Jahrhundertelange koloniale Ausbeutung und die gegenwärtige Weltwirtschaftsordnung sind für die Entwicklungsunterschiede zwischen den Industrieländern im Norden und den Ländern des Südens verantwortlich. Die Dominanz neoliberaler Politik in den letzten drei Jahrzehnten hat die soziale Ungleichheit weltweit noch verschärft. Während in den Ländern des Südens weiterhin Millionen Menschen hungern und in Armut leben, haben neoliberale Reformen in Deutschland und anderen Industrieländern den Reichtum weiter konzentriert und die beschleunigte Verarmung immer größerer Bevölkerungsgruppen verursacht.
Im Jahr 2000 hat sich die internationale Staatengemeinschaft vorgenommen, die Zahl der Hungernden von damals 840 Millionen bis 2015 auf 420 Millionen zu halbieren. Im Jahr 2010 hungerten über eine Milliarde Menschen. Dies offenbart das Versagen der kapitalistischen Globalisierung. Der ehemalige UN-Sonderbotschafter für Nahrung Jean Ziegler spricht von Ermordung durch das kapitalistische System.
DIE LINKE fordert seit Langem eine grundlegende Neuorientierung unserer Beziehungen zu den Ländern des Südens. Entwicklungspolitik muss an den strukturellen Problemen ansetzen, die durch die kapitalistische Weltwirtschaftsordnung hervorgerufen werden. Entwicklungspolitik muss die Süd-Süd-Beziehungen und die regionalen Märkte als Gegenpol zur globalen Handelspolitik stärken, die Verarbeitung von Rohstoffen in den Ländern des Südens fördern und für gerechte Preise sorgen. Bauern, angepasste Technologien und eine gerechte Land- und Ressourcenverteilung müssen ins Zentrum der Förderung rücken, die lokalen Produzentinnen und Produzenten vor Preisdumping und Verdrängungsprozess geschützt werden. Deshalb müssen aus unserer Sicht die Finanzmärkte reguliert werden, die Transaktionssteuer eingeführt und ihr Ertrag für die Armutsbekämpfung verwendet, die Spekulation mit Nahrungsmitteln verboten und ein Moratorium für den Import von Agrarstoffen zur Agrarspriterzeugung aus den Ländern des Südens bereitgestellt werden.
Entwicklungspolitik muss aktive Friedenspolitik sein. Wir fordern ein Ende der Vermischung von zivilem Engagement und militärischer Besatzung. Die Instrumente der zivilen Konfliktprävention und -bearbeitung müssen massiv ausgebaut werden. Entwicklungspolitik wird auf Bundesebene durch die Koalition seit Jahren als Politik der Absatzmärkte, Investitionsfelder und des Zugriffs auf Rohstoffe für die deutsche Wirtschaft gesehen. Damit ordnet man Entwicklungspolitik militärischen Strategien unter.
Das Konzept der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit mit dem Krieg wird als Entwicklungshilfe verkauft. Es ist zynisch, weil es Entwicklungshilfe auch für militärische Zwecke instrumentalisiert und damit zivile Aufbauhelfer massiv gefährdet. Damit muss doch endlich Schluss sein! Das wäre eine Voraussetzung für ein echtes bürgerschaftliches Engagement auf diesem Gebiet, das unbedingt notwendig ist. Selbstverständlich ist jedes bürgerschaftliche Engagement hier zu unterstützen und zu loben.
Ja, Frau Kaselitz, Sie haben recht, „Entwicklungspolitik“ ist der Oberbegriff für staatliche Programme, die die politische und wirtschaftliche Situation in den Entwicklungsländern verbessern sollen. Aber – und das frage ich Sie ganz offen – ist die jetzige Situation wirklich geeignet, um diese Ziele zu erreichen? Ich meine, nein.
Allerdings reicht allein bürgerschaftliches Engagement keinesfalls aus. Und genau da liegt das Problem. Dieser Antrag spiegelt auf Landesebene die Situation wider, wie wir sie auch global finden: eine Anzahl gut gemeinter Ideen, aber für die Menschen in den Entwicklungsländern passiert am Ende nicht viel.
Unsere Fraktion macht kein Geheimnis daraus, dass es für uns keinen Unterschied macht, ob die Menschen vor Krieg oder vorm Hungertod flüchten.
Wir vertreten ebenfalls die Auffassung, dass die Fluchtursachen bekämpft werden müssen. Genau hier muss die Entwicklungspolitik ansetzen und deshalb teilen wir auch den grundsätzlichen Ansatz Ihres Antrages.
