, und zwar europaweit, umsetzen zu können. Frau Schildt hat zu Recht darauf hingewiesen, wir werden weniger Geld bekommen. Das ist doch so sicher wie das Amen in der Kirche.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Wirklich? Dann gehen Sie doch in die Moschee!)

Und wenn ich an ein Produkt, das in den letzten Tagen so durch die Gazetten wandert, an die Gurke, erinnern darf, Frau Reese, dann kann ich nur zur Kenntnis nehmen, hier heute Steuergeschenke zu verteilen, ist wohl nicht an der Zeit.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Gaukeln Sie den Menschen in diesem Lande nicht etwas vor, was Sie so oder so verspielt haben oder was Sie niemals einhalten können.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Und deswegen möchte ich Ihnen die drei Stufen, die wir entwickelt haben, nur kurz noch mal vorstellen: Ich glaube, das ist ein Kompromisspfad, der europaweit mehrheitsfähig ist, das signalisieren viele andere Nationen im Übrigen schon. Es soll aus meiner Sicht folgendermaßen aussehen:

Die erste Stufe ist der Ausgleich für die Wettbewerbsbenachteiligung.

In der zweiten Stufe werden die Leistungen, die gesellschaftlich zu honorieren sind, in einem Katalog zusammengefasst. Und dabei geht es aus meiner Sicht darum, dass zum Beispiel die benachteiligten Gebiete, die abgeschafft werden sollen in Europa – das hätte für Mecklenburg-Vorpommern eine riesige Konsequenz –, in die zweite Stufe aufgenommen werden, damit nämlich das Grünland zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern weiter bewirtschaftet wird.

Oder, wer in einem Natura-2000-Gebiet wirtschaftet, soll einen Antrag stellen können und dafür einen Ausgleich erhalten. Oder, wer Hilfestellung gibt für die EU-Wasserrahmenrichtlinie, nämlich das Oberflächenwasser, das Grundwasser reinzuhalten oder es gesunden zu lassen, wer auf Düngemittel verzichtet, sie reduziert und das Gleiche auch für Pflanzenschutzmittel vornimmt, der soll dafür eine gesellschaftlich anerkannte Leistung in Form von Geld bekommen. Oder auch der ökologische Landbau – Mecklenburg-Vorpommern ist das Bundesland mit dem höchsten Anteil des ökologischen Landbaus. Wer ökologisch produzieren will und damit einen Nachteilsausgleich bekommen muss, der soll dafür eine Ausgleichszahlung bekommen. Oder, auch das sage ich hier ganz klar in diesem Hohen Hause, wer in MecklenburgVorpommern, in Deutschland, in Europa darauf verzichtet, gentechnisch veränderte Organismen anzubauen, soll dafür eine Ausgleichszahlung bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Ergänzend – und so bin ich bei der dritten Stufe, was die Landwirte sich erarbeiten können – bin ich dann bei folgenden Themen, nämlich denen der regional bedeutsamen ökologischen Leistungen. Ich nehme da mal heraus ein Programm, an dem wir zurzeit arbeiten, ein Heckenprogramm für Mecklenburg-Vorpommern. Wer bereit ist, so etwas anzulegen, der soll dafür honoriert werden.

(Vincent Kokert, CDU: Genau.)

Oder wer einen besonderen Arten- und Biotopschutz entwickelt, der soll dafür einen Ausgleich bekommen. Oder wer die Infrastruktur fördert oder wer im Bereich Bioenergien oder wer vor allen Dingen mehr Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern schafft, der soll dafür auch honoriert werden. Das kann man doch eigentlich nur unterstützen, aus meiner Sicht jedenfalls.

Oder wer insbesondere neue Innovationen auf den Weg bringt, wer in Bildung, lebenslanges Lernen investiert, der Landwirtschaftsbetrieb, der soll dafür auch in der Zukunft 20.000 Euro pro Jahr und Arbeitnehmer bekommen, wenn er dann gerechte Entlohnung vornimmt und wenn er vor allen Dingen in seinen Betrieb investiert und vor allen Dingen eben auch in die Köpfe in MecklenburgVorpommern investiert.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Und deswegen wollen wir weg von dieser rein pauschalen Zahlung, von irgendwelchen heute nicht deklarierten und untersetzten Leistungen.

Und dann komme ich auch gleich zum Schluss. Es wird, zum Teil auch von der obersten Heeresführung, wenn ich so sagen darf,

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

des Bauernverbandes, dann so etwas gesagt wie: „Das ist doch bürokratischer Wahnsinn“, „Monster“ und was weiß ich nicht alles.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Da sage ich, Mecklenburg-Vorpommern hat hier auch eine Vorreiterrolle in den letzten Jahren gespielt. Wir haben Landwirtschaftsbetriebe zertifiziert. Wir haben ein Beispiel in einer ganzen Branche, nämlich der ökologische Landbau ist zertifiziert. Wir haben Landwirtschaftsbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern zertifiziert. Betriebe, die diese Zertifizierung durchlaufen, werden dann auch durch staatliche Kontrollen nicht mehr begleitet werden müssen. Im Übrigen würde das dazu führen, dass wir einen erheblichen weiteren Personalabbau in der Bürokratie umsetzen können. Auch da sage ich noch mal, das ist erprobt in Mecklenburg-Vorpommern und ich habe ausdrücklich die Aussage der Europäischen Union, dass man sich solchen Dingen positiv zuwenden will.

