Die Fraktion der NPD hat gemäß Paragraf 91 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung zum Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/4541 eine namentliche Abstimmung beantragt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beginnen nun mit der Abstimmung. Ich bitte Sie, sich zu Ihren Plätzen zu begeben, damit vom Präsidium aus das Stimmverhalten eines jeden Mitglieds des Landtages zu erkennen ist. Darüber hinaus bitte ich alle im Saal Anwesenden, während des Abstimmungsvorgangs von störenden Gesprächen Abstand zu nehmen. Ich bitte nunmehr den Schriftführer, die Namen aufzurufen.
Einen Moment jetzt mal! Ich hatte hier irgendwas vorgelesen, was ich nicht vorlese, weil ich das so lustig finde, sondern weil es ernst gemeint ist, dass hier von störenden Gesprächen Abstand genommen wird. Ich bitte doch, während des Abstimmungsvorgangs auch darauf Rücksicht zu nehmen.
Um das Ganze noch zu vervollständigen und da ich das Mikro gerade an mich herangezogen habe, möchte ich, damit dem Protokoll Gerechtigkeit widerfährt, Herrn Gundlack noch mal aufrufen, damit er dann, wenn ich ihn aufgerufen habe, sein Abstimmungsergebnis bekannt geben kann. Also ich rufe auf: Gundlack, Tino.
(Die Abgeordneten Dr. Till Backhaus und Sylvia Bretschneider werden nachträglich zur Stimmabgabe aufgerufen.)
Wenn kein weiteres Mitglied des Hauses anwesend ist, das seine Stimme noch abgeben möchte, und das scheint nicht der Fall zu sein, dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche die Sitzung für zwei Minuten. Die Sitzung ist unterbrochen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt. An der Abstimmung haben insgesamt 54 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 5 Abgeordnete, mit Nein stimmten 49 Abgeordnete. Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/4541 abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Artikel 35 des Einigungsvertrages umsetzen, Drucksache 6/4582.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Einigungsvertrag vom 31. Oktober 1990 ist ein historisches Dokument
und es ist ein geltendes Gesetz. In Zeiten, die wir jetzt gerade erleben und mitgestalten, von besonderer Dynamik, gesellschaftlicher Veränderung, spielt dieses Gesetz auch eine besondere Rolle.
Am 6. September schreibt er angesichts aktueller Herausforderungen: „Jetzt muss sich zeigen, was die europäischen Grundwerte wirklich wert sind. Jetzt muss sich zeigen, was es wirklich auf sich hat mit dem Motto vom
‚Raum des Rechts, der Sicherheit und der Freiheit‘. … Europa lebt nicht nur vom Euro; es lebt von seinen Werten, von der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Freiheit der Person, der Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz und der Freizügigkeit.“
Es geht, sehr geehrte Damen und Herren, um Werte, die gelebt werden. Es geht darum, dass diese Werte in einem Zusammenhang stehen und ihre Grundlage haben in der jeweiligen Kunst und Kultur. Wenn es also jetzt so sehr auf Hilfe und Mitmenschlichkeit, auf Solidarität, auf friedliches und tolerantes Miteinander in einem demokratischen Gemeinwesen ankommt
und all dies eben kulturell grundiert ist, wie sehr kommt es da auf stabile, verlässliche, förderliche Rahmenbedingungen für Kultur und Kunst an! Andersherum: Wie können Kultur und Kunst stabile Grundlagen für Werte wie Mitmenschlichkeit, Solidarität et cetera sein, wenn ihre Grundlagen selbst fragil sind?
Damit habe ich die aktuelle Dimension unseres Antrages umrissen, denn wer meint, mit diesem Antrag habe die Linksfraktion ein antiquiertes Gesetzbuch aus den hinteren Regalreihen der Landtagsbibliothek geholt, irrt. Die Aufforderung an die Landesregierung, sie habe den Artikel 35 des Vertrages zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands, also den Einigungsvertrag, im Rahmen ihrer Zuständigkeit vollumfänglich umzusetzen, ist so hochbrisant wie aktuell.
Was besagt nun dieser Artikel 35? Zunächst einmal stellt er fest, dass trotz unterschiedlicher Entwicklung beider deutscher Staaten Kunst und Kultur einen eigenständigen und unverzichtbaren Beitrag zur Wahrung der Identität und auf dem Weg zur europäischen Einigung geleistet haben – eine bemerkenswerte Feststellung, wie ich finde. Wörtlich heißt es: „Stellung und Ansehen eines vereinten Deutschlands in der Welt hängen außer von seinem politischen Gewicht und seiner wirtschaftlichen Leistungskraft ebenso von seiner Bedeutung als Kulturstaat ab.“ Folglich heißt es: „Die kulturelle Substanz in dem in Artikel 3 genannten Gebiet“, also der ehemaligen DDR, „darf keinen Schaden nehmen.“ Darauf folgend wird festgehalten: „Die Erfüllung der kulturellen Aufgaben einschließlich ihrer Finanzierung ist zu sichern, wobei Schutz und Förderung von Kultur und Kunst den neuen Ländern und Kommunen entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes obliegen.“
Aus diesem Gesetzesauftrag – und es handelt sich um geltendes Recht, wie ich sagte – leiten sich mit Blick auf Kunst und Kultur der DDR drei Maßgaben ab: Das ist zum einen Substanzerhalt, zum anderen die Verbesserung der Infrastruktur und Denkmalschutz.