Das Problem ist nur, dass es an der Umsetzung hakt. Natürlich, und auch das muss man der Fairness halber sagen, gab es durchaus Fortschritte. Die Europäische Union selbst teilte dazu mit, dass sie in 150 Staaten Entwicklungshilfe leiste. Hierdurch konnten in den letzten zehn Jahren in diesen Ländern fast 14 Millionen Kinder eine Grundschule besuchen, erhielten mehr als 70 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser und über 7,5 Millionen Geburten konnten von ausgebildetem Gesundheitspersonal begleitet werden, was natürlich zu einer verringerten Mütter- und Säuglingssterblichkeit geführt hat. Die Europäische Union sagt aber auch ganz klar, dass das alles zur Bekämpfung von Armut in der Welt noch lange nicht ausreicht.
Ein ganz trauriges Kapitel spielen dabei die angekündigten Treuhandfonds für Afrika und Syrien. Europa hat beispielsweise für die Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika zur Bekämpfung von Fluchtursachen 1,8 Milliarden Euro zugesagt. Realisiert wurden hiervon jedoch erst 24,3 Millionen Euro. Davon kommen 8,9 Millionen Euro sogar von den Nicht-EULändern Norwegen und der Schweiz. Deutschland hat für diesen Fonds noch keinen einzigen Cent zugesagt. Beim Treuhandfonds für Syrien und dem Welthungerprogramm sieht es ähnlich aus. Trotz zugesagter Gelder aus den Mitgliedsstaaten ist noch nichts passiert.
Meine Damen und Herren, derartige Fonds haben auch etwas mit Entwicklungshilfe zu tun, und die aktuelle Entwicklung zeigt doch eindeutig, dass die Entwicklungshilfe des Westens bisher nicht unbedingt ein Erfolgsmodell war. Auf Landesebene sieht es ähnlich aus.
Meine Damen und Herren, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es insbesondere in den Punkten II und III gar nicht so sehr um das Thema selbst geht, sondern darum, der Regierung auf die Schultern zu klopfen, nach dem Motto: Die Regierung tut zwar wenig, aber immerhin, niemand bemerkt das in der Öffentlichkeit. Also holen wir mal mit diesem Belobigungsantrag das Problem in den Landtag.
Das können Sie gerne tun, aber das entwertet diesen Antrag für uns. Ich sage Ihnen auch, warum: Der nationa
le Koordinator für dieses Programm ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Hier wurde ein Förderprogramm aufgelegt, wo aus Mitteln der Europäischen Union das Ministerium 27 Projekte finanziert, die der Information über Förderpolitik der Europäischen Union und der Mitgliedsstaaten, der grundsätzlichen Sensibilisierung für dieses Thema und der Förderung des Engagements in diesem Bereich dienen. Derartige Programmprojekte wird man in Anbetracht der Bedeutung des Themas auch für sinnvoll erachten müssen.
Vermutlich war es jetzt aber auch so, dass die Landesregierung gefragt wurde, was sie selbst denn für die Entwicklungshilfe tut. Die Antwort haben die Koalitionsfraktionen unter Punkt II gegeben: eine Abstimmung über die Zusammenarbeit mit den Nichtregierungsorganisationen, ein jährlich stattfindender runder Tisch, die Unterstützung von Aus- und Weiterbildung für Fach- und Führungskräfte aus Entwicklungs- und Transformationsländern sowie die Vergabe der Überschüsse aus der BINGO!-Lotterie an Projekte aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.
Meine Damen und Herren, das ist alles sehr lobenswert, allerdings doch ein recht bescheidener Beitrag, zumal die im Antrag gelobte Unterstützung von Aus- und Weiterbildung für Fach- und Führungskräfte aus Entwicklungs- und Transformationsländern im kommenden Doppelhaushalt auf nicht einmal ein Drittel des letzten Doppelhaushaltes eingekürzt werden soll. Das liegt wohl daran, dass das Promotorenprogramm aus diesem Titel herausgenommen wurde.
Mein Kollege Dr. Brie hat das nämlich genau vor diesem Hintergrund in den Haushaltsberatungen nachgefragt. Es kam ihm doch sehr komisch vor, dass gerade dieser Titel im Europäischen Jahr für Entwicklung eingekürzt werden soll. Vor dem Hintergrund dieser Reduzierung sollte man an dieser Stelle vielleicht etwas sparsamer mit dem Lob für die Regierung sein.
