Protokoll der Sitzung vom 23.09.2015

Ich frage Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren: Warum investiert die öffentliche Hand in Unternehmen, deren Geschäftsmodell darauf basiert, fünfmal mehr CO2 freizusetzen, als unser Klima und unser Planet es verkraften können?

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Für die Folgen und Schäden dieses Geschäftsmodells darf dann auch wieder nur die öffentliche Hand aufkommen. Ich finde das absurd.

Was wir derzeit praktizieren, ist in etwa so, als wenn man dem bekannten Elefanten im Porzellanladen auch noch Geld gibt, damit er den Laden zertrümmert. Und hinterher nehmen wir noch mal Geld in die Hand, um die Schäden zu beseitigen, die von dem bezahlten Elefanten angerichtet wurden.

(Egbert Liskow, CDU: Glauben Sie das alles, was Sie da erzählen?!)

Das ist eine Logik, die sich mir nicht erschließen will. Vielleicht erschließt sie sich Ihnen, Herr Liskow, mir nicht.

(Beate Schlupp, CDU: Mir erschließt sich Ihre Logik nicht.)

Ich finde, das allein wäre Anlass genug, nicht weiter in fossile Energien zu investieren. Aber das dargestellte Problem ist nicht nur eine klimapolitische Herausforderung, sondern es hat eine erhebliche finanzpolitische Dimension.

Meine Damen und Herren, technisch mögen diese Reserven von 2.800 Gigatonnen CO2 noch unter der Erde liegen, aber ökonomisch sind sie schon längst an der Oberfläche. Sie stecken in den Bilanzen und Aktienkursen der Unternehmen. Diese Vorräte sind der größte Wert der Kohle- und Ölfirmen, diese Vorräte sind ihr Kapital. Auf diesen Vorräten basieren maßgeblich ihre Unternehmenswerte, womit wir auch schon bei der finanzpolitischen Dimension unseres Antrags sind, Herr Liskow.

(Egbert Liskow, CDU: Aber Sie haben recht, das Land Mecklenburg-Vorpommern wird das alles ändern.)

Was passiert denn mit den Aktienkursen dieser Unternehmen, wenn sie die fossilen Energien nicht mehr heben dürfen?

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Die Aktienkurse würden fallen und die Werte der Unternehmen werden sinken. Was das für die Altersvorsorge der Beamtinnen und Beamten bedeuten kann,

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD: Um Gottes willen!)

können Sie sich sicherlich vorstellen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Dieses Risiko wird auch als Kohlenstoffblase bezeichnet in Anlehnung an diverse Blasen der Vergangenheit, wie zum Beispiel die Immobilienblase.

Damit Sie jetzt nicht sagen, dass wir GRÜNEN wieder ein Risiko an die Wand malen, das gar nicht besteht, hören Sie sich vielleicht eine Einschätzung von McKinsey, einem renommierten Beratungsunternehmen, an. Das hat herausgefunden, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Unternehmenswerte genau durch diesen Prozess gefährdet sind. Und falls Sie noch ein anderes Beispiel brauchen: Im Zeitraum von 2008 bis 2013 haben die fünf größten Stromproduzenten Europas zusammen an Wert verloren, und zwar 100 Milliarden Euro.

(Udo Pastörs, NPD: Da freuen Sie sich, ne?!)

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch ein aktuelles Beispiel: RWE hat im laufenden Jahr 60 Prozent seines Marktwertes verloren –

(Udo Pastörs, NPD: Toll!)

sicherlich nicht nur aufgrund des Effektes, den ich gerade vorgestellt habe, aber eben auch deswegen, weil es sein Geschäftsmodell nicht umgestellt hat.

Meine Damen und Herren, was würde das Ganze eigentlich für uns in Mecklenburg-Vorpommern bedeuten? Gerne würde ich Ihnen das detailliert und Zahl für Zahl vorlegen, aber leider übt sich die Landesregierung mal wieder in Geheimniskrämerei. Ich habe eine Kleine Anfrage gestellt und mal ein bisschen Licht ins Dunkel gebracht,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – Heinz Müller, SPD: Oooh!)

aber es wurde alles unter Verschluss gestellt. Ich kann nur hoffen, dass die Finanzministerin vielleicht selbst aus ihrer Verschlusssache zitiert.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Ich denke, wir können auch noch mal versuchen, das per Post auszutauschen, vielleicht besinnt sie sich eines Besseren.

Ich verstehe auf jeden Fall nicht, warum Steuergelder eigentlich jedes Mal hier im Land zur Geheimsache gemacht werden. Es ist doch klar, dass die Bevölkerung ein Recht hat zu wissen, wohin denn die öffentlichen Gelder gehen und wo sie angelegt werden. Ich verstehe überhaupt nicht, warum das ein Geheimnis ist, außer, man will irgendetwas, ja, ich sage mal, vertuschen.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – Torsten Renz, CDU: Na, na, na, na!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber eins kann ich Ihnen mitteilen und Ihnen dadurch den Handlungsbedarf verdeutlichen.

