Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Danke.

Mit liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/4458. Wer dem zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Und die Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/4458 abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU und Fraktion der NPD, bei keiner Stimmenthaltung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion der NPD hat einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 6/4541 zum Thema „Die Schließung der Anklamer Kinderklinik verhindern!“ vorgelegt. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 24 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 22: Das ist die Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Schluss mit Spekulationen: Fischsterben in der Peene transparent aufklären, Öffentlichkeit informieren, Katastrophenbewältigung verbessern, die vorliegende Drucksache 6/4464(neu).

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schluss mit Spekulationen: Fischsterben in der Peene transparent aufklären, Öffentlichkeit informieren, Katastrophenbewältigung verbessern – Drucksache 6/4464(neu) –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was geschah wirklich in Anklam Ende August/Anfang September, als Tausende tote Fische auf dem Wasser der Peene auftrieben? Der Ablauf der Ereignisse vor Ort stellt sich wie folgt dar:

Am Samstag, 29.08., fielen im Seitenkanal der Peene, der zur Zuckerfabrik führt, schon Gestank und tote Fische auf. Die Behörden gingen zunächst von einem durch sommerliche Hitze bedingten Fischsterben aus.

Am Montag, das war der 31.08., wurde die Einleitung von aufmerksamen Bürgern gesucht und gefunden – von Menschen, die das Fischsterben und den Alkoholgeruch in einen kausalen Zusammenhang brachten, die noch selbstständig nach der Quelle suchten und auch zwei Einleitungsrohre fanden. Montagabend errichtete die Feuerwehr dann eine Sperre.

Am Dienstagmittag entdeckte ein Bürger, dass die Sperre nicht wirkte, dass hoch entzündliche Flüssigkeit in einem öffentlich zugänglichen Graben zu sehen war und auch Dämpfe stiegen auf. Er alarmierte die Feuerwehr, die das Gebiet evakuieren ließ, eine Absperrung errichtete und nach und nach das Rohr leer pumpte.

Am Mittwoch meldete die Zuckerfabrik, dass ein offener Hahn gefunden worden war. Wir gehen natürlich davon aus, dass dieser Hahn dann unverzüglich geschlossen wurde.

Mittlerweile ist klar, die Giftfahne im Wasser der Peene war hauptsächlich Ethanol und kam vom Fabrikgelände der Zuckerfabrik über einen Regenwassergraben bis in die Peene, breitete sich dort durch eine windgesteuerte Strömungsumkehr in beide Richtungen auf mindestens acht Kilometer Länge aus – es mag sogar noch viel mehr sein, in der Pressekonferenz war auch von einer Strecke zwischen Stolpe und Anklamer Fähre die Rede, das wären dann 20 Kilometer Flusslänge – und erreichte schließlich im Mündungsbereich den Peenestrom. Es geht hier um eine Menge von einer Million Liter hoch konzentriertem fischgiftigen Alkohol.

(Burkhard Lenz, CDU: „Fischgiftig“ ist interessant, Frau Karlowski.)

Theoretisch haben wir es bei der Zuckerfabrik Anklam mit einem gelungenen Konzept zu tun, denn aus den Rüben nicht nur Zucker herzustellen, sondern auch das wertvolle Ethanol und ebenso Biogas zu produzieren, ist grundsätzlich eine gute Idee. Doch nicht nur das aktuelle Fischsterben, auch die vorherigen Auffälligkeiten lassen uns fragen, ob es vielleicht nur ein theoretisch gelungenes Konzept ist. So stellte das LUNG im Februar 2015 eine Strafanzeige im Zusammenhang mit der Einfuhr von Abfallprodukten aus der Verarbeitung von Bleicherden in der Ethanolanlage. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt wiederum erstattete im März 2015 Strafanzeige wegen ungenehmigten Betriebs einer Anlage – hier geht es um die zur Zuckerfabrik gehörenden Klärteiche –, denn es war aufgefallen, das organisch hoch belastete Abwässer in Teichen zwischengelagert wurden, die dafür nicht genehmigt waren.

Was beim aktuellen Fall, beim Fischsterben aber besonders frappierend ist, ist die lange Dauer der Einleitung von Umweltgiften in die Peene. Nach jetzigem Kenntnisstand lief die giftige Flut von Samstag über Sonntag, Montag und Dienstag. Spätestens Mittwoch war der Spuk vorbei, denn dann wurde dieser offene Hahn gefunden. Wir gehen davon aus, dass er dann auch geschlossen wurde.

