Protokoll der Sitzung vom 21.10.2015

Lassen Sie uns dann einfach über konkrete Dinge reden! Ich jedenfalls kann dem, was Sie dort vortragen, nicht folgen. Ich glaube, da der Antrag sehr abstrakt und allgemein gehalten ist, beschränke ich mich hinsichtlich der Ausführung auf das eben Gesagte und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Reinhardt von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und monatlich grüßt das Murmeltier!

Sehr geehrter Herr Koplin, ich habe wirklich lange überlegt, wie Sie es wohl diesmal schaffen werden, das Thema Kultur hier in die Plenardebatte zu bringen. Es ist nun also Artikel 35 des Einigungsvertrages gewesen. Der Bildungsminister hat schon einiges darüber berichtet. Ich habe, nachdem ich Ihren Antrag gelesen hatte, der ja sehr abstrakt gewesen ist, auch einiges mehr hier erwartet. Aber ich will zu dem Kurzen, was Sie gesagt haben, auch noch kurz was erwidern.

Sie haben recht, es steht dort drin, die kulturelle Substanz soll keinen Schaden nehmen. Und da bleibt mir ja

nichts anderes übrig, als in die Geschichte zu gucken. Ich kann Ihnen gerne ein paar Bildbände, auch ein paar Bilder von 1990 geben, wie unsere Marktplätze, wie unsere Dörfer, unsere Denkmäler, unsere Schlösser und Kirchen zu 95 Prozent hier im Land aussahen.

(Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

Wenn jemand heute behauptet, diese Landesregierung, die Gemeinden, die Kreise und auch viele Bürgerinnen und Bürger haben den Artikel 35 nicht ernst genommen, weiß ich gar nicht, ob ich den noch ernst nehmen kann. Ganz ehrlich,

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

was allein mit Mitteln der Städtebauförderung, mit Mitteln der Dorferneuerung, mit Patronatsmitteln eigentlich an Aufbauleistung in 25 Jahren hier erbracht wurde,

(Dietmar Eifler, CDU: Richtig.)

das ist, glaube ich, einen Respekt wert, den wir für alle, die dazu beigetragen haben, haben sollten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

Der Bildungsminister hat es gesagt, ich will nur an das Schloss Schwerin erinnern. Da werden, wenn wir mit unserem Plenarsaal fertig sind, an die 150 Millionen investiert sein.

(Udo Pastörs, NPD: Aber das war ein schlechtes Beispiel. Plenarsaal als Kunst!)

Ich will an Bothmer, ich will an Redefin, ich will an Granitz, an Ludwigslust, ich könnte an viele andere Sachen erinnern, was in 25 Jahren hier aufgebaut wurde. Und wir wollen das fortsetzen. Gerade auch die CDU-Fraktion hat immer erkannt, dass wir vielleicht – auch hier haben wir ja einiges gemacht bei den privaten Denkmälern, bei den Kirchen, auch mit der Unterstützung des Bundes, wobei wir dem Bund und unserem Abgeordneten Eckhardt Rehberg sehr dankbar sind, dass das immer passiert –, aber auch hier werden wir die nächsten Jahre weiter aufbauen und weiter Substanz erhalten müssen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Zurufe von Minister Harry Glawe, und Rainer Albrecht, SPD)

Ich will daher, weil ich viele vorpommersche Kollegen hier sehe, an die Schlösser in Divitz, in Ludwigsburg oder in Karlsburg erinnern.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Da sind sicherlich noch viele Aufgaben, die vor uns stehen,

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

denen wir uns widmen wollen und wo wir auch mit dem nächsten Landeshaushalt einige Akzente setzen wollen.

