Die holt sie je nach Belieben, abhängig von Umfragewerten oder dem Zeitpunkt der nächsten Wahl, geschwind aus dem Hut, so etwa geschehen bei der Vorlage des aktuellen Haushaltsentwurfs. Da brillierte der für Kultur zuständige, aber leider häufig gegen die Kultur arbeitende Minister mit dem Kunststück, wie ich 2 Millionen Euro für Kulturprojekte hervorzaubere. Über Jahre die Kulturszene finanziell auszutrocknen und sich dann zehn Monate vor der Wahl für Mittel, über die man tatsächlich nicht zu entscheiden hat, denn dies ist das Vorrecht des Landtages, feiern zu lassen, zeugt von einem sonderbaren Demokratieverständnis.
Womit wir beim Geld wären. Im Artikel 35 des Einigungsvertrages heißt es, ich wiederhole es, die „Finanzierung ist zu sichern“. Unter Verantwortung dieser Landesregierung ist die Finanzierung kultureller Belange für die öffentliche Hand von umgerechnet – damals noch in D-Mark, ich rechne jetzt mal in Euro – 117,82 Euro im Jahr 1992 auf 103,41 Euro in 2012 und 96,99 Euro in 2013 gesunken, nachprüfbar, wenn man sich die Daten des Statistischen Landesamts anschaut.
Diese Landesregierung verantwortet den höchsten Kommunalisierungsgrad der Kulturausgaben der Bundesrepublik. Das ist ein Armutszeugnis, kein Gütesiegel. Der Kommunalisierungsgrad der Kulturausgaben bezeichnet nämlich den Anteil, den die Gemeinden zum Gesamtvolumen der öffentlichen Kulturausgaben beitragen. Er betrug im Jahre 2000 40 Prozent, in 2010 waren es schon stolze 48,1 Prozent und im Jahr 2012, dem jüngsten statistisch erfassten Jahr, waren es laut Kulturfinanzbericht 57,4 Prozent. Das entspricht einer Steigerungsrate von 43,5 Prozent von 2000 auf 2012. Kein Land hat eine höhere Steigerungsrate. Anders gesagt: Kein Land wälzt die finanziellen Lasten der Kulturförderung in größerem Umfang auf die kommunale Ebene ab als Mecklenburg-Vorpommern. Was für eine Glanztat!
Sehr geehrte Damen und Herren, über Geld rede ich ganz gern auch noch mal in der Aussprache. Ihnen möchte ich nur das letztlich Entscheidende zur Abstimmung über diesen Antrag vortragen: Sie entscheiden mit Ihrem Votum darüber, ob unsere Landesregierung auf geltendes Recht verpflichtet wird oder ob es zur Beliebigkeit verkommt. Stimmen Sie zu, stellen Sie rechtsstaatlichen Regeln Gültigkeit und der Demokratie einen Beweis aus.
(Torsten Renz, CDU: Du kannst doch das Ergebnis nicht schon jetzt feststellen, nach der Einbringung.)
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie Sie der Tagesordnung zur heutigen oder jetzigen Debatte entnehmen können, hatte ich beabsichtigt, eine 30-minütige Grundsatzrede zu halten.
ich habe das deshalb beabsichtigt, weil ich unterstellt habe, dass der Abgeordnete Koplin hier eine gewaltige Rede vorträgt, die mich zu einer umfänglichen Erwiderung
(allgemeine Unruhe – Stefanie Drese, SPD: Schade! – Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Dramaturgie war durchschaubar. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
Werter Herr Koplin, zum wiederholten Male steht die These eines Rechtsbruches im Raum. Herr Koplin stützt sich, wie er gesagt hat, auf Artikel 35 des Einigungsvertrages, unter anderem auf den Satz: „Die kulturelle Substanz … darf keinen Schaden nehmen.“
Jetzt ist der Begriff der kulturellen Substanz für sich allein aber nicht verständlich, sondern bedarf der Aus
legung. Und indem Sie der Landesregierung tendenziell einen Rechtsbruch vorwerfen, denn immerhin heißt es in der Begründung Ihres Antrages, es gebe „hinreichend Anlass“, die Umsetzung dieses Einigungsvertrages einzufordern, indem Sie das für sich in Anspruch nehmen, nehmen Sie zugleich für sich in Anspruch, darüber zu befinden, was Rechtsbruch ist und was nicht.