Zu Beginn der Rübenkampagne, also zwei Wochen später, berichteten Sie, Herr Minister Backhaus, der Öffentlichkeit, dass die Fische in der Peene wieder okay sind und dass wir hier keinesfalls von einer Umweltkatastrophe sprechen dürfen. Meine Damen und Herren, unsere Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht das völlig anders. Wir halten rund eine Million Liter Ethanol in der Peene für eine eklatante Umweltkatastrophe. Sie, Herr Minister Backhaus, beharren aus formalen Gründen darauf, das Geschehen nicht als Katastrophe zu bezeichnen, weil der Schaden die Kreisgrenze nicht überschritten hat beziehungsweise weil die Landrätin keine Katastrophe ausgerufen hat. Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen, Tausenden toten Fischen und den vielen anderen toten Tieren ist es völlig egal, ob sie durch eine kreisübergreifende oder durch eine kreisbegrenzte Vergiftung ums Leben kamen.

(Beate Schlupp, CDU: Die denken darüber wohl nicht mehr nach.)

Doch es sind hier mehrere Ministerien in der Verantwortung. Herr Minister Glawe, von Ihnen hört man in dieser Sache erstaunlich wenig, nämlich gar nichts. Die Verantwortung für die Genehmigung der Bioethanolanlage Anklam liegt aber im Bereich Immissionsschutz und dieser ist dem Wirtschaftsministerium zugeordnet. Was taten Sie, Herr Glawe, eigentlich, als feststand, dass es nicht ein sommerlicher Sauerstoffmangel war, sondern die Einleitung eines giftigen Stoffgemisches, die ursächlich für das Fischsterben in der Peene war? Nicht einen öffentlichen Satz haben wir dazu von Ihnen gehört.

Herr Minister Backhaus und Herr Minister Glawe, meine Fraktion erwartet, dass Sie uns heute hier erklären, wie es zu dieser unglaublichen Umweltkatastrophe in Ihrem Verantwortungsbereichen kommen konnte und vor allem, wie Sie so etwas in Zukunft ausschließen wollen.

Im Artikel 12 der Verfassung unseres Landes ist zu lesen, ich zitiere: „Land, Gemeinden und Kreise sowie die anderen Träger der öffentlichen Verwaltung schützen und pflegen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die natürlichen Grundlagen jetzigen und künftigen Lebens und die Tiere.“ Zitatende. Die staatliche Verwaltung hat also den Auftrag, diese Tätigkeit auszuüben.

Angesichts des katastrophalen Fischsterbens in der Peene und der damit zusammenhängenden Ereignisse entsteht der starke Eindruck, Ihre Ministerien mit Immissionsschutz-, Umwelt- und Ordnungsbehörden haben ihre Aufgaben nicht voll erfüllt. Wie anders, fragen wir uns, ist es sonst möglich, dass aufmerksame Bürgerinnen und Bürger den massenhaften Tod von Fischen in der Peene feststellen müssen, auch noch selbstständig die vermeintliche Ursache recherchierten und es mehrere Tage dauerte, bis die Rohre, aus denen eine Millionen Liter giftiges Ethanolgemisch in die Peene strömten, verschlossen wurden? Wie anders ist es sonst möglich, dass trotz des auffälligen Geruchs der eingeleiteten Flüs

sigkeit nicht sofort eine weiträumige Absperrung des betreffenden Geländes erfolgte, um Schäden durch mögliche Explosionen von vornherein zu verhindern?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich war selbst mehrfach vor Ort und habe mir ein Bild der Lage machen können.

(Burkhard Lenz, CDU: Fische erschreckt und dann sind sie gestorben. – Heiterkeit bei Beate Schlupp, CDU – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Ich bin heilfroh, dass wir einer noch größeren Katastrophe mit gesundheitlichen Schäden bei den Anwohnern der Bioethanolfabrik entgangen sind. Und trotz offensichtlicher Fehler beim Handling der Situation danke ich und dankt meine Fraktion all jenen Einsatzkräften, die vor Ort ihr Bestes gegeben haben, um Schlimmeres zu verhindern. Und ich danke ausdrücklich den Medien und den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort für die couragierte Aufklärungsarbeit.

Meine Damen und Herren, die Hauptverantwortung für die illegale Einleitung von wassergefährdenden Stoffen in die Peene hat die Betreiberin der Anlage, die Suiker Unie GmbH, denn laut Bundes-Immissionsschutzgesetz heißt es, ich zitiere: „Der Betreiber hat die nach Art und Ausmaß der möglichen Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern“, Zitatende. Dabei sind auch mögliche Eingriffe Unbefugter zu beachten. Ebenso müssen Alarm- und Gefahrenabwehrpläne vorliegen.

