Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fracking, besonders in unkonventionellen Lagerstätten, ist ein sehr abenteuerliches Experiment. Das ist etwa so, als ob jemand in die Apotheke geht, einfach mal hundert verschiedene Medikamente einwirft und dann das Beste hofft. In der Sand-WasserMischung, die beim Fracking mit hohem Druck in Bohrlöcher hineingepresst wird, befinden sich in der Regel um die hundert verschiedene chemische Substanzen. Ich habe mir mal auf der Internetseite des US-Staates Pennsylvania eine Liste angesehen, die ist ellenlang, und auch, wenn ich kein Chemiker bin, wage ich zu bezweifeln, dass die wirklich alle biologisch abbaubar sind.
Dem US-Kongress wurde eine Liste mit 750 verschiedenen Substanzen vorgestellt, die je nach Konzern neu gemischt werden. 750 verschiedene Substanzen, das ist schon die halbe Chemie, und keiner weiß, wie die miteinander interagieren, weder im Erdreich, wo sie reingepresst werden, noch im Grundwasser, wo sie reingelangen, noch dann wieder an der Oberfläche, denn diese Flüssigkeit, angereichert mit Hunderten von Chemikalien, gelangt zu einem erheblichen Teil auch wieder an die Oberfläche.
Ich habe mal eine Dokumentation gesehen, in Kanada, in den USA gibt es in den Frackinggebieten riesige Bassins, wo man dann diese Flüssigkeit vor sich hin wabern sehen kann, und keiner weiß, was er damit anfangen soll – also das ist ein Fall für die chemische Kriegsführung. Ein anderes Land könnte sagen, die haben Massenvernichtungswaffen, die müssen wir sofort wegbomben.
Eine solche riskante Methode der Erdgas- und Erdölgewinnung wäre nur akzeptabel, wenn man sich in einer Notlage befindet, in einer Zwangslage, wo man die Wahl hätte zwischen zwei gleich großen Übeln. In den USA war das der Fall. Dort hatte Präsident Obama die Wahl, entweder sofortiger wirtschaftlicher Zusammenbruch nach der Lehman-Krise à la 1929 oder er versucht, irgendwie die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Geld drucken alleine reichte nicht, also hat er sich auf Fracking geworfen, und das war wenigstens eine substanzielle ökonomische Maßnahme, womit er den Zusammenbruch verhindern konnte. Allerdings, ob er da die richtige Entscheidung getroffen hat, das wird man langfristig noch sehen. Die USA haben die Wasserschutzgesetzgebung in den Frackinggebieten völlig aufgehoben mit der Begründung, das Wasser wäre gar nicht gefährdet. Was das für langfristige Folgen hat, weiß keiner.
Ökonomisch kann es auch ein Irrweg gewesen sein, weil Frackingförderung verdammt teuer ist. Das Frackingöl, die Firmen, die dieses Öl fördern, müssen konkurrieren mit Staaten, die Öl ganz billig auf den Markt werfen. Deswegen machen sie wenig Gewinn. Viele sind schon Pleite gegangen. Sie haben Wertpapiere ausgegeben. Diese Wertpapiere sind vielleicht bald nichts mehr wert und es könnte die neue Blase sein. Aber es war jedenfalls eine Notlage, in der ich mir vorstellen kann, dass man so handelt, wenn man wirklich die Wahl hat, Zusammenbruch oder dieses Risiko einzugehen. Und nur so, unter diesen Bedingungen, könnte ich mir vorstellen, dass man hier überhaupt an Fracking denkt.
Zu hoffen ist, dass so eine Notlage nie eintritt. Aber unsere Auffassung ist, dass man jetzt die Finger davon lässt, dass man aber aus Vorsichtsgründen die Technologie weiter erforscht und sich das Fachwissen weiter aneignet,
damit man in der Lage ist, wenn so ein Notfall eintritt – was hoffentlich nicht der Fall sein wird –, zu dieser Methode zu greifen, wenn man gar nichts anderes mehr hat.
