Protokoll der Sitzung vom 19.11.2015

Somit wurde dem letzten Punkt Ihres Antrages bereits entsprochen. Ich denke, da hat sich etwas überschnitten.

Alles in allem, selbst bei wohlwollender Betrachtung für Ihre Zielsetzung kann ich nur wiederholen: Die Überschrift ist gut, die Begründung ist super, Ihre Rede war ganz toll, aber der Antrag selbst, der Inhalt des Antrages ist abzulehnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Marc Reinhardt, CDU)

Vielen Dank, Frau Wippermann.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Saalfeld für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Frau Wippermann, wenn das Anliegen der LINKEN gut ist, die Begründung gut ist und eigentlich alles gut ist,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Aber die Rede nicht.)

auch die Rede war gut, dann können wir doch irgendwas daraus machen, oder?

(Marc Reinhardt, CDU: Mach mal was draus! – Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Dann können wir das doch in den Ausschuss überweisen oder Sie können vielleicht auch eine eigene Initiative ergreifen.

(Jochen Schulte, SPD: Die Rede war gut, aber in den Ausschuss kann nicht die Rede überwiesen werden, sondern der Antrag. Und wenn der Antrag nicht gut ist, kann er nicht überwiesen werden. – Helmut Holter, DIE LINKE: Das meint Frau Wippermann.)

Ich finde das ganz schade und ich habe irgendwie das Gefühl, dass Sie eigentlich nur einen Grund gesucht haben, es abzulehnen. Und der Grund ist nicht wirklich einschlägig, denn wenn die Begründung gut ist, die Rede gut ist und die Überschrift gut ist, dann kann der Antrag nicht falsch sein,

(Zuruf aus dem Plenum: So ist es.)

weil das passt dann logischerweise nicht zusammen, wenn darauf die Rede, die Begründung und die Überschrift fußen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Stärkung des Freifunks und die Abschaffung der Störerhaftung sind zwei ganz wichtige Anliegen. Darum ist es gut, dass uns heute dieser Antrag vorliegt. Ich kann Ihnen auch berichten, dass wir kürzlich, vor vier Wochen, auf dem GRÜNEN-Landes- parteitag hier in Mecklenburg-Vorpommern einen ähnlichen Antrag beschlossen haben. Es dürfte Sie daher also nicht überraschen, dass wir diesem Anliegen offen gegenüberstehen und dieses natürlich auch unterstützen werden.

Die Bereitstellung von Immobilien des Landes und der Kommunen für Freifunkinitiativen ist eine gute und einfache Möglichkeit zur Verbreitung offener Netze. Hier zu handeln, dürfte eigentlich recht einfach sein, und das machen auch schon viele. Frau Berger hat zum Beispiel in ihrem Wahlkreisbüro selbst einen entsprechenden Freifunkrouter stehen beziehungsweise nutzt ihren Router, um dort Freifunk anzubieten, ein offenes WLAN. Am Rostocker Doberaner Platz können Sie sich auch einfach in ein offenes WLAN einlinken, weil in der Kreisgeschäftsstelle der GRÜNEN von der örtlichen Freifunkinitiative ein entsprechender Router installiert wurde. Wir sehen, diese Möglichkeit wird auch angenommen, denn sehr viele Flüchtlinge stehen am Doberaner Platz mit ihren Handys ziemlich in der Nähe der Kreisgeschäftsstelle der GRÜNEN und nutzen dieses Netz.

Allerdings gibt es eben auch einige rechtliche Bedenken. Sie haben schon die Störerhaftung angesprochen. Das geht momentan nur mit einem Kniff und einer Software, die eine rechtliche Lücke in Schweden ausnutzt und das darüber routet. Dann ist nicht mehr richtig nachvollziehbar, wer eigentlich wie diesen Internetzugang genutzt hat.

(Susann Wippermann, SPD: Na, dann ist ja alles gut.)

Aber ich glaube, es kann in einem grenzenlosen Europa und in einer grenzenlosen Welt ja wohl nicht sinnvoll sein, dass man sich solcher Kniffe bedient.

