Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Kollege Reinhardt bereits am Mittwoch aus, und es geht um Fristen, also Sachen, die im Landtag schon mehrfach debattiert wurden. Einziger Unterschied: Ort der direkten Demokratie ist dieses Mal die kommunale Ebene. Auf Landesebene kommen Sie nicht weiter, also gehen Sie einfach mit Ihren Forderungen und Wünschen auf die nächste Ebene über. Aber auch dort ist es genauso wie auf Landesebene, wenn man jetzt nicht die Landesverfassung, sondern die Kommunalverfassung anfassen müsste.

In der Bundesrepublik haben wir uns für eine parlamentarische Demokratie als Staatsform entschieden. Politische Sachentscheidungen werden im Gegensatz zur direkten Demokratie nicht unmittelbar durch das Volk selbst, sondern durch Abgeordnete getroffen.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gedanke dahinter ist eben nicht, wie von Ihnen suggeriert, die Bevormundung des mündigen Bürgers. Die Menschen sind keine homogene Masse mit einem gleichgerichteten Willen, wie Sie es immer versuchen darzustellen. Vielleicht macht die GRÜNEN-Mitgliedschaft dabei eine Ausnahme, aber die ist Gott sei Dank überschaubar.

Das sogenannte Volk ist eine große Anzahl von gleichberechtigten Individuen und jedes dieser Individuen hat seinen eigenen Willen. Die Aufgabe eines demokratischen Systems ist es, bis in die kleinste Ebene hinunter so zu organisieren, dass die einzelnen Interessen möglichst ausgeglichen werden. Die Entscheidungen sollen sich nach einem mutmaßlichen Gesamtwillen richten.

Für sinkende Wahlbeteiligungen müssen Lösungen gefunden werden, und ich denke, da sind wir uns auch einig. Aber ich sehe in der direkten Demokratie nicht die Alleinlösung, die allumfassende Superlösung. Gerade auf der kommunalen Ebene haben wir mit den Direktwahlen der Bürgermeister und Landräte viele direkte Einflussmöglichkeiten der Bürger, aber auch dort ist die Wahlmüdigkeit zu beobachten.

Meine Fraktion begrüßt das Engagement und den Einsatz von Bürgern auf kommunaler Ebene. So sehr ich dies betone, so sehr betone ich auch, dass es bei diesem nicht nur darum gehen kann, sich zu engagieren, wenn ich persönlich betroffen bin. So können Politik und Demokratie nun mal eben nicht funktionieren. Die Quoren, Fristen und Vorgaben der Kommunalverfassung sind dazu da, auch für das Mittel der Bürgerentscheide und Bürgerbegehren eine einheitliche Meinung einer Vielzahl von Menschen darzustellen. Zum Thema Absenkung, gesellschaftliche Entwicklung haben wir beziehungsweise haben meine Vorredner bereits ausgeführt.

Themen dürfen nicht nur von der emotionalen Seite aus betrachtet werden. Die Gefahr – und Herr Müller hat zu Recht darauf hingewiesen –, dass wichtige Sachentscheidungen nur aufgrund von Stammtischmeinungen und Populismus nicht umgesetzt werden, kann ich heute so nicht mittragen.

Aufgrund abgesenkter Anforderungen könnten Minderheiten das politische Handeln von gewählten Vertretern auf kommunaler Ebene faktisch lahmlegen. Die Kommunalverfassung sieht Bestimmungen für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide vor, diese können genutzt werden.

Ich freue mich sogar, wenn Bürger aktiv an der Politik in ihrem Umfeld teilnehmen wollen, aber auch dort muss es sich eben letztendlich um eine Mehrheitsentscheidung handeln. Nur weil jemand laut ist, vertritt er nicht unbedingt die Meinung derjenigen, die still sind.

An Bürgerinitiativen, die häufig direktdemokratische Prozesse anstoßen, beteiligen sich hauptsächlich bestimmte Bevölkerungsgruppen. Oft sind es die Gebildeten und Selbstbewussten mit Zeit, mit viel Zeit, die sich engagieren und protestieren, wenn ihnen etwas nicht passt. Aber was ist mit den Berufstätigen, mit den Familien mit kleinen Kindern oder den selbstständigen Handwerkern, was ist mit denen? Sie haben eine Meinung, aber häufig keine Zeit, diese öffentlich zu äußern. So etwas nennt sich in der Wahlforschung soziale Verzerrung. Unterschriften und Beteiligungsquoren korrigieren zumeist ein wenig diese soziale Verzerrung, sollten deshalb aber nicht abgesenkt werden.

Ich sehe die Elemente der direkten Demokratie, so, wie wir sie derzeit in unserer Kommunalverfassung haben, als absolut ausreichend an. Meine Fraktion wird Ihren Antrag ablehnen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Heinz Müller, SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Köster.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei dem Antrag ist eines festzustellen: Die GRÜNEN haben wohl vor 14 Tagen, vor zwei Wochen nicht gewusst, was sie einbringen sollen. Dann hat irgendein Mitarbeiter wahrscheinlich gesagt, lasst uns doch mal was zur Demokratie machen, und dann wurden halt ein paar Sätze aufs Blatt Papier geschmiert.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist Ihnen schon aufgefallen, dass wir sehr viel mehr Anträge haben als Sie? Wer beantragt denn hier immer nur zwei poplige Anträge?)