Aber seit 25 Jahren, Herr Koplin, ist es nicht mehr so, dass eine Partei oder einzelne Abgeordnete entscheiden, was ein Rechtsbruch ist oder nicht, sondern dafür gibt es unabhängige Institute.
Und deswegen, Herr Koplin, wäre es hier etwas völlig anderes gewesen, aus meiner Sicht, wenn Sie gesagt hätten: Herr Brodkorb, die Landesregierung, wer auch immer, hat einen unzureichenden Begriff von der kulturellen Substanz, um die es hier im Einigungsvertrag geht, man muss das anders sehen, da gibt es eine fachlich falsche Perspektive. Aber das haben Sie nicht gemacht. Sie billigen ja nicht mal zu, dass man unterschiedlicher Auffassung sein kann, was eigentlich zur kulturellen Substanz Deutschlands gehört. Und das finde ich für einen Kulturpolitiker bemerkenswert und anmaßend – bemerkenswert und anmaßend, weil Sie eben nicht sagen, da gibt es eine falsche Perspektive, vielleicht ein mangelndes Verständnis von Kultur, sondern Sie werfen der Regierung ernsthaft Rechtsbruch vor.
Und, sehr geehrter Herr Koplin, dann tun Sie doch das, was man als Abgeordneter einer Fraktion in einer solchen Situation machen müsste! Wenn Sie dieser Überzeugung sind, dann gehen Sie doch den dafür nötigen Rechtsweg und lassen von einem unabhängigen Gericht überprüfen, ob Ihre These oder Ihre Vermutung stimmt oder nicht! Denn seit 25 Jahren gilt in diesem Lande, dass nicht Sie entscheiden, was ein Rechtsbruch ist, sondern ein Gericht. Und dafür gibt es Verfahren und Überprüfungsmöglichkeiten. Dann tun Sie es doch einfach!
Solange Sie es nicht tun, geben Sie ja selber zu, dass Sie an Ihre Argumente nicht glauben, sondern sie nur instrumentalisieren, um hier – ich weiß nicht, ob die Champions League gerade am Start ist, aber das wurde mir berichtet –, …
Wenn man ernsthaft, Herr Koplin, bestreiten möchte, dass in diesem Lande die kulturelle Substanz erhalten
Schauen Sie sich dieses Schloss an, schauen Sie sich das Staatliche Museum an, schauen Sie sich das Schloss in Ludwigslust an! Oder schauen Sie sich einfach jedes Dorf und jede Stadt in diesem Lande an! Man muss doch sagen, nach der Wende war erst mal gar nicht kultureller Substanzerhalt die Aufgabe, sondern die Kulturzerstörung, die es in der DDR gegeben hat, aufzuhalten und rückgängig zu machen. Und dann müssen wir uns bloß die Denkmale und die Städte und Dörfer angucken. Ernsthaft zu bezweifeln, dass das unternommen wurde,
also ich verstehe es nicht, muss ich ehrlich sagen. Ich verstehe es nicht. Und deswegen wäre meine Bitte: Lassen Sie uns doch auf die Ebene zurückkommen, um die es geht.
Lassen Sie uns dann einfach über konkrete Dinge reden! Ich jedenfalls kann dem, was Sie dort vortragen, nicht folgen. Ich glaube, da der Antrag sehr abstrakt und allgemein gehalten ist, beschränke ich mich hinsichtlich der Ausführung auf das eben Gesagte und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.