(Beate Schlupp, CDU: Schon mal was von Insiderwissen gehört?)

Mehr als 150 Millionen Euro hat das Land im Versorgungsfonds für die Beamtinnen und Beamten bereits angelegt. Mehr als 30 Millionen davon stecken in Aktienfonds, wie der Dax einer ist oder der EURO STOXX 50 ihn abbildet. Ein einfacher Blick in diese Indizes reicht aus, um zu erkennen, welche Firmen damit in den Geldanlagen des Landes stecken. Es sind mehrere Unternehmen, die sich auch auf der Liste der 200 größten Kohle-, Öl- und Gasfirmen wiederfinden. Hierzu zählen zum Beispiel Total, RWE, Repsol, ENI, BASF oder GDF Suez.

Ich halte es für Haarspalterei, wenn das Finanzministerium vor einigen Monaten mitteilte, es würde nicht in diese Unternehmen investieren, sondern nur in die Fonds. Ja, also, meine sehr geehrten Damen und Herren, wer einen Aktienfonds kauft, in dem die Aktien von Kohle- und Ölfirmen enthalten sind, der investiert natürlich auch in diese Unternehmen. Das ist Haarspalterei.

(Beate Schlupp, CDU: Es gibt nachgebildete Fonds, Herr Saalfeld.)

Aber nicht nur das Land selbst ist betroffen. Über noch viel umfangreichere Rücklagen verfügen die Versorgungsfonds der berufsständischen Vereinigungen, zum Beispiel der Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Apotheker oder Architekten. Diese Versorgungsfonds haben einen Milliardenbetrag zur Absicherung ihrer Mitglieder zurückgelegt – zu Recht. Mehrere dieser Versorgungswerke legen ihre Gelder auch in der fossilen Energiebranche an. Hier haben wir auch noch eine große gesellschaftliche Baustelle, aber die entzieht sich in gewisser Weise der Regelungsfähigkeit des Landtages.

Was schlagen wir Ihnen vor? Zuallererst muss endlich offengelegt werden, wie unsere öffentlichen Gelder konkret angelegt sind. Die Zeit der Geheimpolitik im Hinterzimmer muss vorbei sein!

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Dann sollten aber ab sofort keine Investitionen in die fossile Energiebranche mehr erfolgen. Ein vollständiger Abzug der Landesgelder aus Kohle, Öl und Gas soll innerhalb von fünf Jahren erfolgen. Damit hat das Land ausreichend Zeit, um Alternativen zu finden. Diese Alternativen gibt es, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich verrate kein Geheimnis, auch die Altersvorsorge der Mitarbeiter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verzichtet auf solche Investments, und zwar vollständig.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Sprechen Sie eigentlich für die Fraktion?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, innerhalb von fünf Jahren ist auch eine entsprechende Anlagerichtlinie zu erarbeiten. Gleichzeitig sollten wir diese Umstellung nutzen, um zumindest eine anteilige Regionalisierung der Investments zu prüfen. So hält das Land zwar Anleihen verschiedenster Banken, Sparkassen aus unserem Land sind aber nicht darunter, so viel kann ich schon mal aus der Verschlusssache verraten.

(Udo Pastörs, NPD: Die legen aber auch an.)

Ich hoffe, es wird mir irgendwann mal nicht negativ ausgelegt.

Des Weiteren sollte die Umsetzung der Anlagestrategie durch einen Beirat begleitet werden. Das schlagen wir Ihnen ja im vorliegenden Antrag vor. Es gab bereits einen Beirat, und zwar bis zum Jahr 2006, dann wurde er abgeschafft. Erst 2008 wurde dieser Versorgungsfonds angelegt. Wir sind also der Meinung, jetzt hat er wieder einen Sinn, deswegen sollten wir ihn einrichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt könnten Sie fragen, Herr Saalfeld, was soll das denn bringen, wenn das kleine Mecklenburg-Vorpommern damit anfängt und seine paar Euros aus den fossilen Energien abzieht. Ich kann Ihnen ganz genau sagen, was das bringt. Die GRÜNEN-Europafraktion hat eine Studie in Auftrag gegeben,

(Torsten Renz, CDU: Was sagt denn der Ministerpräsident von Baden-Württemberg dazu?)

die ich Ihnen ans Herz lege, Herr Renz, um zu ermitteln, wie hoch europaweit die Investitionen von Versicherungsunternehmen, Rentenfonds und Banken in fossile Energien eigentlich sind. Das Ergebnis hat es in sich.

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Jetzt hören Sie gut zu! Insgesamt stecken 1,2 Millionen Euro in Kohle, Öl oder Gas, 1,2 Millionen Euro öffentlicher Mittel – eine unvorstellbar große Summe.

(Vincent Kokert, CDU: Ui!)

Herr Kokert, herzlich willkommen hier im Saal!

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – Andreas Butzki, SPD: Das ist ein Frecher.)