Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht mal wieder um TTIP, nachdem wir über viele Probleme mit dem TTIP hier in diesem Hohen Hause schon gesprochen haben. Ich denke an den Investorenschutz, an die Informationen über die TTIP-Verhandlungen. Da muss ich Ihnen, Herr Koplin, auch recht geben, auch ich bin ein bisschen enttäuscht, hinter welch schwer verschlossenen Türen man über dieses Freihandelsabkommen diskutiert und wie wir die Informationen zu dem Verhandlungsstand – nur sehr spärlich – bekommen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Kennt man sonst nur von der Landeregierung, so ein Verhalten.)

Also, Herr Saalfeld, auf solche dummen Bemerkungen

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na! Na!)

möchte ich in diesem Falle nicht eingehen.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Interessant ist aber, dass wir, nachdem wir über den Investorenschutz gesprochen haben, jetzt mal über die Kulturschaffenden unseres Landes und über die Kultur in Deutschland insgesamt reden. Und da fragt man sich bei einem Handelsabkommen: Warum eigentlich Kultur, wenn Kultur ja eigentlich kein Handelsgut ist?

Aber Kultur wird in Deutschland subventioniert. Wir sind zwar das Land der Dichter und Denker, aber das lassen wir uns auch etwas kosten. Gucken Sie sich den Bildungshaushalt bei uns im Lande an: Allgemeine Bewilligungen Kunst und Kultur, Theater Schwerin, Landesamt für Kultur und Denkmalpflege – alles unterstützenswert, aber eigentlich subventioniert. Und ein Handelsabkommen hat eben die Aufgabe, einseitige Subventionen, die einen Handelspartner besserstellen, aufzuheben.

Da ist es schon recht verständlich, wenn die Kulturschaffenden Angst davor haben, dass der Staat und auch das Land sich mit ihren Geldern zurückziehen. Diese Angst sehe ich aber als vollkommen unberechtigt an. Schon im Mai hat die Europäische Kommission ganz ausdrücklich veröffentlicht, dass der Schutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt in der EU zentrale Ziele der Europäischen Union sind. Und daran wird auch TTIP nichts ändern.

Sehr geehrter Kollege Koplin, Sie hatten gesagt, Sie haben gerade mit dem Pressesprecher des Deutschen Kulturrates gesprochen. Das hätte ich auch gerne gemacht, denn ich habe hier eine Pressemitteilung des Deutschen Kulturrates, wo der Herr Zimmermann einen Gastkommentar von Herrn Richard Kühnel wiedergibt, der antwortet da auf ein Interview mit dem Bundestagspräsidenten a. D. Herrn Thierse. Und daraus möchte ich jetzt mal zitieren. Ich hatte gerade gesagt, dass sich die Kultur oder die zentralen Ziele der Europäischen Union durch TTIP nicht ändern werden. Und ich zitiere jetzt aus diesem Gastkommentar von Herrn Kühnel: „Schon in bestehenden Freihandelsabkommen genießt die Kultur einen besonderen Schutz, einschließlich der Filmförderung und des öffentlichrechtlichen Rundfunks.“ Das ist ein Fakt und das wird bei TTIP weiter so bleiben. „Das Abkommen darf die Mitgliedstaaten“ – ich zitiere weiter – „auch nicht daran hindern, ihren Kultursektor politisch und wirtschaftlich zu unterstützen“, denn, das hatte ich schon gesagt, nach normaler Praxis werden Subventionen durch EU-Abkommen ausgehebelt.

Herr Koplin, Sie hatten in Ihrer Einbringung auch das Problem der Buchpreisbindung angesprochen. Dazu muss ich sagen, dadurch, dass mit Amazon schon ein amerikanischer Händler auf dem Markt ist, wird die Buchpreisbindung, die es bis jetzt bei uns im Land und in Europa gibt, nicht ausgehebelt werden, denn auch Amazon hält sich an die Buchpreisbindung. Die zuständigen deutschen Stellen werden weiterhin die Kultur in unserem Land unterstützen. Ich denke, dass die Sorgen der Kulturschaffenden um ihren Arbeitsplatz unbegründet sind.