Die gleiche Auffassung vertreten wir auch zum Braunkohle- und Steinkohleabbau. Auch da sollte man sich nicht darauf verlassen, dass die australische Steinkohle immer billig reinkommt. Man muss eigenes Fachwissen, eigene Technologien vorhalten, damit man in der Lage ist, im Notfall mit der eigenen Braunkohle und eigenen Steinkohle zurechtzukommen.
Die gleiche Auffassung vertreten wir zur Atomenergie. Auch da muss man das Fachwissen und die Technologie wenigstens bereithalten, dass man ein, zwei Atomkraftwerke unter staatlicher Kontrolle beibehält. Da auszusteigen, dann aber den Atomstrom aus Polen oder Frankreich zu beziehen, ist genauso riskant, aber es wäre völlig außerhalb unserer Kontrolle und unserer Hand.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ja nun schon mehrfach gefrackt worden, auch in Deutschland, auch beim Erdgas, soweit ich weiß. Und natürlich werden diese Genehmigungen nur erteilt, wenn das Grundwasser nach Meinung der Genehmigungsbehörde absolut sicher ist. Niemand genehmigt eine Frackingbohrung irgendwo und sagt, schauen wir mal, was da beim Grundwasser herauskommt, wenn es denn weg ist, dann ist es halt dumm gelaufen. So werden keine Genehmigungen erteilt.
Wenn wir trotzdem alle der Meinung sind, dass uns das Grundwasser so wichtig ist, dann heißt das, dass wir etwas mehr tun müssen als das, was die Genehmigungsbehörde an Risikoabwägung macht. Darüber kann man ja streiten, ob das jetzt der Zeitpunkt ist, ob man das machen muss und so weiter. Herr Seidel hat gesagt, es ist ein völlig falscher Zeitpunkt, niemand will fracken in
Mecklenburg-Vorpommern. Ja, das stimmt. Deswegen ist es aber gerade der richtige Zeitpunkt, weil wir jetzt so eine Grundsatzentscheidung treffen können. Wir haben jetzt das LEP in der Überarbeitung, in den nächsten Monaten, und könnten es reinschreiben.
Nun wollen wir hier keine Experimente machen wie beim Bürgerbeteiligungsgesetz, sondern wir wollen uns nur an NRW orientieren – übrigens das größte Bundesland –, und die wollen sozusagen jetzt eine Regelung reinschreiben, wo ich sage, da sollten wir mit auf den fahrenden Zug aufspringen und sagen, genau so machen wir das auch, weil eben das Grundwasser nicht alleine durch die Genehmigungsbehörde geschützt werden kann. Die müssen eine Abwägung machen zwischen den Risiken – was Sie gesagt haben, Herr Seidel.
übrigens aus gutem Grund, weil man bei bestimmten Bodenschätzen nicht sagen kann, wenn sie dort nicht gefunden werden, dann suchen wir eben woanders. Es gibt manchmal nur die eine Stelle, wo man sie holen kann, und dann muss man sagen, sorry, da müssen andere Interessen zurückstehen, der muss da jetzt bohren dürfen.
Weil wir aber glauben, dass Fracking eine Risikotechnologie ist, wo wir nach dem derzeitigen Kenntnisstand sagen, solange wir nicht erheblichen Druck haben, lassen wir die Finger davon, deswegen ist jetzt der richtige Zeitpunkt, das hineinzuschreiben in unser LEP. Und dann bin ich mal gespannt, wer dagegen klagen will und ob das Bundesrecht Landesrecht bricht. Ich würde sagen, eher Nein. Es ist auch ein Stück weit, das gebe ich gerne zu, eine politische Aussage, wie das Land sich positioniert, und ein Signal an den Bund, wie wir zum Thema Fracking stehen.
Ich würde es gerne machen. Ich denke, wir sollten es näher besprechen, deswegen der Antrag auf Überweisung in den Energieausschuss. – Danke.
Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/4586 zur Beratung an den Energieausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und Stimmenthaltung der Fraktion der NPD abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/4586. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltun
gen? – Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/4586 bei gleichem Stimmverhalten abgelehnt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Landtages für Mittwoch, den 18. No- vember 2015, 10.00 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.