Protokoll der Sitzung vom 09.06.2010

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion der FDP – Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung der Landeshaushaltsordnung, auf der Drucksache 5/3484.

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP: Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung der Landeshaushaltsordnung (Erste Lesung) – Drucksache 5/3484 –

Das Wort zur Einbringung hat der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion, der Abgeordnete Herr Roolf. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier heute ein Thema auf dem Tisch – es geht um die Landeshaushaltsordnung –, was eigentlich kein haushalterisches Thema ist, sondern ein rechtliches Thema und ein Thema zu dem Bereich Beteiligung an demokratischen Prozessen.

(Rudolf Borchert, SPD: Oh, das ist ja hammerhart!)

Als oberstes Primat bei der Herangehensweise unseres Gesetzentwurfes steht klar und deutlich das Bekenntnis zur Unabhängigkeit des Landesrechnungshofes in Mecklenburg-Vorpommern. Das möchte ich hier klar und deutlich einmal an den Anfang meiner Ausführungen stellen.

Bisher haben wir in Mecklenburg-Vorpommern die Situation, dass anhand der Landeshaushaltsordnung zwei Dinge an den Landesrechnungshof herangetragen werden, einmal einen sogenannten Prüfauftrag und einmal eine gutachterliche Beantragung, wobei das Beantragen auch schon wieder irreführend ist. Es wird in der alten Landeshaushaltsordnung immer davon gesprochen, dass ersucht werden kann. Wir ersuchen. Das Parlament kann den Landesrechnungshof ersuchen, sowohl – im Paragrafen 88 Absatz 4 – gutachterlich tätig zu sein als auch – in Absatz 5 – prüferisch tätig zu sein. Dieses kann mit der Mehrheit des Landtages an den Landesrechnungshof herangetragen werden.

Schauen wir uns andere Bundesländer an, wie sie diese Situation regeln, dann sehen wir erst mal voller Freude, dass wir offensichtlich im partnerschaftlichen Austausch, seinerzeit, als wir viele Beamte aus SchleswigHolstein bekommen haben, eins zu eins die Formulierung aus Schleswig-Holstein bei uns drinstehen haben. Wir sehen weiterhin, dass zum Beispiel Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ein und dieselbe Regelung haben. Und wir sehen weiterhin, dass diese Regelungen sich doch sehr deutlich unterscheiden. Während Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein nur der Mehrheit des Parlaments die Möglichkeit des Ersuchens geben, regeln Niedersachsen und Sachsen-Anhalt es zum Beispiel auch, dass Ausschüsse das tun können. Viele Bundesländer verzichten überhaupt auf eine Regelung.

Was ist jetzt Ursache unseres Antrages? Wir haben den Landesrechnungshof als die Institution, die für die Aufdeckung, die Analyse und für die Bewertung von strukturellen Fehlern beim Umgang mit Mitteln in MecklenburgVorpommern zuständig ist, als Ansprechpartner gesucht, um das Thema „Nothafen Darßer Ort“ als systemrelevantes Problem zu behandeln, systemrelevant in der Form, dass Fördergelder, dass Haushaltsgelder dort reingegeben worden sind, und nicht systemkonform zu der Zeit überhaupt eine Nutzung möglich gewesen ist, weil der Hafen schlichtweg geschlossen war. Das heißt, wir haben Haushaltsmittel für einen geschlossenen Hafen zur Verfügung gestellt.

Nicht die Tatsache, dass es sich um den einen Hafen handelt, ist Ausgangspunkt für den Landesrechnungshof, um zu agieren, sondern Ausgangspunkt ist: Kann es sein, dass es einen systematischen Fehler gibt, dass nicht geprüft wird, ob dort, wo Haushaltsmittel hingehen, auch wirklich eine Nutzung möglich ist? Und da sind wir genau an der Situation von Systemfehlern und da sind wir an der Problematik von strukturellen Fehlern.

Wenn wir uns anschauen, wie die Opposition im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern bei Stärkung und bei Umsetzung ihrer parlamentarischen Aufgabe, nämlich der Kontrolle der Landesregierung, agieren kann, dann kommen wir sehr schnell und sehr klar zu der Institution eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Wir selbst als Parlament haben uns das Gremium, haben uns die Möglichkeit gegeben, mit einem Viertel unserer Abgeordneten einen Minderheitenschutz hier einzuführen, weil wir gerade mit dem Instrument des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses genau diese Probleme als Aufgabenschärfung unserer oppositionellen Arbeit hier im Landtag begleiten wollen.

Aus der normalen Logik heraus und auch – da bin ich dann wieder bei der Finanzministerin – aus Zeit- und aus Effizienzgründen kann es daher nach unserer Auffassung nicht falsch sein, wenn auch das gleiche Quorum, was einen Untersuchungsausschuss einrichten kann, den Landesrechnungshof ersuchen kann, gutachterlich oder prüferisch tätig zu sein. Es bleibt bei einem Ersuchen, es bleibt dabei, dass der Landesrechnungshof diesem Ersuchen nachkommen kann oder nicht, und es bleibt für uns die klare Erkenntnis, dass wir nicht den Umweg über einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gehen müssten, deren Einsetzung fünf, sieben oder acht Monate dauert. Die Arbeitsfähigkeit beginnt nach zehn Monaten. Die Anfangskosten belaufen sich, ich sage mal eben schlank, im sechsstelligen Bereich, da gehen sie los. Das belastet den Haushalt Mecklenburg-Vorpommerns in einer unangemessenen Art und Weise.