Wir fragen: Wurde in Anklam danach gehandelt? Welche Verantwortung hat Suiker Unie einerseits und welche Verantwortung tragen die Behörden andererseits? Wie konnte die Bioethanolfabrik überhaupt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erhalten, wenn es offenbar Rohrverbindungen von der Anlage in Richtung Peene gibt? – Die zentrale Frage.

Die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wasser- gefährdenden Stoffen schreibt unter anderem vor, dass Auffangräume für die toxischen Stoffe vorzusehen sind, die grundsätzlich keine Abläufe haben dürfen. Diese Auffangbecken müssen dicht sein. Es hätte also gar keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Bioethanolanlage geben dürfen, denn es hat in Anklam ganz offensichtlich eine Verbindung von Auffangflächen für wassergefährdende Stoffe hin zur Peene gegeben. Oder stimmen hier die Pläne nicht mit der Realität vor Ort überein?

An dieser Stelle sind Sie gefragt, Herr Minister Glawe, denn Sie sind mit Ihrem Ministerium Fach- und Dienstaufsicht im Bereich Immissionsschutz. Ganz unabhängig von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen müssen Sie erklären, ob die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sachgerecht und damit juristisch sauber ergangen ist.

Wir fragen: Soll hier trotz mehrfacher Regelverstöße einem Wirtschaftsbetrieb unter die Arme gegriffen werden, weil er nach Einschätzung der Landesregierung in der Region unverzichtbar ist?

(Katharina Feike, SPD: Oh, was soll das denn?)

Wie konnte dem letztes Jahr eingesetzten Expertengremium entgangen sein, dass es Verbindungen zur Peene

gab, die im Falle eines Störfalles ein Austreten giftiger Flüssigkeiten erleichtern würden?

(Burkhard Lenz, CDU: Zweifach verschlossen.)

Natürlich – und das sagen wir auch – wird in Anklam und Umgebung jeder Arbeitsplatz gebraucht, doch berechtigt das in keinem Fall dazu, einen regelwidrigen Betriebsablauf einer Anlage zuzulassen, die die Umwelt gefährden kann.

(Thomas Krüger, SPD: Das ist eine Behauptung.)

Wir wollen keine Lex Zuckerfabrik.

Meine Damen und Herren, unterstützen Sie unseren Antrag, damit eine lückenlose Aufklärung der Umweltkatastrophe an der Peene im Verantwortungsbereich der Landesregierung erreicht werden kann. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wir haben es im Zusammenhang mit der Peene und dem Unfall in Anklam mit einem schweren Umweltunfall zu tun. Dieser Unfall hätte vermieden werden können. Dieser Unfall hätte nicht stattfinden dürfen. Ohne den staatsanwaltlichen Ermittlungen, den kriminaltechnischen Untersuchungen und auch den Gutachten irgendetwas vorwegzunehmen, sage ich Ihnen heute an dieser Stelle: Ich persönlich gehe von menschlichem Versagen aus. Das ist traurig, das ist sehr, sehr schade.

Ich glaube auch, an dieser Stelle noch mal sagen zu müssen, Frau Karlowski, bei allem Wohlwollen, wir haben es nach der Gesetzgebung Deutschlands, der Europäischen Union nicht mit einer Katastrophe zu tun. Ein Glück!

(Michael Andrejewski, NPD: In der Region schon.)

Wir haben heute Morgen bis eben über erneuerbare Energien, nachwachsende Rohstoffe gesprochen. Den meisten ist scheinbar nicht bewusst, dass wir hier eine in Deutschland einmalige Anlage stehen haben, die einer Bioraffinerie höchsten Maßstabs in Deutschland entspricht – ein einmaliges Projekt.

An dieser Stelle will ich nichts in Schutz nehmen. Ich weiß auch, wie den Menschen zumute ist. Aber ich betone noch mal: Es gibt in Deutschland noch 20 Zuckerfabriken. Die einzige, die in Deutschland nach dem Modus arbeitet wie wir, ist die, die wir in Anklam haben, die sowohl hochwertigen Lebensmittelzucker produziert, auf der anderen Seite Ethanol und zum Zweiten auch Biogas

produziert. Das ist einmalig in Deutschland. Wenn wir das nicht auf den Weg gebracht hätten, hätte es keine Zuckerfabrik mehr in Mecklenburg-Vorpommern gegeben. Auch das gehört der Ehrlichkeit halber dazu.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ich betone an dieser Stelle noch mal: Ich nehme da niemanden in Schutz, sondern ich erwarte von dem Unternehmen vollständige Aufklärung.