Ich will noch kurz auf den Einzelplan 07 und den Einzelplan 11 zu sprechen kommen, weil ja Herr Koplin hier

auch immer mit Statistiken kommt. Da gucken wir mal: Seit 2012 stehen in beiden Einzelplänen 82 Millionen für Kulturausgaben mit den Theatern und Orchestern zusammen drin. Wenn wir in Ihre Regierungszeit zurückkommen, haben wir in der Zeit 70 bis 78 Millionen. Und wenn Sie jetzt dieser Regierung Rechtsbruch vorwerfen, Herr Koplin, dann stelle ich mal die Frage – können Sie ja nachher beantworten –, ob denn die Regierung, an der Sie beteiligt waren, auch Rechtsbruch begangen hat. Das werden Sie mir dann sicherlich erklären.

Und dann will ich noch daran erinnern, in dem nächsten Doppelhaushalt wird diese Koalition 2 Millionen mehr für die Kultur in diesem Land zur Verfügung stellen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Beitrag, den auch viele Kulturschaffende begrüßen, und deshalb fordere ich Sie auf, hier keine Eulen nach Athen zu tragen, sondern diese Politik der kulturellen Weitsicht dieser Koalition zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Egbert Liskow, CDU: Toll!)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Berger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Torsten Renz, CDU: Jetzt bin ich ja gespannt, auf welcher Seite sie steht. – Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Auf der rechten.)

Zu Recht, Herr Renz, sind Sie gespannt.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gleich vorweg: Wir können dem Antrag der Fraktion DIE LINKE in dieser Form nicht zustimmen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU)

Wir sind uns mit der Fraktion DIE LINKE darin einig, dass wir die derzeitige Kulturpolitik, insbesondere mit der Theaterpolitik dieser Landesregierung, für überaus kritikwürdig halten.

(Torsten Renz, CDU: Nicht so gut. – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Aber bei aller Sympathie für die Intention dieses Antrags, ein Satz Antragstext und zwei Sätze Antragsbegründung werden diesem Anliegen nicht gerecht.

(Torsten Renz, CDU: Die Anzahl der Anträge stimmte noch nicht. Da musste noch was kommen.)

Tatsächlich ging es mir bei diesem Antrag ein bisschen wie dem Bildungsminister.

(Torsten Renz, CDU: Keine Arbeitsmarktpolitik, da muss Kultur her.)

Es gibt ja selten Parallelen, aber hier gab es mal eine, denn der Antrag hat auch aus meiner Sicht eine Generaldebatte aufgemacht zu der Frage: Wie hat sich die kulturelle Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern seit

1990 entwickelt und wie ist diese Entwicklung zu bewerten?

Diese Frage kann man natürlich stellen, aber dann muss man auch den Mut haben, hier klare und konkrete Antworten zu finden und das nach Möglichkeit natürlich auch in den Antrag so reinzuschreiben. Der Antrag zitiert den Einigungsvertrag von 1990, die kulturelle Substanz dürfe keinen Schaden nehmen und die Erfüllung der kulturellen Aufgaben solle gesichert werden. Aber wer diese Regelungen heute in Gefahr sieht, muss doch erst einmal darlegen, was sind denn die kulturellen Aufgaben des Landes aus Sicht der Antragsteller und was bedeutet der Begriff kulturelle Substanz konkret. Ist damit die heutige Struktur von Theatern, Museen, Bibliotheken und so weiter gemeint oder der Stand von 1990? Messen wir die kulturelle Substanz an den Zahlen der kulturellen Einrichtungen oder an der Personalstärke? Ist die Höhe der Kulturförderung maßgeblich oder die Zahl derer, die die kulturellen Einrichtungen besuchen? Erst, wenn man einen aussagekräftigen Maßstab hat, kann man doch entscheiden, an welchen Stellen die kulturelle Substanz denn tatsächlich in Gefahr ist.