Und mein Fazit und die Botschaft lautet ausdrücklich: Wer den Leistungsbezug scheut in Deutschland, in Europa, hat entweder Angst, die Erwartungen nicht erfüllen zu können, oder er weiß von sich heraus als Landwirt, dass er eigentlich keine zusätzlichen Leistungen über das gesetzlich Vorgeschriebene hinaus erbringen will oder kann. Und die Gesellschaft wird dieses Geld aufzubringen haben und ich glaube, die Gesellschaft hat auch die Legitimation, dann festzulegen, wofür welche Steuergelder eingesetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Und ich habe diesen Bereich jetzt zwölf Jahre begleitet, und als Landwirt, als Mensch und als Politiker und Minister sage ich, die Erfahrungen haben mir gezeigt, dass es immer richtig ist, den Menschen die Wahrheit zu sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Und wer hier glaubt, wer hier glaubt, es geht alles weiter so, das wird sich schon durch die Bundesregierung richten lassen und wir werden auch zusätzlich noch Geld obendraufpacken, der muss doch einfach erkennen, dass man die Menschen in diesem Lande entweder nicht ernst nimmt oder auf der anderen Seite

(Udo Pastörs, NPD: Endlos belügen kann.)

verschaukeln will.

Die zweite und letzte Botschaft ist: Wir müssen die ländliche Entwicklung stärken.

(Udo Pastörs, NPD: Gute Idee.)

Jawohl, die Landwirtschaft ist heute ein, ja, ein sehr wichtiger Partner in der Entwicklung der ländlichen Räume. Wir sehen aber, Herr Holter hat darauf hingewiesen und Frau Schildt auch, wir sehen doch aber, welche Bedarfe wir in der Infrastrukturentwicklung haben.

Ich war gestern zu einer hervorragenden Runde zur Breitbranddiskussion mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zusammen. Und ich muss sagen, hier zu investieren, ist gut angelegtes Geld, weil wir damit wissensbasierte Entwicklungen vorantreiben können, Unternehmen ansiedeln können und den ländlichen Raum deutlich aufwerten.

Selbstverständlich sind wir eines der wenigen Bundesländer im Übrigen in Deutschland, die heute die integrierte ländliche Entwicklung über die zweite Säule unterstützen. Wir fördern heute, wer weiß das eigentlich, nicht nur die 5.230 Betriebe oder die über 100 Unternehmen der Ernährungswirtschaft, die 8 Milliarden Euro Umsatz machen – damit sind wir die wirtschaftsstärkste Branche –, aber wer weiß es eigentlich, dass wir heute Kindergärten in Abstimmung mit der Sozialministerin oder Schulen

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

oder historische Anlagen, denkmalgeschützte Anlagen über den ELER-Fonds fördern? 511 Millionen Euro gehen allein in dieser Förderperiode in diese Bereiche hinein. Ich glaube, das ist sehr gut angelegtes Geld. Und ich sage, auch in Richtung Griechenland, Spanien, Italien, aber auch in Richtung Deutschland: Wir brauchen auch Mittel, die kofinanziert werden müssen, denn was nichts kostet, das taugt auch nichts.

Und deswegen sage ich an dieser Stelle auch, dass wir deutlich mehr von einer s ektoralen, also einseitig ausgerichteten Förderung der ländlichen Räume weg müssen zu einer übergreifenden und damit ausdrücklich den demografischen Wandel im Blick haben müssen, um damit jungen Familien oder auch Menschen, die im ländlichen Raum sich wohlfühlen sollen als Arbeits-, Erholungs- und selbstverständlich Lebensort, dass wir hier Unterstützung gewähren, um damit auch ein Zukunftsmodell für Europa aus den Erfahrungen nach der Wende – nach 20 Jahren Wende – in den europäischen Prozess einzugehen. Denn andere Regionen in Europa stehen am Anfang dieses Prozesses oder werden sich in diesen Prozess hineinbegeben müssen.

Und deswegen glaube ich, und ich bin auch dankbar und froh darüber, dass gestern die Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag, nämlich die SPD-Fraktion, unserem Konzept zugestimmt hat, dass es in Kürze auch in der Kommission dazu eine Aussprache geben wird. Und ich gehe davon aus, dass wir alles dafür tun werden, dass wir die Landwirtschaft – und da möchte ich auch nicht verkehrt verstanden sein und Frau Schildt hat es auch gesagt –, wir wollen die Landwirtschaft unterstützen. Sie ist der wichtigste Wirtschaftszweig mit der Ernährungswirtschaft für Mecklenburg-Vorpommern. Wir wollen und werden sie unterstützen, aber sie muss sich auch auf die Marktbedingungen einstellen und sie muss auch bereit sein, bestimmte Leistungsparameter tatsächlich zu erfüllen.

Und deswegen ist für mich klar, wir brauchen Zukunftsinvestitionen und wir brauchen aber auch Zukunftsvorstellungen, wie sich der ländliche Raum weiterentwickeln soll. Wir haben sie und ich hoffe, wir können das auch in der Zukunft weiter umsetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borrmann für die Fraktion der NPD.

(Heinz Müller, SPD: Jetzt freue ich mich ganz besonders.)

Welche Zukunft hat eine Leiche, Frau Präsidentin?

(Stefan Köster, NPD: Staub zu Staub, Asche zu Asche.)