Was Punkt III angeht, muss ich sagen, dass es mich wirklich interessiert, welche Funktionen die Staatskanzlei in dem ganzen Prozess übernimmt. Und es ist natürlich interessant, hier einen genauen Einblick zu erhalten und gewisse Inhalte und Dinge eventuell auch kritisch zu hinterfragen. Allerdings weiß ich nicht, warum es hierfür eines Landtagsbeschlusses bedarf. Wenn wir etwas von der Regierung wissen möchten, und das sage ich als Oppositionsmitglied, dann beantragen wir das im Ausschuss, bereden das und aus meiner Erfahrung bekommen wir auch von der Regierung entsprechende Antworten, die uns weiterhelfen, die Entscheidung zu treffen beziehungsweise die notwendigen Maßnahmen dann auch einzuleiten.
Was Ihren Antrag in dieser Gesamtheit angeht, kann ich sagen, dass wir uns zu ihm enthalten werden. Wie eingangs erwähnt, halten wir das ganze Thema für wichtig und richtig. Bürgerschaftliches Engagement ist in der Entwicklungspolitik wichtig, aber auch das Engagement der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern. Gerade hier sehen wir noch erheblich Luft nach oben, und das ist noch vorsichtig formuliert. Jedenfalls darf sich das Handeln des Landes nicht auf die vier im Antrag aufgeführten Punkte beschränken. Was das alles ist, was wir zur Entwicklungspolitik beisteuern können, das ist in den Entwicklungsländern – und da deutlich – herauszukristallisie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh und dem Koalitionspartner dankbar, dass wir heute dieses Thema Entwicklungshilfe, Entwicklungspolitik in unserem Bundesland besprechen und darüber reden können. So, wie eben vorweg gesagt wurde: Mecklenburg-Vorpommern – und da machen wir uns nichts vor – ist in der Entwicklungspolitik oder auch mehr noch in der Entwicklungshilfe ein sogenannter Zwerg. Das müssen wir ehrlich zugeben und man muss auch nicht so tun, als wenn es anders wäre. Mecklenburg-Vorpommern spielt im Orchester aus Bund und Ländern im Bereich der Entwicklungshilfe sinnbildlich nicht die erste Geige. Gemessen an der Finanzkraft, der Bevölkerungszahl und den strategischen Interessen unseres Bundeslandes wäre alles andere auch verwunderlich.
Ich möchte daher zunächst kurz die Gelegenheit nutzen, ein paar grundsätzliche Worte zum Thema Entwicklungspolitik zu verlieren, und ich möchte ein paar Worte zum aktuellen Kurs der Bundesregierung sagen. Dass dieser sich nämlich demnächst verändern wird, hat die Bundeskanzlerin kürzlich in einem viel beachteten Fernsehinterview angedeutet. Angesichts der Flüchtlingskrise und humanitären Katastrophen in der Welt werden die europäische und auch die deutsche Entwicklungspolitik einem großen Wandel unterzogen werden müssen. Entwicklungshilfe wird sich in Zukunft sehr viel stärker danach ausrichten, wie den Menschen in den Krisengebieten wirksam geholfen werden kann. Flüchtlingsströme, wie sie gegenwärtig unterwegs sind, wird die EU und insbesondere Deutschland so nicht ewig verkraften.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns die Welt heute anschauen, dann zeigt sich ein eher ernüchterndes Bild. Bis heute kommen die Fortschritte der Menschheit nur einer Minderheit zugute. Diese Minderheit lebt in den westlich orientierten Industrieländern, die Menschen, die vornehmlich auf der Südhalbkugel der Erde leben, sind von einem menschenwürdigen Dasein oft weit entfernt.
über 100 Millionen Kinder haben keinen Grundschulunterricht und müssen durch eigene Arbeit zum Überleben ihrer Familie beitragen.
Die wirtschaftliche Globalisierung hat immerhin dazu geführt, dass einige wirtschaftlich sehr schwache Staaten den Anschluss an den Weltmarkt geschafft haben in den letzten Jahrzehnten. Dies sind zum Beispiel China, Indien und die sogenannten asiatischen Tigerstaaten. An den meisten afrikanischen Ländern – und insbesondere in den Krisengebieten des Nahen Ostens sind die am
wenigsten entwickelten Länder – südlich der Sahara ging die Globalisierung jedoch im Wesentlichen vorbei.
