Protokoll der Sitzung vom 25.09.2015

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Wissen Sie denn, dass fraktionsübergreifend der Antrag eingereicht wurde?)

im Bund und im Land – aus dem Vergleich der Bereiche der beruflichen und der allgemeinen Bildung ist eben nicht die Legitimation abzuleiten, die Berufsausbildung per se zu akzeptieren. Sie kann nämlich nicht verordnet werden. So kann und darf eine Berufsorientierung oder Studienorientierung nicht aussehen. Das verkehrt einfach die Tatsache, dass es allen Beteiligten wesentlich besser gelingen muss, Jugendliche auf die große Bandbreite der Berufe vorzubereiten, ihnen wirklich eine Orientierung und einen Halt zu geben, denn sowohl die berufliche als auch die schulische Bildung bieten zahlreiche Möglichkeiten von Abschlüssen, die dann den verschiedenen Niveaustufen – ich betone: den verschiedenen Niveaustufen! – des Deutschen Qualifikationsrahmens zugeordnet werden und auch künftig zugeordnet werden. Somit sind nicht die berufliche und die allgemeine Bildung pauschal gleichwertig, sondern sie sind vergleichbar auf der jeweiligen Niveaustufe.

Der Qualifikationsrahmen ordnet die Abschlüsse der verschiedenen Bildungsbereiche in acht Niveaustufen ein, die durch die jeweiligen Lernergebnisse beschrieben werden. So ist zum Beispiel die Fleischerin oder der Fleischer der Niveaustufe 4 von acht zugeordnet, der geprüfte Meister hat die Niveaustufe 6 und der Tierarzt die Niveaustufe 7. Das bedeutet, dass Unterschiede und Gemeinsamkeiten von allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung sichtbar gemacht werden. Hier geht es vor allem um Durchlässigkeit, um das Vermeiden von Einbahnstraßen und Irrwegen in der Bildung.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie begrüßen in Ihrem Antrag das Landeskonzept für den Übergang von der Schule in den Beruf. Richtig, das ist ein Schritt! Aber seit anderthalb Jahren ist es lediglich der erste Schritt, denn es fehlt immer noch der gemeinsame Handlungsrahmen für eine gemeinsame Berufsorientierung, der entsprechend der Altersstufen der Schülerinnen und Schüler strukturiert und klar definiert ist. Wir würden in diesem Zusammenhang zum Beispiel begrüßen, dass endlich die vor mehr

als einem Jahr angekündigten und dann wieder abgesagten Regionalkonferenzen durchgeführt werden würden.

Nur, der erste Schritt genügt eben nicht, um Berufsorientierung planmäßig zu lenken und erfolgreich zu gestalten, denn dazu gehört auch, die Jugendberufsagenturen nach vergleichbaren Inhalten und Kriterien arbeiten zu lassen und ihre vielfältigen Aufgaben durch eine Landeskoordinierung zu bündeln. Dann würde man auch Jugendliche mit Migrationshintergrund und Behinderung frühzeitig fördern können, und zwar so, dass man hier nicht den Weg der Exklusion geht, wie der Antrag vorsieht, sondern den der Integration. Diese Jugendlichen benötigen in den meisten Fällen keine speziellen Ausbildungsplätze, sondern müssen für die Ausbildung fit gemacht werden. Ihr Antrag geht auch in diesem Punkt an den gesellschaftlichen Erfordernissen und Bedarfen vorbei.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wir benötigen keine zusätzlichen Behindertenausbildungsplätze oder Migrationsausbildungsplätze, sondern diese jungen Menschen benötigen Unterstützung und Begleitung, um die vorhandenen Ausbildungsplätze zu besetzen und dann ihre Ausbildung erfolgreich zu absolvieren.

So, wie sich dieser Antragspunkt erledigt hat, erledigen sich auch Ihre Forderungen unter Ziffer II, denn die von Ihnen geforderten Beratungsstrukturen an den Hochschulen existieren bereits und auch die Industrie- und Handelskammern haben eine sehr gut funktionierende Studienabbrecherberatung. Aber das passiert beim Abschreiben, dass man etwas fordert, was bereits vorhanden ist.

(David Petereit, NPD: So ist es. – Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Allerdings geben wir Ihnen selbstverständlich in dem Unterpunkt Ihres Antrages recht, in dem Sie fordern, dass die Berufs- und Studienorientierung in der gymnasialen Oberstufe unbedingt intensiviert werden muss. Gegenwärtig erfolgt diese ohne inhaltlich klare Zielsetzung, ohne Rahmenplan und ohne Bezug zur Richtlinie der Berufsorientierung, denn diese blendet die Studienorientierung vollkommen aus.