(Udo Pastörs, NPD: Grenzenlose Welt!)

Solche Initiativen, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben unsere vollste Unterstützung. Ich wüsste auch

nicht, warum das Land nicht Räumlichkeiten zur Verfügung stellen kann an hochfrequentierten Plätzen, wo es sich natürlich anbietet. Natürlich muss man nicht irgendwo in Hintertuttlingen ein WLAN-Netz nutzen oder installieren, wo niemand vorbeikommt. Es geht darum, Orte zu nutzen, und öffentliche Gebäude stehen meistens an zentralen Orten, und diese dann auch für offene Netze zur Verfügung zu stellen.

Ich werde meine Ausführungen allerdings jetzt stärker auf den Aspekt der sogenannten Störerhaftung legen, weil ich denke, dass das der eigentliche Bremsklotz für die Entwicklung von öffentlichen WLAN-Hotspots ist. Zunächst ist leider festzustellen, und da habe ich die absolut gleiche Auffassung wie Herr Holter, dass mich bei diesem Thema so eine Art Déjà-vu ereilt. Im internationalen Vergleich sieht es bei diesem Thema nämlich in Deutschland ähnlich düster aus wie beim Ausbau des schnellen Internets.

In Deutschland sind derzeit etwa eine Million Hotspots verfügbar. Davon sind allerdings lediglich 15.000 wirklich freie und offene WLAN-Zugänge, die ohne Registrierung oder Anmeldung benutzt werden können. Damit stehen nach unseren Berechnungen je 10.000 Einwohner statistisch gesehen etwa 1,87 offene Funknetze zur Verfügung. Herr Holter kam auf 3 – vielleicht haben wir da unterschiedliche Zeitpunkte und unterschiedliche Statistiken genommen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Auf alle Fälle sind es sehr wenig.)

Aber man merkt, zwischen 1,87 und 3 ist das jetzt nicht so weit auseinander. Das ist im internationalen Vergleich allerdings erschreckend wenig. In Südkorea sind es 37, in Großbritannien sind es 28 und in Schweden immerhin noch 10. Zur Erinnerung, bei uns sind es etwa 2 pro 10.000 Einwohner. Damit verschenken wir nach wie vor das enorme Potenzial, das in diesen offenen Zugängen steckt, und das meine ich hier ganz konkret. Gewerbetreibende etwa haben ein Interesse daran, diesen zusätzlichen Service für ihre Kunden bereitzustellen, damit diese überhaupt erst mal das Geschäft betreten oder ins Restaurant hereinkommen. Dass das gerade in einem Tourismusland von großer Bedeutung ist, muss ich sicherlich hier nicht noch einmal zusätzlich betonen.

Offene Netze können aber auch aus sozialen Motiven heraus durch Vereine und Privatpersonen angeboten werden, um den Zugang für Menschen zu ermöglichen, die sich diesen sonst vielleicht nicht an dieser Stelle oder überhaupt leisten könnten.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig, da haben wir es. – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Ich hatte gerade das Beispiel mit den Flüchtlingen angebracht.

Und schließlich sind bisher, so zumindest mein Eindruck, die Potenziale des Freifunks als Baustein gegen die Unterversorgung mit schnellem Internet kaum betrachtet worden, denn manchmal haben wir an öffentlichen Schulen sogar Glasfaser liegen, aber das Dorf drum herum ist relativ schlecht erschlossen, weil es nicht in den Verteilerkasten reingeht. Ich weiß es nicht genau, aber ich kenne diese Beispiele. Warum hier nicht mit Freifunk aushelfen?

Meine Damen und Herren, Sie sehen also, der Ausbau öffentlicher Netze ist absolut sinnvoll, dennoch mangelt es an drahtlosen Netzwerken in Deutschland. Wir müssen uns also fragen, woran diese Unterversorgung liegt. Meine Vorredner, insbesondere Herr Holter, haben das Problem in den Reden schon angesprochen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs besteht eine völlig unklare Rechtslage. Die sogenannte Störerhaftung ist der Bremsklotz für die weitere Entwicklung von öffentlichen Funknetzwerken.

