Ich glaube, dass ein kardinales Problem insbesondere in den ehemals großen Gütern dieses Landes dadurch
entstehen wird, dass zunehmend eine Entfremdung zwischen den Bewirtschaftern des Bodens und der dörflichen Gemeinschaft entsteht. Ich sehe das mit ganz großer Sorge. Im Lichte des Generationswechsels an der Spitze der Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern wird dieses noch weiter zunehmen. Ich will das ausdrücklich betonen. Welcher junge Landwirt soll denn das Geld aufbringen, sich als Gesellschafter, oder Genosse im Übrigen, in ein solches Unternehmen einzukaufen? Und andererseits, wer kann es denn einem gestandenen Landwirt, der unternehmerisch denkt, verdenken, nach all den Jahren seiner Mühe und seiner Arbeit seine Anteile zu verkaufen und sich gut situiert in den Ruhestand versetzen zu lassen?
Nehmen Sie das zur Kenntnis: Ich bedaure das, dass wir diese Tendenz haben, ich kann es aber auch niemandem verdenken. Die Fehler, die habe ich in den letzten Jahren hier klar und immer wieder auf den Tisch gelegt.
Mit unserer Macht in Mecklenburg-Vorpommern war in dieser Frage nichts zu machen. Und deswegen glaube ich auch,
deswegen glaube ich auch, dass es keinen Sinn macht, nur auf den reinen Familienbetrieb, der auf die reine Familie orientiert ist, als das Leitbild zu orientieren, sondern dass wir alles daransetzen sollten, dass nicht wieder mit einer Ideologie gearbeitet wird, sondern, ich würde sagen, dass wir eher mit dem Verstand arbeiten sollten. Denn, ich will das an dieser Stelle auch unterstreichen, durch mich und durch das Land Mecklenburg-Vorpommern ist die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bodenpolitik überhaupt ins Leben gerufen worden, von der Sie hier gesprochen haben. Das war Teil der Koalitionsverhandlungen.
Im Übrigen haben die Ergebnisse jetzt dazu geführt – wenn Sie sich informiert hätten bei Ihren Kollegen –, dass wir im Kamingespräch in Fulda – übrigens auch mein Vorschlag – noch mal eine Bund-Länder
Arbeitsgruppe zum Thema Boden eingerichtet haben und dass damit alles darangesetzt wird, möglichst schnell eine bundeseinheitliche Lösung zu finden,
damit diesem Prozess, dass Kapitalanleger ungebremst hier im Osten Deutschlands ganze Betriebe aushöhlen, ein Ende gesetzt wird. Das hat aber keinen Sinn, und Sie wissen das auch sehr genau.
Sachsen-Anhalt hat das Gesetz zurückgezogen und wir sind diejenigen, die den Prozess jetzt voranbringen. Ich glaube auch, dass das Grundstückverkehrsgesetz nach wie vor ein stumpfes Schwert ist und dass der Staat diesem Treiben nicht weiter hilflos zusehen darf.
Im Übrigen, auch das ist mir wichtig, abschließend: Der Gesetzentwurf, der auch in der Bundesregierung zu dem Thema vorliegt, wird das Problem nicht heilen.
Zum Schluss auch hier noch mal ein Stichwort zur Tierhaltung. Auch da hat es in den Jahren nach der Wen- de selbstverständlich agrarstrukturelle Entwicklungen in Mecklenburg-Vorpommern gegeben. Mit 0,4 Großvieh- einheiten je Hektar erreichen wir gerade die Hälfte des bundesdeutschen Viehbestandes und nur ein Drittel im Vergleich zu den viehstarken Regionen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens. Ich betone noch mal: nur ein Drittel davon! Deshalb gehört das auch zur Mär von Massentierhaltungen über das ganze Land hinweg oder ins Reich der Legenden. Regional sieht es natürlich anders aus. Mehr als die Hälfte der Tiere, über alle Arten hinweg, wird in Anlagen gehalten, die nach dem BundesImmissionsschutzgesetz genehmigt worden sind,
(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Beziehen Sie sich eigentlich noch auf meine Rede oder auf irgendwelche Allgemeinplätze?)
und Sie wissen auch, was das bedeutet. Bei Geflügel, mit Ausnahme der Puten, sind es sogar mittlerweile 95 Prozent und bei den Sauen in der Schweinehaltung sind es auch 87 Prozent nach Bundes-Immissionsschutzgesetz. Das sind große, zum Teil sehr große Bestände an einem Ort, mit all den Problemen, die damit zusammenhängen. Dass das nicht meinem Leitbild entspricht, habe ich hier immer wieder deutlich gemacht. Aber dieses BundesImmissionsschutzgesetz stammt aus der Zeit von Renate Künast und bis dato ist es nicht gelungen, dieses zu verändern. Ich freue mich sehr darüber, dass die Bundesumweltministerin dieses Thema jetzt wieder angehen wird.
Im Übrigen habe ich auch die Tierbestandsobergrenzen in die Debatte geworfen, um darüber nachzudenken, ob wir nicht auch eine Obergrenze einziehen sollten. Ich halte das für richtig, nach wie vor, und ich glaube, dass es eine intensive Diskussion auch auf Bundesebene gibt. Ich erwarte, dass der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung irgendwann in den nächsten Monaten mit einheitlichen Zahlen für ganz Deutschland aufwarten wird.