Es gibt vielleicht sogar Möglichkeiten, dass es für Kulturschaffende unseres Landes Vorteile geben kann, denn in

einigen Bereichen setzen wir uns bei den TTIP-Ver- handlungen – Entschuldigung, ich zitiere wieder aus dem Interview des Kulturrates –: „In einigen Bereichen setzen wir uns bei den TTIP-Verhandlungen für konkrete Verbesserungen ein. Etwa bei der US-Praxis, dass Musiker (heute) keine Tantiemen für ihre in US-Radiosendern gespielte Stücke erhalten. Oder dass bildende Künstler (heute) beim Weiterverkauf ihrer Werke nicht an Wertsteigerungen beteiligt werden. Diese Themen wollen wir offensiv mit der amerikanischen Seite ansprechen.“

Meine Damen und Herren, ich glaube, es hätte Ihres Antrages nicht bedurft. Man passt schon auf, dass die kulturelle Vielfalt bei uns in Europa und speziell hier bei uns in Deutschland auch von unserer Seite erhalten bleibt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit, den Antrag werden wir ablehnen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Michael Silkeit, CDU: Gute Rede.)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Saalfeld.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Lenz, Sie haben mich eben gerade so ein bisschen, ja,

(Burkhard Lenz, CDU: Sie müssen mit Ihren Zwischenrufen auch mal ein bisschen Niveau zeigen.)

negativ bezeichnet, aber ich will mich dieser Worte nicht …, ja, die möchte ich nicht verwenden, aber so eine gewisse Oberflächlichkeit und Schnoddrigkeit muss ich Ihrer Rede dann doch attestieren. Denn was hat denn bitte schön,

(Unruhe und Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Egbert Liskow, CDU: Das sagen Sie?!)

was hat denn,

(Julian Barlen, SPD: Er führt Selbstgespräche. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

was hat denn, bitte schön, Amazon damit zu tun, dass sich in Zukunft unter einem zukünftigen TTIP-Rahmenvertrag oder einer TTIP-Freihandelszone Amazon nicht mehr an die Buchpreisbindung halten muss? Also das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

(Burkhard Lenz, CDU: Also ich glaube, doch.)

Und dann vertrauen Sie immer auf irgendwelche Pressemitteilungen.

(Egbert Liskow, CDU: Das machen Sie doch auch immer so.)

Schauen wir uns doch mal das Problem genau an!

(Egbert Liskow, CDU: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, aber Sie machen es trotzdem.)

Wir können auch nicht darauf vertrauen, dass es vielleicht in anderen Verhandlungen dazu geführt hat, dass die Kultur geschützt wurde, denn hier besteht eine besondere rechtliche Eigenart, und auf die möchte ich eingehen.

TTIP ist ja ein Musterbeispiel dafür, wie Verhandlungen mit einer so enormen Tragweite gerade nicht geführt werden dürfen:

(Egbert Liskow, CDU: War gestern schon.)

intransparent, über die Köpfe der Betroffenen hinweg und von falschen Versprechungen begleitet. Schon allein deshalb werden am 10. Oktober wieder viele Bürgerinnen und Bürger in Berlin gegen TTIP auf die Straße gehen, und ich weiß, dass auch zahlreiche GRÜNE und LINKE und auch einige von der SPD wieder dabei sein werden. Es waren ja auch gerade GRÜNEN-Abgeordnete, die das Verhandlungsmandat der EU erstmals überhaupt ans Licht der Öffentlichkeit gebracht haben. Die EU selbst hat das erst ein Jahr später dann freiwillig getan.

(Egbert Liskow, CDU: Tolle Helden seid ihr!)