Herr Reinhardt, ich verweise deshalb darauf, weil die Bundesregierung unter Helmut Kohl genau diese drei markanten Punkte in der Bundestagsdrucksache 12/4411 noch mal ausdrücklich benannt hat.
Substanzerhalt umfasst geschaffene Kunstwerke wie Bilder, Skulpturen, wertvolle Bücher, Filme, Werke der Medienkunst, aber auch ganze Bestände der Archive, Bibliotheken, Museen, von Ausstellungshäusern und öffentlichen Sammlungen. Zur kulturellen Infrastruktur zählt die Gesamtheit und Vernetzung von Kulturproduktion und Kulturpräsentation, also real Gebautes ebenso wie Strukturen und wie freie Räume für Begegnung und Kommunikation. Beim Denkmalschutz wiederum geht es um kulturhistorisch wertvolle Gebäude und Anlagen, seien sie ebenerdig oder unter Wasser, seien sie einzeln stehend oder Ensembles wie etwa Schlösser, Parks und Gutsanlagen.
Die Linksfraktion verkennt nicht die großartigen Zeugnisse hiesiger Kunst und Kultur, die nach der politischen Zeitenwende im neuen Glanz erstrahlen, wie Schloss Bothmer, oder völlig neu entstanden sind, wie das Kulturquartier Neustrelitz. Gleichwohl sind wir zu der Erkenntnis gelangt, dass die Landesregierung den Artikel 35 des Einigungsvertrags in seiner Umfänglichkeit missachtet und durch einen Beschluss des Landtags zu seiner Einhaltung verpflichtet werden muss.
In Fragen des Substanzerhalts ignoriert die Landesregierung Appelle ausgewiesener Fachleute zur Notwendigkeit des Schutzes und der Sicherung historisch wertvoller Archivbestände. Ein entsprechendes Gutachten, untersetzt mit sachlich begründeten Arbeitsschritten und bescheidenen Mittelanforderungen, wird geradezu in den Wind geblasen. Der verrottete Einbaum steht wie ein Menetekel. Mit ihm hat Mecklenburg-Vorpommerns Kulturpolitik Scham und Schande auf sich geladen. Die Digitalisierung von Kulturgütern fristet ein Schattendasein. Eine nicht nennenswerte Erhöhung der Mittel für den kommenden Doppelhaushalt des Landes reicht vermutlich gerade einmal für einen, zwei oder drei Filme. Eine Initiative, die sich verdient macht um die Bewahrung alter deutscher Schriften, muss geradezu betteln gehen, um Kultur zu schützen. Sagen Sie mir, was ist das für ein Verständnis von Kulturpolitik, bei dem die, die sich für die historisch wertvollen Güter unseres Landes engagieren, wie Bittsteller daherkommen müssen?!
Sehr geehrte Damen und Herren, nun zum Gebot des Erhalts und der Verbesserung der kulturellen Infrastruktur. Aus ehemals sechs sind vier, sollen bald drei oder zwei, man weiß es nicht, Orchester werden. Allein in den letzten Jahren wurden über 500 Künstlerinnen und Künstler aus den Theatern und Orchestern des Landes in die Wüste geschickt. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass etablierte Theater und Orchester Ankerpunkte kultureller Infrastruktur sind, dass sie maßgeblich Strahlkraft und die Qualität künstlerischen Schaffens ihrer Region bestimmen? Sie haben eine strukturelle Bedeutung für kulturelle Einrichtungen und für Projekte, wie etwa AIDA Cruises, Nordex, Scandlines oder die Unimedizin Rostock für die tradierte Wirtschaft.
Und Denkmalschutz? Denkmalschutz – staatlicher Gartenkonservator fällt mir da ein. Das ist etwas, was uns
hier auch umgetrieben hat. Uns wurde seinerzeit gesagt, das wird eine Stelle, die gekoppelt – wir hatten etwas anderes vor –, gekoppelt werden sollte, Hochschule Neubrandenburg an eine solche fachliche Stelle. Wer sich dafür interessiert, muss feststellen, dass es zwar nach einiger Verzögerung seitens der Hochschule Neubrandenburg seit April mittlerweile eine Offerte gibt, aber der staatliche Gartenkonservator, gekoppelt an die Professorenstelle, ist bis heute keine Realität.
Die holt sie je nach Belieben, abhängig von Umfragewerten oder dem Zeitpunkt der nächsten Wahl, geschwind aus dem Hut, so etwa geschehen bei der Vorlage des aktuellen Haushaltsentwurfs. Da brillierte der für Kultur zuständige, aber leider häufig gegen die Kultur arbeitende Minister mit dem Kunststück, wie ich 2 Millionen Euro für Kulturprojekte hervorzaubere. Über Jahre die Kulturszene finanziell auszutrocknen und sich dann zehn Monate vor der Wahl für Mittel, über die man tatsächlich nicht zu entscheiden hat, denn dies ist das Vorrecht des Landtages, feiern zu lassen, zeugt von einem sonderbaren Demokratieverständnis.