Im Übrigen haben die Agrarausschüsse des Bundestages und unseres Landtages Expertenanhörungen zu diesem Thema durchgeführt, ich selbst bin ja anwesend gewesen. Auch die Perspektivkommission „Mensch und Land“ hat noch mal einen eigenen Workshop zu diesem Thema gestaltet. Deutlich geworden ist zum Abschluss, das Wohl des Einzeltiers und die Größe der Bestände stehen nicht in einem direkten Zusammenhang. Es ist weder fachlich noch wissenschaftlich rechtssicher zu begründen, wie viele Tiere maximal an einem Standort und in einem Betrieb gehalten werden sollen. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis!
Regionale Lösungen in einer der viehärmsten Regionen Europas würden die Haltungsbedingungen für Nutztiere
generell nicht verbessern, aber schaden der Landwirtschaft in unserem Land. Unabhängig davon führen wir zu Recht eine Debatte um die Verbesserung des Tierwohls. Dazu habe ich ja auch ganz bewusst das Tierschutzkonzept vorgelegt. Ich hoffe, Sie haben es zumindest zur Kenntnis genommen und es gelesen.
Ich glaube auch, dass es richtig ist, dass mancher beteiligte Verband – den Sie sehr gut kennen – sich ganz bewusst enthalten hat, um damit wieder Kritik zu äußern. Konkret bedeutet das im Übrigen auch, wenn wir mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein zusammen dieses Konzept umsetzen, dass 2016 keine Ausnahmegenehmigungen mehr für das Schnabelkürzen erteilt werden und dass wir ab 2018 keine Haltung von Legehennen mit gekürzten Schnäbeln in Mecklenburg-Vorpommern haben werden.
Deswegen glaube ich, dass wir wichtige Beiträge zum Tierwohl sowohl in der konventionellen Landwirtschaft, aber auch in der ökologischen Landwirtschaft geleistet haben und – etwas, was völlig neu ist, worauf überhaupt noch niemand eingegangen ist – dass wir die Ersten sein werden, die über einen Betreuungsschlüssel in der Tierhaltung nicht nur nachdenken, sondern dafür etwas auf den Weg bringen werden, um damit ausdrücklich dieses Thema weiter voranzubringen.
Ja, und ich will abschließend, wenn Sie erlauben, Frau Präsidentin, in Abwandlung eines Zitates eines saarländischen Politikers sagen, der einmal meinte, die Wahrheit für sich und seine Partei – für seine Partei! – zu haben, und da bleibt mir bei diesem Tagesordnungspunkt nur ein Fazit: Den Agrarstrukturwandel in seinem Lauf halten weder Suhr noch Gajek auf.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich das erste Mal das Thema dieser Aussprache „Agrarstruktur in Mecklenburg-Vorpommern“ gelesen habe, habe ich gedacht, das erinnert mich ein bisschen an ein Überraschungsei, das ich früher als Kind immer mit bestimmten Erwartungen ausgewickelt habe und dann zumeist enttäuscht war über das, was drin war: irgendwas, was man zusammenpuzzeln musste,
Allerdings habe ich nach einigen Überlegungen gedacht, na ja, so überraschend wird dieses Ei vielleicht doch nicht sein, das Frau Dr. Karlowski hier ausgewickelt hat. Und ich kann sagen, das hat mich weder überrascht, noch hat es mich erfreut. Ich habe mal spekuliert, was denn Thema dieser Aussprache sein könnte.
Ich gucke auf meine erste Seite und habe geschrieben: „Nach Auffassung der GRÜNEN sind Landwirtschaftsunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern zu groß, die Produktion ist zu intensiv und der Anteil an biologischer beziehungsweise ökologischer Produktion zu gering.“
Nun habe ich allerdings Bedenken, wenn wir hier immer wieder über die gleichen Themen unter unterschiedlichen Vorzeichen debattieren. Ich habe es schon mal gesagt, es ist eigentlich völlig egal, ob ich unsere Auffassung noch mal vortrage – ich könnte heute auch den Wetterbericht von Timbuktu vorlesen.
(Manfred Dachner, SPD: Nö. – Zurufe von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Udo Pastörs, NPD)
Es würde ja in der Debatte überhaupt nichts ändern. Aber da ich auch gelernt habe, dass ständige Wiederholungen zu einem gewissen Lernprozess führen,
werde ich mich wieder mit den von mir eben schon vermuteten Punkten, die natürlich auch so eingetroffen sind dank des Ministers, in kurzer Form auseinandersetzen.
Beim ersten Punkt möchte ich darauf verweisen, dass die Agrarstruktur einen wesentlichen Einfluss sowohl auf die Arbeitsbedingungen der in der Landwirtschaft Beschäftigten als auch die Haltungsbedingungen der Tiere hat. Nur Unternehmen ab einer bestimmten Größe können sich geregelte Frei- und Urlaubszeiten für ihre Angestellten, aber auch entsprechende Tierwohlstandards in ihren Stallanlagen leisten.
Kleine bäuerliche Familienbetriebe, wie Sie, meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sie in Ihrer romantisierten Vorstellung vor Augen haben, können das so nicht realisieren. Zum einen werden in diesen kleinen Betrieben oft die Familienmitglieder zur Arbeit herangezogen, Freizeit und Urlaub gibt es kaum, zum anderen fehlen in diesen Unternehmen häufig die finanziellen Voraussetzungen zur betrieblichen Umsetzung der ständig steigenden Umwelt- und Tierschutzstandards.