Der Antrag der GRÜNEN, der unter anderem die Landesregierung auffordert, die Aufgaben der GRÜNEN, nämlich die Einreichung eines Gesetzentwurfes, Herr Saalfeld, vorzunehmen, ist einfach nur peinlich. Dieser Antrag ist im Grunde etwas für den Rundordner, für den Papierkorb, und woanders dürfte der eigentlich auch nicht landen.

Sie wissen, dass mehr als 60 Prozent der Bürger, so eine „Stern“-Umfrage, die im Februar dieses Jahres veröffentlicht worden ist, die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland bezweifeln.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Konkret denken mehr als 60 Prozent der Bürger, dass in Deutschland keine echte Demokratie herrscht.

(Udo Pastörs, NPD: Wie gut. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Mehr als ein Viertel der Bürger wähnt das Land gar in einer Diktatur.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

30 Prozent der Befragten gaben an, Herr Saalfeld, sie können sich eine wirkliche Demokratie nur ohne Kapitalismus vorstellen.

Der Antrag der GRÜNEN verhilft unserem Land und vor allem den Bürgern nicht zu mehr Demokratie und Mitbestimmung. Dies liegt einerseits daran, dass die GRÜNEN fester Bestandteil der politischen Klasse sind und somit dem undemokratischen Parteienklüngel angehören. Weiterhin sind sehr viele Bürger von Ihrer Demokratie oder zumindest von dem, was Sie als Demokratie bezeichnen, dermaßen enttäuscht, sodass umfassendere Änderungen erforderlich sind.

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Das bedeutet Entmachtung der Parteien und mehr Mitbestimmung der Bürger.

Dadurch, dass Sie zum Beispiel gestern mehr Mitbestimmung der Bürger abgelehnt haben in Form dessen, dass wir gefordert haben, dass die Hauptausschüsse und auch die Kreisausschüsse generell öffentlich zu tagen haben, daran wird deutlich, dass Sie gar keine Demokratie wollen.

Die NPD-Fraktion wird diesen hingeschmierten Antrag ablehnen. – Danke schön.

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Saalfeld.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Also ich finde, die NPD sollte den Mund nicht zu voll nehmen, wenn es um die Qualität der Anträge geht,

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

insbesondere dann, wenn sie es gerade mal in dieser Sitzung schafft, zwei Anträge vorzulegen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Zwei zu viel.)

um sozusagen einer demokratischen Fraktion vorzuhalten,

(Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wir wüssten nicht, was wir beantragen können. Ich meine, wir sind ja froh, dass Sie nur zwei poplige Anträge vorlegen,

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

aber wie gesagt, man sollte nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt. Das ist einfach nur peinlich, das geht nach hinten los, Herr Köster.

(Stefan Köster, NPD: So ein schlechter Antrag hat den Landtag wohl noch nie erreicht.)

Sie sprechen immer von Sozialschmarotzertum. Schauen Sie sich mal in der Fraktion bei Ihnen um! Da scheint auch nicht viel gearbeitet zu werden. Was heißt „auch nicht“, dort wird nicht viel gearbeitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte dennoch auf die Argumente der demokratischen Fraktionen, die hier vorgetragen worden sind, gern eingehen.

Zunächst, Herr Müller, stellten Sie uns gerade dar, dass die Bürgerbegehren hier nicht so häufig auftreten würden, weil wir eine kleinteiligere Gemeindestruktur haben.

(Heinz Müller, SPD: Zumindest eine interessante These.)

Das ist eine interessante These.

Nun wissen wir auch, dass genauso viele oder ungefähr so viele Bürger in Mecklenburg-Vorpommern leben wie in Hamburg. Ich wüsste nicht, was dagegenspricht, dass dann hier auch die Anzahl ungefähr gleich ist. Aber ich will Sie fragen: Ist denn Ihre These auch eine Erklärung für die vielen unzulässigen Bürgerbegehren? Hat denn die Gemeindestruktur, die Kleinteiligkeit der Gemeindestruktur etwas mit der Größe, mit der Anzahl der unzulässigen Bürgerbegehren zu tun? Ich denke, nicht. Damit ist Ihre These keine Erklärung dafür, dass wir hier in den rechtlichen Regelungen einfach einen Nachbesserungsbedarf haben, denn sie erklärt nicht, warum wir so viele unzulässige Bürgerbegehren in den letzten 20 Jahren hatten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir, Herr Müller, dann doch die kleine Spitze, als Sie sagten, die Kommunalverfassung sei nicht in dieser Legislatur angegangen worden, weil die Koalition wichtigere kommunalpolitische Aufgaben hatte. Da ist mir natürlich sofort die Frage in den Kopf geschossen: Welche waren denn das, Herr Müller? War es vielleicht das FAG, das Sie auf 2018 verschoben haben, oder waren es die vielen Rettungspakete, die Sie notwendigerweise aufsetzen mussten, um das Gröbste abzuwehren am Prozess der Gemeinden?

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Also da wünschte ich mir tatsächlich mehr, ich sage mal, Dynamik und hoffe dann auch auf die nächste Legislatur. Klar ist seit heute, wir haben hier leider nichts mehr in dieser Legislatur zu erwarten.

Herr Saalfeld, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Müller?