Das heißt, unser Ansatz sagt unter Wahrung der Unabhängigkeit des Landesrechnungshofes, dass wir für uns in Anspruch nehmen sollten hier in Mecklenburg-Vorpommern, hier aus dem Parlament heraus, auch mit dem selben Quorum, mit dem wir einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einrichten können, der Opposition das Recht zuzugestehen, gemeinsam den Landesrechnungshof zu ersuchen, gutachterlich und prüferisch tätig zu sein. Wenn wir diesem Ersuchen von uns so nicht nachkommen können, weil es womöglich eine Argumentationslinie gibt, dass nur die Mehrheit – sprich regierungstragende Fraktionen – den Landesrechnungshof ersuchen darf, dann haben wir ein sehr großes Problem damit, denn es kann nicht sein, dass nur regierungstragende Fraktionen ersuchen dürfen.

Wenn Sie mit uns in die Diskussion darüber gehen, haben wir die Rechte der Opposition zu stärken, haben wir die Möglichkeit auszuweiten genau wie im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, auch beim Ersuchen an den Landesrechnungshof, das Quorum für die Opposition gleichberechtigt wie beim Untersuchungsausschuss zu gestalten, dann haben wir eine Diskussionsgrundlage, wo wir uns in den Ausschüssen, glaube ich, sehr deutlich und sehr inhaltlich dazu mit den Fachleuten positionieren können.

Spannend bleibt die Frage, meine Damen und Herren: Was passiert, wenn Sie unserem Gesetzentwurf hier heute nicht mal die Chance zur Debattierung in den Ausschüssen geben oder/und Sie ihn womöglich ablehnen?

(Udo Pastörs, NPD: Womöglich!)

Denn dann bleibt rechtlich die Würdigung. Mit welchem Recht dürfen Sie als Mehrheit hier im Parlament den Landesrechnungshof ersuchen, tätig zu werden, und mit welchem Recht verwehren Sie uns als Opposition dieses? – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP – Gino Leonhard, FDP: Ganz genau, richtig.)

Danke schön, Herr Roolf.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste hat ums Wort gebeten die Finanzministerin des Landes Frau Polzin. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landeshaushaltsordnung hat die Aufgabe, die notwendigen haushaltsrechtlichen Vorgaben inhaltlicher Art zu regeln sowie die Kompetenzen für die einzelnen Aufgaben den Institutionen Landtag oder Landesregierung zuzuweisen. So ist es Aufgabe der Landesregierung, den Haushaltsplanentwurf einzubringen. Der Beschluss des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplanes erfolgt bekanntermaßen durch den Landtag. Die Bewirtschaftung des Haushaltes liegt wiederum grundsätzlich bei der Landesregierung, wobei die Landeshaushaltsordnung und ergänzend das jeweilige Haushaltsgesetz in besonderen Fällen Mitwirkungsrechte des Landtages beziehungsweise des Finanzausschusses in Form von Zustimmung oder Unterrichtung vorsehen. Diese sollen gewährleisten, dass das Budgetrecht des Landtages nicht unter

laufen wird. Zum Abschluss des Haushaltsjahres legt die Landesregierung schließlich dem Landtag die Haushaltsrechnung vor, um sich von diesem die Entlastung erteilen zu lassen.

In der gesamten Landeshaushaltsordnung ist der Landtag im Übrigen als Institution im Ganzen erwähnt. Einzige Ausnahme ist die Verpflichtung der Landesregierung, Mitgliedern des Landtages bei der Berechnung finanzieller Auswirkungen von Anträgen zu helfen. Ansonsten sind parlamentarische Rechte Einzelner oder Teile des Landtages in der Landeshaushaltsordnung generell nicht vorgesehen. Die Aufnahme eines speziellen Rechts zugunsten eines Teils der Institution Landtag wäre allein schon aus diesem Grund in der Landeshaushaltsordnung vollkommen fremd und systemwidrig.

Soweit es um die Finanzkontrolle der Landesregierung geht – und dies ist offenbar das Anliegen des Antragstellers –, sieht die Landeshaushaltsordnung und die Landesverfassung in Artikel 68 einzig die Kontrolle durch den Landesrechnungshof vor. Im hier zur Diskussion stehenden Paragrafen 88 der Landeshaushaltsordnung werden allerdings nur die Aufgaben des Landesrechungshofes beschrieben. Keinesfalls dient dieser Paragraf dazu, Rechte anderer, etwa auch der Parlamentarier, zu regeln. Die Vorgabe „Ersuchen“ beziehungsweise „Beschluss des Landtages“ setzt hier nur eine Voraussetzung, unter der der Landesrechnungshof tätig werden muss.

(Michael Roolf, FDP: Nee.)

