Protokoll der Sitzung vom 18.11.2015

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender.

Das Wort hat jetzt der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Erwin Sellering.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle trauern um die Opfer der Terroranschläge in Paris. Und ich bin dem CDU-Fraktionsvorsitzenden sehr dankbar, dass er dieser Trauer mit dem Einzelschicksal ein besonders anschauliches Beispiel gegeben hat.

Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen, die geliebte Menschen vermissen, bei den Verletzten, die hoffentlich

wieder gesund werden, bei allen, die die schreckliche Nacht von Freitag auf Samstag in Paris in Angst verbringen mussten und vielleicht erst jetzt das Geschehene verarbeiten, darunter viele Tausende deutsche Fußballfans, die das Länderspiel gegen Frankreich vor Ort verfolgen wollten. Es ist nicht auszudenken, wie groß die Zahl der Opfer gewesen wäre, wenn es den Attentätern gelungen wäre, mit ihren Bomben ins Stadion vorzudringen.

Meine Damen und Herren, das war kein Angriff allein auf Frankreich – und das nicht nur, weil auch Opfer anderer Nationalitäten zu beklagen sind, darunter zwei Deutsche –, es war eine Attacke auf unsere freiheitliche Gesellschaft insgesamt, eine Gesellschaft, in der Platz für Menschen mit unterschiedlichen Meinungen, unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Religion ist, und eine Gesellschaft, die ihre Konflikte friedlich löst durch Wahlen und Mehrheitsentscheidungen, durch den garantierten Schutz von Minderheitsrechten, durch garantierte Grundrechte für alle Bürgerinnen und Bürger. Ich bin fest davon überzeugt, wir müssen an dieser freiheitlichen Gesellschaftsordnung festhalten. Sie ist es wert, engagiert verteidigt zu werden.

Meine Damen und Herren, auch wenn der Angriff letztlich uns allen galt, so ist Frankreich besonders betroffen. Deshalb ist es wichtig, in diesen Tagen unsere Verbundenheit mit unserem großen westlichen Nachbarn zu zeigen. Frankreich und Deutschland verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Es war selten eine, in der Deutsche und Franzosen in Freundschaft miteinander gelebt haben. Das hat sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geändert. Der Aussöhnungsprozess – begonnen unter Adenauer und de Gaulle, fortgesetzt und abgeschlossen von so gegensätzlichen Personen wie Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing, von Helmut Kohl, François Mitterrand, Gerhard Schröder und Jacques Chirac –, dieser Prozess hat Deutschland und Frankreich zu Partnern und Freunden gemacht. Noch nie waren sich unsere Länder so nah wie heute.

Viele Menschen in Deutschland, auch bei uns Mecklenburg-Vorpommern, haben in den letzten Tagen ihre Solidarität und ihr Mitgefühl mit Frankreich bekundet. Ich denke, das gilt auch für alle hier. Wir stehen in diesen schweren Tagen fest an Frankreichs Seite, meine Damen und Herren.

Meine Damen und Herren, dieser Anschlag wirft Fragen bei uns in Deutschland auf: Sind auch wir gefährdet? Kann das auch bei uns passieren? Die Absage des Spiels gestern ist eine klare Warnung. Wie können wir uns vor solchen Angriffen schützen? Deutschland ist bislang von blutigen Anschlägen weitgehend verschont geblieben. Wir verdanken das der Wachsamkeit unserer Sicherheitsbehörden und vielleicht auch einer besonnenen Außenpolitik, begonnen mit dem Nein Gerhard Schröders zu einer deutschen Beteiligung am Irakkrieg.

(Udo Pastörs, NPD: Das war sehr gut.)

Vor allem aber haben wir offenbar großes Glück gehabt. Zweimal waren die Bomben schon gelegt, die Zünder aber haben glücklicherweise versagt.

Es muss auch in Zukunft alles getan werden, um Anschläge nach Möglichkeit von vornherein zu verhindern. Als Folge der Anschläge vom 11. September 2001 sind

die Sicherheitsgesetze in Deutschland verschärft worden, maßvoll, ohne dass wir dafür unsere Freiheit geopfert hätten. Ich gehöre nicht zu denen, die in Reaktion auf diesen Anschlag nun neue Gesetze fordern. Aber ich sage sehr klar, wir brauchen auch in Zukunft leistungsfähige Sicherheitsbehörden. Das gilt für die Polizei, das gilt für den Verfassungsschutz. Wir brauchen ihn gerade auch angesichts der Gefahren durch islamistischen Terror. Das sollte auch der Opposition in diesem Haus sehr bewusst sein.