Wie ist Entwicklungspolitik in unserem Bundesland? Hier ist das schon durch Frau Kaselitz dargestellt worden. Federführend für Entwicklungszusammenarbeit im Land ist die Staatskanzlei. Die überwiegenden Aktivitäten kon- zentrieren sich derzeit auf die finanzielle Unterstützung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Fach- und Führungskräfte. Mecklenburg-Vorpommern ist ein aktives Mitglied in der norddeutschen Partnerschaft zur Unterstützung der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung. Hauptsächliches Ziel dieser Partnerschaft ist es eben, einen Beitrag zur Reduzierung von Umweltbelastungen, zum Abbau von Armut und Ungerechtigkeit sowie zur Zukunftsfähigkeit zu leisten. Hier liegt die Federführung beim Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, welches das Land auch am runden Tisch des Nationalkomitees der UN-Dekade vertritt. Weiterhin koordiniert das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz die Bildungsaktivitäten im Rahmen der norddeutschen Partnerschaft zur Unterstützung der UN-Dekade.
Ehrenamtliche Arbeit – ein weiterer Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit in Mecklenburg-Vorpom- mern. Hier sind die NGOs genannt worden, das ist ein wichtiger Beitrag. Das Eine-Welt-Netzwerk ist hier beispielhaft zu nennen. Unter diesem Netzwerk sind zahlreiche Organisationen versammelt, die Bildungsangebote machen, die die landesweiten Entwicklungspolitischen Tage in Mecklenburg-Vorpommern jährlich organisieren. Diese Entwicklungspolitischen Tage 2015 finden vom 2. bis 22. November statt – das Motto heißt: „Ihr Einsatz bitte!“, zum Jahresthema Engagement und Bürgerrechte. In diesen Tagen finden über 120 Veranstaltungen an 23 Orten in Mecklenburg-Vorpommern und zusätzlich in Lübeck und Stettin statt. Das komplette Programm ist im Internet natürlich zu finden.
In Europa nehmen wir unsere Bürgerrechte als selbstverständlich wahr. Freie Wohnortwahl, Selbstbestimmung, Demonstrationsrecht und Meinungsäußerung sind für uns selbstverständlich, in vielen Regionen des Südens ist das eben nicht der Fall.
(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Sie dürfen jetzt aber nicht so schlecht über Bayern reden. – Heiterkeit bei Stefanie Drese, SPD)
Die Entwicklungspolitischen Tage bieten Vorträge, Lesungen, Aktionen, Filme, Ausstellungen, Workshops und Schulprojekte. Die Entwicklungspolitischen Tage in Mecklenburg-Vorpommern sind die wichtigste landesweite Veranstaltungsreihe zu entwicklungspolitischen Themen und finden wie bereits erwähnt jährlich am Jahresende statt. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank an die vielen ehrenamtlichen Akteure richten, die sich mit großem Engagement für die Entwicklungszusammenarbeit einsetzen.
Zum Änderungsantrag der GRÜNEN: Den können wir leider so nicht mittragen, denn ich denke, unter Punkt 3 ist nicht 2015 gemeint,
aber gut, okay, das ist auch nicht das Thema. Dennoch, einen eigenen Etat einzurichten und einen Beirat zu
gründen, halten wir an dieser Stelle für nicht zielführend. Den Änderungsantrag werden wir damit ablehnen. Ich bitte um Zustimmung für den Antrag der Koalition. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Bürgerschaftliches Engagement im Bereich der Entwicklungspolitik würdigen“ – ich muss sagen, bei dem Titel des Antrages war ich sehr gespannt, welche Forderungen sich dahinter verbergen. Allerdings war ich dann doch ziemlich ernüchtert. Ich denke, Frau Borchardt hat das ähnlich erfahren.
Ich will vorausschicken, dass ich das zivilgesellschaftliche Engagement zur Entwicklungspolitik in MecklenburgVorpommern großartig finde. Viele Menschen in unterschiedlichen Verbänden, in Gruppen, in Vereinen und auch Einzelpersonen widmen sich mit ganz viel Engagement diesem Thema in all seinen Facetten hier in unserem Bundesland. Es werden konkrete Projekte unterstützt, es wird Bildungsarbeit geleistet, Kontakte werden geknüpft. Ich finde es gut und richtig, dass diese Arbeit gewürdigt wird, von daher ist der Antrag auch bei uns auf Zustimmung gestoßen.
Angesichts der Bedeutung von Entwicklungspolitik, die ja auch kurz im Antrag anklingt, erscheint mir die Forderung in Ihrem Antrag aber deutlich zu kurz gegriffen.
Die Landesregierung soll nun „in regelmäßigen Abständen“ über die entwicklungspolitische Arbeit der Staatskanzlei den Europa- und Rechtsausschuss …