Selbstverständlich muss sich eine Regierung an Gesetze und an Verträge halten, und selbstverständlich ist es Aufgabe der Opposition zu kontrollieren, ob die Regierung genau das tut. Aber Gesetze und Verträge bedürfen vielfach einer Auslegung, besonders, wenn es um so unbestimmte Rechtsbegriffe wie „kulturelle Substanz“ geht. Ich hätte von dem Antrag gern gewusst, was die Landesregierung aus Sicht der Fraktion DIE LINKE tun muss, um Artikel 35 des Einigungsvertrages vollumfänglich umzusetzen. Das ist doch die entscheidende Frage, aber um die notwendige Antwort drückt sich der Antrag leider.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass wir uns sicherlich in einem einig sind: Der Einigungsvertrag kann nicht gemeint haben, dass die kulturelle Landschaft nach 25 Jahren noch genauso aussehen soll wie zum Ende der DDR. Kultur verändert sich, Kultur schafft Neues und überwindet dabei Altes.

(Udo Pastörs, NPD: Das muss man nicht unbedingt überwinden.)

Mal geschieht dies in vorhandenen Strukturen, oft genug entstehen dafür aber auch neue Institutionen mit neuen Formen und neuen Akteuren. Jede verantwortliche Kulturpolitik steht vor der Aufgabe und auch vor dem Konflikt, möglichst viele vorhandene Strukturen zu erhalten und zu bewahren und zugleich Innovation und Fortentwicklung zu ermöglichen.

Hat dieses Land seit 1990 nun an kultureller Substanz verloren? Ja, natürlich hat es das. Die Theater haben die Hälfte des Personals abgebaut, in Schwerin wurde ein ganzes Orchester abgewickelt. Von 906 Allgemeinbibliotheken im Jahr 1990 sind heute weniger als 100 übrig geblieben, viele Kulturhäuser brachen weg, ebenso die Strukturen für Amateurkunst. Und weitere Beispiele lassen sich selbstverständlich anführen.

Aber zugleich ist auch viel Neues entstanden. Wir haben heute gegenüber 1990/91 mehr als doppelt so viele Schülerinnen und Schüler an den Musikschulen des Landes. Wir haben mehr Museen und wir haben mehr Galerien. Die Kinos haben heute mehr Besucher als

1990. Die Theater haben sogar fast doppelt so viele Gäste wie zu diesem Zeitpunkt. Noch immer sind viele Baudenkmale, Schlösser und Gutshäuser nicht saniert, aber viele wurden seit 1990 auch vor dem sicheren Verfall gerettet. Und jeder kennt eine Reihe kultureller Initiativen, die nach 1990 entstanden sind und das kulturelle Leben in Mecklenburg-Vorpommern bereichern. Viel verloren, viel gewonnen seit 1990 also.

Die einen werden diese Entwicklung eher negativ bewerten, andere eher positiv. Was aber bedeutet diese Entwicklung für den vorliegenden Antrag? Welcher konkrete Handlungsauftrag an die Landesregierung ergibt sich daraus? Das bleibt unklar und zeigt im Grunde eines deutlich: Dieser rückwärtsgewandte Blick, 25 Jahre zurück, bringt uns in der kulturpolitischen Debatte nicht weiter. Wir müssen vielmehr heute für uns beantworten: Was für eine kulturelle Landschaft wünschen wir uns heute für Mecklenburg-Vorpommern?

Wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen dazu: All jene kulturellen Institutionen, die wir dauerhaft bewahren wollen, brauchen eine Anpassung der Förderung an die Kostensteigerung, sonst gehen sie nach und nach kaputt. Wir wollen Neues, Innovatives fördern und brauchen deshalb mehr Flexibilität bei den Förderrichtlinien. Wir wollen einen starken Bürokratieabbau bei der Kulturförderung. Wir wollen eine bessere Einbeziehung der kulturellen Akteure in kulturpolitische Entscheidungen. Wir wollen eine Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Wir wollen die eigenständigen Theater bewahren. Dabei sagen wir nicht, dass es nicht zu Veränderungen, Kooperationen und Schwerpunktsetzungen kommen darf, aber wir werden uns immer dagegen wehren, wenn Theater in ein Fusionsmodell gezwungen werden, das voller Ungereimtheiten, unrealistischer Annahmen und falscher Versprechungen ist.