(Michael Andrejewski, NPD: Zum Aktenschreddern.)

Ich sage ausdrücklich einen großen Dank an die Sicherheitskräfte bei uns im Land, die jetzt besonders gefordert sind und großen Einsatz zeigen. Vielen Dank dafür!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Anschläge wurden verübt von fanatischen Glaubenskriegern, die unsere offene, tolerante und freiheitliche Gesellschaft verachten, die sie für schwach halten und die sie mit barbarischem mittelalterlichem Hass und mit Gräueltaten bekämpfen.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist hinterlistig! Das halte ich für hinterlistig, auch.)

Vor diesem fanatischen, mörderischen Teil des Islam müssen wir uns in Acht nehmen, auch in Deutschland. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, diese Terroristen mit dem Islam gleichzusetzen,

(Udo Pastörs, NPD: Och!)

wie die angeblichen Verteidiger des Abendlandes und der deutschen Kultur das tun, die auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern mit ihren Hassparolen durch die Straßen ziehen. Dem müssen wir klar entgegentreten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die weit überwiegende Mehrheit der Menschen muslimischen Glaubens lehnt den Terror genauso entschieden ab wie wir. Ich bin dankbar dafür, dass die muslimischen Verbände in Deutschland das in einer gemeinsamen Erklärung deutlich gemacht haben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Meine Damen und Herren, diese Anschläge fallen in eine Zeit, in der eine große Zahl an Flüchtlingen zu uns nach Deutschland kommt, viele davon aus den Ländern, in denen die Terroristen ihre Hochburgen haben. Wichtig ist es deshalb, klar zu unterscheiden. Viele der Menschen, die jetzt als Asylsuchende zu uns kommen, sind aus ihrer Heimat gerade vor solchen Gräueltaten religiöser Fanatiker geflohen.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Sie sind deshalb zu uns gekommen, um davor bei uns Schutz zu finden. Da muss klar sein, dass wir, wenn die Prüfung ergibt, dass das so ist, helfen müssen und diesen Schutz gewähren.

(Udo Pastörs, NPD: Jaja.)

Aber klar ist für mich auch, angesichts dieser wachsenden Bedrohung muss Schluss damit sein, dass wir eine große Zahl an Flüchtlingen einfach ungeordnet und ungeprüft ins Land lassen.

(Udo Pastörs, NPD: Wo kommt denn der Sinneswandel jetzt plötzlich her?)

Wir müssen schon wissen, wer sich bei uns aufhält.

(Michael Andrejewski, NPD: Das hätte man gleich mal machen sollen.)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist es wichtig,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

ist es wichtig, dass wir möglichst schnell zu einem geordneten Verfahren bei der Aufnahme von Flüchtlingen zurückkehren.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja.)

Wir können nicht einfach weiter nach Aktenlage entscheiden,

(Stefan Köster, NPD: Heuchlerisch.)

sondern wir müssen jeden sorgfältig anhören, sein Vorbringen prüfen,

(Michael Andrejewski, NPD: Späte Erkenntnis.)

sorgfältig klären, mit wem wir es zu tun haben.

(Udo Pastörs, NPD: Jaja.)

Das ist auch im Interesse der Flüchtlinge.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Die Bundesregierung hat das zugesagt. Sie hat auch zugesagt, die notwendige Zahl an Entscheidern dafür zur Verfügung zu stellen. Das muss jetzt in die Praxis umgesetzt werden, wobei ich denke, dass uns allen klar ist, dass ein geordnetes Verfahren nur möglich sein wird, wenn sich der Zuzug der Flüchtlinge verlangsamt und möglicherweise auch erheblich verringert.

(Udo Pastörs, NPD: Der wird mehr.)

Meine Damen und Herren, nach allem, was wir über die Täter wissen,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

nach allem, was wir über die Täter wissen, zeigt sich aber eine zweite, mindestens ebenso wichtige Aufgabe. Wir müssen die Integration derjenigen, die zu uns kommen und die bleiben dürfen, sehr ernst nehmen.