In den vergangenen Monaten haben aber auch sehr viele Kulturschaffende vor möglichen negativen Auswirkungen des Freihandelsabkommens für die Kunst und Kultur in Europa gewarnt. Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hat darum ein ausführliches Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um prüfen zu lassen, ob diese Sorgen berechtigt sind. Wir schauen uns nicht nur Pressemitteilungen an und sagen, da sagt jemand, da ist alles in Ordnung, sondern wir geben ein Rechtsgutachten in Auftrag.

Mit der Untersuchung betraut wurde Professor Dr. HansGeorg Dederer von der Universität Passau. Professor Dederer kommt zu dem Fazit, ja, die Sorgen der Kulturschaffenden sind berechtigt, sie sind sogar sehr berechtigt, denn die EU hat es mit einem Verhandlungspartner zu tun, der Maßnahmen zum Schutz von Kunst und Kultur vielfach als potenzielle Handelshemmnisse betrachtet, die es abzubauen gilt.

Dabei ist uns allen klar, natürlich ist Kultur auch ein Wirtschaftsfaktor und hat eigene Wirtschaftszweige ausgebildet. Nicht umsonst sprechen wir zum Beispiel von der Musik- und Filmindustrie. Die Kultur- und Kreativwirtschaft erzielt in Deutschland immerhin eine Wertschöpfung von 65 Milliarden Euro und einen Umsatz von fast 150 Milliarden Euro mit 1,6 Millionen Beschäftigten. Es wäre falsch, die Bedeutung von Kunst, Kultur und Medien für den weltweiten Handel zu leugnen. Aber Kunst und Kultur haben darüber hinaus natürlich einen besonderen Stellenwert. Sie gehören zum geistigen Fundament unserer Gesellschaft und setzen sich zugleich mit unserer Gesellschaft und ihren Fundamenten in den unterschiedlichsten Formen auseinander.

Auch deshalb hat der Schutz der Kultur in MecklenburgVorpommern sogar Verfassungsrang. Und darum ist es völlig richtig, dass sich der Landtag MecklenburgVorpommern mit den kulturellen Folgen eines TTIPAbkommens beschäftigt. Deswegen kann ich es auch

nicht nachvollziehen, wenn man sich hier hinstellt und sagt, dieses Antrages hätte es nicht bedurft. Es ist Verfassungsinhalt, was wir hier bereden, und deswegen gehört es hierhin.

Kunst, Kultur und die Kreativwirtschaft werden in Deutschland und Europa durch zahlreiche Maßnahmen besonders gefördert, durch geringere Umsatzsteuersätze, durch Subventionen, durch Preisbindungen, durch Quoten und so weiter. Schon früher gerieten diese Förderinstrumente durch internationale Handelsverträge unter Druck. Die Verträge der Welthandelsorganisation haben zum Beispiel beim Abbau von sogenannten Handelshemmnissen noch nie einen großen Unterschied gemacht, ob es sich um Produkte aus dem Literaturbetrieb oder der Chemieindustrie handelt.

Gerade weil die Liberalisierungen vor der Kultur nicht haltmachen, hat die UNESCO vor zehn Jahren das „Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ auf den Weg gebracht. Es sollte nicht zuletzt ein Gegengewicht zu den internationalen Handelsabkommen bilden und den Ländern eine völkerrechtliche Legitimation für einen besonderen Schutz ihrer Kunst- und Kulturwirtschaft geben. Das hat zum Teil auch funktioniert, deswegen ist es zu Recht richtig zu sagen, na ja, früher, bei anderen Handelsabkommen, ist doch die Kultur auch geschützt worden. Im ebenfalls sehr umstrittenen Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, CETA, gibt es einen ausdrücklichen Verweis auf die UNESCO-Konvention und einen entsprechenden Schutz des Kulturbereichs. So weit, so gut.

Ein solches Bekenntnis ist bei den TTIP-Verhandlun- gen jedoch nicht zu erwarten, denn die USA haben die UNESCO-Konvention nicht unterschrieben und sind sogar ein ausdrücklicher Gegner dieser Konvention. Das heißt, wir können nicht darauf vertrauen, dass es ja bei bisherigen Verhandlungen für Handelsabkommen geklappt hat, und deswegen wird es für TTIP auch klappen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Glauben Sie, das wissen die Verhandler nicht, oder was?!)