Auch am Gymnasium muss nicht nur die Studienorientierung planmäßig erfolgen, sondern eben auch die berufliche Bildung Einzug halten, um den Jugendlichen Rechnung zu tragen – das sagte eben Herr Glawe –, die das Gymnasium ohne die allgemeine Hochschulreife verlassen oder sich anschließend für eine qualifizierte Berufsausbildung entscheiden.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir können weder den Mangel an jungen Menschen noch den Mangel an Ärztinnen und Ärzten oder Köchinnen und Köchen mit diesem Antrag beheben.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Was demografisch bedingt ist, kann man nicht mit Grußworten, Bitten und Willensbekundungen wegreden. Mecklenburg-Vorpommern hat mehrere Tausend offene Lehrstellen, von denen wahrscheinlich keine einzige durch diesen Antrag besetzt wird. Es mangelt nämlich an einer entschlossenen und konsequenten Landesstrategie, die tatsächlich das Interesse der Jugendlichen für die Berufsausbildung weckt, die sie begleitet und unterstützt.

Ihr Versuch, wortreich etwas gleichzusetzen, wird nicht mehr Kellner, nicht mehr Restaurantfachfrauen oder Verkäuferinnen und Verkäufer motivieren, ihre Ausbildung in diesen Berufen zu beginnen und vor allem erfolgreich abzuschließen. Durch eine unzulässige Verengung von Begrifflichkeiten möchten Sie gerne theoretisch dem Fachkräftemangel entgegenwirken, statt beispielsweise die Berufsschullandschaft so auszugestalten, dass die Jugendlichen, die in Mecklenburg-Vorpommern leben, auch eine wohnortnahe Berufsausbildung absolvieren können.

Derzeit gelingt es der Regierung nicht einmal, sich mit der Arbeitgebervereinigung über 10.000 Euro zu verständigen, die für den Berufswahlpass notwendig sind. Wer es zulässt, dass alle Schulen den Schülerinnen und Schülern diese Pässe ausdrucken müssen, ihnen eine Loseblattsammlung als sogenannten Berufswahlpass aushändigen müssen, der ist weit davon entfernt, mit seiner Wunschliste bei genau den gleichen Partnern punkten zu können.

(Beate Schlupp, CDU: Aber ein toller Pass, der bringt Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze?!)

Nun haben Sie ja wirklich …

Das ist ein sehr erfolgreiches Instrument, Frau Schlupp, und da müssten Sie sich erst über den Inhalt erkundigen und sehen, was das tatsächlich für die Schülerinnen und Schüler bringt, wenn sie diesen Berufswahlpass in ihrer Ausbildung vorlegen können. Das ist nicht mal mehr gegeben, dass sie den wirklich als Pass erhalten,

(Egbert Liskow, CDU: Ihr seid doch bloß Theoretiker!)

sondern einfach nur als Loseblattsammlung.

(Beate Schlupp, CDU: Ob das eine Hochglanzbroschüre ist oder eine Loseblattsammlung ist egal, wird nichts ändern.)

Ja, genauso wie Ihr Antrag, Frau Schlupp.

Nun haben Sie ja wirklich vieles aus dem Antrag aus dem Bundestag kopiert, aber sämtliche Forderungen, die Ihre Bundeskollegen an die Länder stellen und die die tatsächliche Landesverantwortung verdeutlichen, haben Sie geflissentlich vergessen abzuschreiben.

(Egbert Liskow, CDU: Sie können besser abschreiben, das wissen wir ja.)

So können Sie natürlich vergessen, dass wir Ihrem Antrag heute zustimmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Oldenburg.

Um das Wort hat gebeten der Bildungsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Mathias Brodkorb.

(Torsten Renz, CDU: Na siehste, dann spricht er doch noch.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da, wie zu erwarten, ja auch einige Dinge angesprochen wurden, die meinen Ressortbereich betreffen, will ich gerne kurz darauf eingehen, am Ende auf drei Dinge.