Selbstverständlich hat die Opposition – gestützt auf Artikel 26 der Landesverfassung – auch die Aufgabe, das Regierungshandeln zu kontrollieren beziehungsweise entsprechende Initiativen hierzu zu ergreifen. Für die Finanzkontrolle ist aber aus guten Gründen allein der Landesrechnungshof zuständig, weil es gerade in diesem sensiblen Bereich nicht auf politische Kontrolle, sondern auf eine unabhängige fachliche Kontrolle ankommt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Ansinnen der Antragsteller würde daher die Stellung des Landesrechnungshofes als unabhängige Kontrollinstanz gefährden.

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es.)

Prüfungen durch den Landesrechnungshof wären dann ein Instrument der Oppositionsarbeit.

(Rudolf Borchert, SPD: Tja.)

Dies widerspricht aber maßgeblich dem Geiste der Landesverfassung, denn Unabhängigkeit meint nicht nur Unabhängigkeit von der Regierung, sondern auch Unabhängigkeit von der jeweiligen Opposition.

(Rudolf Borchert, SPD: So ist es.)

Ich möchte daher dringend vor einer Instrumentalisierung des Landesrechnungshofes warnen. Die Rechte der Parlamentarier werden an anderer Stelle geregelt.

Um dem berechtigten Informationsbedürfnis der Parlamentarier – gerade auch in der Opposition – gerecht zu werden, enthält die Geschäftsordnung des Landtages zahlreiche Regelungen, um dies auch zu ermöglichen. So gibt es zum Beispiel, wie Sie ja durchaus wissen, Kleine und Große Anfragen, die Fragestunde und die Aktuelle Stunde mit Aussprachen, außerdem das Antragsrecht, das Recht auf Anhörung in den Ausschüssen, Akteneinsicht und Auskunftsersuchen, die Einset

zung eines Untersuchungsausschusses, die Wahl der Verhandlungsgegenstände und so weiter und so fort.

Insofern ist der Landesrechnungshof mit Sicherheit nicht die geeignete Institution, um die berechtigten Informations- und Mitwirkungsrechte der Oppositionsfraktionen zu sichern. In diesem Sinne gehe ich mal davon aus, dass die Intention der Antragsteller von der Koalition nicht geteilt wird. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Frau Ministerin.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Löttge. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte es gleich vorwegnehmen, wir sehen für die in diesem Gesetzentwurf von der FDP vorgeschlagenen Änderungen der Landeshaushaltsordnung Mecklenburg-Vorpommern keine Notwendigkeit und auch keine Möglichkeit. Ich bin der Finanzministerin sehr dankbar, dass sie hier in ihrer Rede auf einige Grundsätze des Haushaltsrechts, aber auch unserer Landesverfassung nochmals hingewiesen hat. Ich denke, das war an dieser Stelle mehr als dringend notwendig.

Ich freue mich, dass es auch bei Ihnen, meine Herren der FDP, ganz klar die Aussage gibt, dass der Landesrechnungshof als Verfassungsorgan unabhängig ist.

(Rudolf Borchert, SPD: Tja.)

Meine Damen und Herren, was Unabhängigkeit in diesem Zusammenhang bedeutet, das hat, denke ich, die Finanzministerin eben in eindrucksvoller Weise deutlich gemacht. Unabhängig bedeutet nämlich, natürlich die Regierung in ihrem Tun und Handeln zu kontrollieren. Das ist sicherlich eine vorrangige Aufgabe des Landesrechnungshofes, der sich auch, so meine ich, dieser Aufgabe sehr konsequent stellt. Das haben wir ja nun gerade wieder in den Diskussionen im Finanzausschuss wahrnehmen dürfen.

Unabhängig bedeutet aber auch, meine Damen und Herren, sich von keinem anderen instrumentalisieren zu lassen, und das trifft dann auch für die Opposition zu. Denn wenn ich Ihren Gesetzentwurf so lese, dann entsteht schon der Eindruck, dass Sie eigentlich eins erreichen wollen, nämlich, dass der Landesrechnungshof als Verfassungsorgan in den Dienst der Opposition gestellt wird und so ein bisschen Oppositionsarbeit erledigen soll.

Meine Herren der FDP, ich kann Sie wirklich nur ermuntern – und das Beispiel, Herr Roolf, was Sie genannt haben, ist dafür vielleicht geeignet –,

(Michael Roolf, FDP: Das denke ich schon.)

Ihre Möglichkeit der Kontrolle, die ja auch schon mal aufgezeigt wurde, in den Ausschüssen und an anderer Stelle zu nutzen, und dieses auch sehr intensiv, gar keine Frage. Aber deswegen die Landeshaushaltsordnung zu ändern, wäre, glaube ich, oder da bin ich sehr sicher, der falsche Weg.

Im Übrigen, Sie haben aufgezählt, wie es andere Bundesländer so geregelt haben. Tatsächlich habe ich eins festgestellt, es gibt, glaube ich, nur ein Bundesland, was

eine vergleichbare Regelung in der Landeshaushaltsordnung hat. Weder der Bund noch die anderen Bundesländer haben sich zu einer solchen Regelung entschlossen.