Nein, die USA haben es nicht unterzeichnet.

Was droht nun also durch die TTIP-Verhandlungen für die Kunst und Kultur und damit auch für die Kulturhoheit der Bundesländer? Man muss ehrlich sagen, wir wissen es nicht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ach so!)

Die Verhandlungsdetails sind geheim und es wird sogar noch komplizierter. Selbst wenn Kunst und Kultur in den Verhandlungen gar keine Rolle spielen würden, könnte das Abkommen große Auswirkungen auf sie haben. Das ist das Problem der sogenannten Negativlisten, wie sie im TTIP-Vertragswerk wohl verwendet werden. In diesen Negativlisten müssen alle Bereiche genau festgehalten werden, die durch das Abkommen nicht geregelt werden sollen. Fehlen die kulturellen Zweige in den Negativlisten, werden sie genauso behandelt wie jeder andere Wirtschaftsbereich auch. Und das kann dann sehr wohl bedeuten: keine Buchpreisbindung, keine Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der bisherigen Form, keine bevorzugte Frequenzvergabe, keine deutsche Filmförderung mehr.

Die Verhandlungspositionen der EU und der USA zu dieser Frage können wir bislang nur aus einem Blick auf andere Freihandelsabkommen ableiten. Der Befund ist dabei eindeutig. Kunst, Kultur und Medien werden in den Abkommen der USA in der Regel nicht unter einen bestimmten Schutz gestellt. Das unterscheidet die der USA übrigens von den Freihandelsabkommen der EU, die bisher zumeist einen solchen Schutz vorsehen. Wenn solche Schutzklauseln in den Verträgen nicht bestehen, dann wird die Liberalisierung im Zweifel auch konsequent durchgesetzt.

Das Gutachten für die GRÜNE-Bundestagsfraktion führt zum Beispiel Neuseeland an. Das ist ein ganz spannendes Beispiel, was da passiert ist. Hier hatte der vorbehaltlose Marktzugang für audiovisuelle Dienstleistungen dazu geführt, dass es kaum noch lokale Medienberichterstattungen gab. Und nun kam die neuseeländische Regierung auf die Idee, daraufhin Quoten für lokale Nachrichten einzuführen. Es genügte der Einspruch des US-Handelsbeauftragten, um diese Pläne wieder ad acta zu legen. Diese Handlungsunfähigkeit einer Regierung kann eben das Ergebnis unüberlegter Freihandelsverträge sein.

Darum brauchen wir offene, transparente Verhandlungen, ein klares Bekenntnis zum UNESCO-Überein- kommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und klare Bereichsausnahmen für den kulturellen Sektor. Bereichsausnahmen sind gängige Instrumente solcher Verträge, das heißt, hier werden ganze Wirtschaftsgebiete aus dem Vertrag herausgenommen und nicht jede einzelne Dienstleistung, jedes einzelne Produkt, wie das bei den Negativlisten geschieht, denn Negativlisten öffnen Tür und Tor für Missbrauch sowie Rechtsstreitigkeiten und sie können vor allem nicht die Entwicklung neuer Produkte, neuer Wirtschaftszweige und kultureller Ideen erfassen und vorhersehen.

Und zuletzt halten wir es selbstverständlich für falsch, zentrale Fragen von Kultur, Medien, Architektur und so weiter nicht mehr durch demokratisch legitimierte Regierungen und Parlamente, sondern im Ernstfall durch private Schiedsgerichte entscheiden zu lassen. Es geht mir nicht darum, ein Schreckgespenst USA zu konstruieren. Es ist völlig legitim, dass die USA in Verhandlungen ihre Interessen verfolgen, aber an diesen Punkten müssen sich die TTIP-Verhandlungen für den Bereich der Kultur aus unserer Sicht messen lassen. Und wenn es hierzu keine Einigung zwischen den USA und der EU gibt, dann kann es eben auch kein TTIP geben.