Das Erste ist die Frage, ob diese Debatte hier irrelevant ist, also eine öffentliche Debatte darüber, dass die Berufsausbildung und die akademische Bildung in der öffentlichen Wertschätzung den gleichen Wert haben müssen. Wenn das überflüssig ist, dann waren umgekehrt auch die Debatten der letzten 10 oder 15 Jahre überflüssig, wo das nicht der Fall war, sondern wo das Gegenteil gemacht wurde, auch hier im Haus. Ich will mich gar nicht ausnehmen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie wir euphorisiert Debatten über die Wissensgesellschaft geführt und gesagt haben, die Akademikerquote muss immer höher werden, es müssen immer mehr aufs Gymnasium, es müssen immer mehr Abitur machen.

(Vincent Kokert, CDU: Keiner kann mehr ein Klo reparieren. Diese Situation haben wir jetzt schon.)

Frau Oldenburg, da haben Sie natürlich recht, bei uns wird diese Situation jetzt durch den demografischen Wandel verschärft,

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

und diesen demografischen Wandel können wir natürlich nicht über diese Debatte ändern. Aber ich glaube schon, dass es auch in der Verantwortung der Politik ist, den jungen Menschen zu sagen, dass wir im Bereich des Handwerks und der Ausbildung unglaublich viele Potenziale, Chancen und Bedarfe haben

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Das ist die Intention.)

und es unglaublich viele Akademiker gibt, die im Niedriglohnsektor arbeiten werden, weil es für sie in diesem Umfang gar keine Bedarfe gibt. Diese Wahrheit als Politik auch mal auszusprechen, dass vielleicht vor zehn Jahren die Debatte über mehr Akademiker richtig war,

(Beifall Egbert Liskow, CDU)

dass wir heute aber in einer anderen Situation sind, ist notwendig. Wenn Sie mit Handwerksmeistern sprechen, mit der IHK und sonst wem, wird das auch ganz deutlich. Wenn das so ist, finde ich, haben wir als Politik schon die Verantwortung, diese Debatte auch zu führen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. – Torsten Renz, CDU: Viel zu spät.)

Zweiter Punkt: Berufswahlpass. Damit sich da keine Legenden verbreiten, die Diskussion war folgende: Wir haben als Bildungsministerium vorgeschlagen, dass die Schulen die Flexibilität haben, verschiedene Elemente aus dem Berufswahlpass auszuwählen und beispielsweise das Erzeugen dieses Berufswahlpasses in den Kunstunterricht zu integrieren, dass man sagt, die Schüler gestalten sich ihren Berufswahlpass selbst, können sich damit auch mehr identifizieren, und die Lehrer haben die Möglichkeit, einzelne Elemente auszuwählen. Das war unser Vorschlag, und nicht eine Loseblattsammlung. Es wäre pädagogisch sehr viel sinnvoller gewesen, das so zu machen.

Dann haben die Sozialpartner gesagt, das wollen wir aber nicht. Wir hätten gerne einen Hochglanzberufswahlpass, der vorgedruckt ist. Darauf hat die Regierung gesagt, okay, wenn das euer Wunsch ist, weil ihr ja am Ende mit dem Berufswahlpass arbeiten sollt, es ist ja auch euer Instrument,

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

machen wir euch den Vorschlag, dann machen wir das so, aber wir teilen uns die Kosten, die eine Hälfte die Sozialpartner, die andere die Landesregierung. Das war die Vereinbarung, die ist schriftlich festgehalten worden. Ich möchte mal sagen, die Landesregierung steht bis zum heutigen Tag zu ihrem Wort. So einfach ist das.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Das habe ich auch so gesagt.)

Nun kommt der dritte Punkt.

Frau Oldenburg, Sie haben den Deutschen Qualifikationsrahmen, der ja aus dem Europäischen Qualifikationsrahmen resultiert, gelobt und haben darauf hingewiesen, dass es da um Vergleichbarkeit geht im Unterschied zum Thema Gleichwertigkeit im Antrag der Koalition.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ja.)

Ich muss das Lob ein bisschen zurückweisen. Das, was wir mit dem Deutschen und dem Europäischen Qualifikationsrahmen machen – viele werden das wahrscheinlich gar nicht kennen –, ist zu erheblichen Teilen eine Riesenkopfgeburt. Wir versuchen, nicht nur die entsprechenden Abschlüsse innerhalb Deutschlands irgendwie vergleichbar zu machen, sondern innerhalb Europas. Da sich aber die Abschlüsse innerhalb Europas völlig unterscheiden, ist es zwar in der Tabelle so, dass das alles vergleichbar ist, aber was sich dahinter verbirgt, ist mitnichten vergleichbar.