De facto bedeutet Störerhaftung, dass, wer einen offenen Zugang anbietet, derzeit in der Gefahr schwebt, haftbar gemacht zu werden für das, was Nutzer über diesen Hotspot machen, das auch, wenn sich der Anbieter nichts zuschulden kommen lassen hat, denn dann greift in Deutschland die bereits erwähnte Störerhaftung. Das ist übrigens international eine ziemliche Ausnahme und absolute Sonderregelung, die gibt es sonst nirgendwo. Es ist genau diese Rechtslage, die dazu führt, dass weniger öffentliche Netzwerke angeboten werden, und das, obwohl die Verbreitung von mobilen Geräten immer weiter zunimmt.

Die Lösung wäre ganz einfach: Wir brauchen eine gesetzliche Klarstellung, wer ein WLAN anbietet, ist ein Provider, genauso wie zum Beispiel die Telekom ein Provider für Telefonanschlüsse ist oder für Internetanschlüsse. Damit erhält er oder sie auch genau die gleichen Haftungsprivilegien, denn Provider wie etwa die Telekom sind laut Telemediengesetz nicht für die über ihre Netze verwendeten Informationen verantwortlich beziehungsweise haftbar. Es wäre ja noch schöner, dass, wenn jemand am Telefon einen anderen beleidigt, die Telekom dafür haftbar gemacht wird. Das kann man sich nicht vorstellen, es ist aber bei den offenen Netzen der Fall. Warum aber ein Gewerbetreibender oder eine Privatperson in der gleichen Situation haftbar gemacht werden soll, das erschließt sich mir nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, fünf Jahre nach dem Urteil hat sich nun die Koalition in Berlin auf den Weg gemacht. Ich möchte Ihnen im Original die entsprechende Passage aus dem Koalitionsvertrag vorlesen, weil die so schön ist, die hört sich wirklich gut an.

(Zuruf von Susann Wippermann, SPD)

Ich zitiere: „Die Potenziale von lokalen Funknetzen (WLAN) als Zugang zum Internet im öffentlichen Raum müssen ausgeschöpft werden. Wir wollen, dass in deutschen Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen. Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber ist dringend geboten, etwa durch Klarstellung der Haftungsregelungen“, Zitatende.

Hört sich hammergut an,

(Patrick Dahlemann, SPD: Hört, hört!)

doch leider, meine sehr geehrten Damen und Herren, sieht die Realität dann doch anders aus. Der Gesetzentwurf der Großen Koalition ist keine Verbesserung, sondern eher eine Verschlechterung der Situation. Im Gegensatz zur Ankündigung im Koalitionsvertrag wird näm

lich keine Rechtssicherheit geschaffen, es soll kein analoger Haftungsausschluss wie bei den Providern festgeschrieben werden. Anstatt Rechtssicherheit zu schaffen, schafft der Gesetzentwurf neue Unsicherheiten. Ich gehe im Detail darauf ein. So ist geplant, dass Anbieter zumutbare Maßnahmen ergreifen müssen, um eine Rechtsverletzung durch Nutzer zu verhindern. Aber was bedeutet eigentlich „zumutbar“?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Verschlüsselung.)

Es wird nicht wirklich ausgeführt. Weiter heißt es, dass angemessene Sicherungsmaßnahmen gegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose Netzwerk ergriffen werden sollen. Aber was bedeutet „angemessen“? Doch eigentlich nur, dass man sich vorher registrieren muss, und das ist wieder etwas völlig anderes als offen,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

weil es ja um offene Netzwerke geht.

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, solche unklaren Rechtsbegriffe provozieren ja geradezu eine erneute Auslegung durch die Gerichte und nicht durch die Politik. Das finde ich schade, dass die Politik hier nicht ihren Gestaltungsspielraum ausschöpft

(Susann Wippermann, SPD: Machen wir doch.)

und das einfach Gerichten überlassen möchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier sollten wir also schleunigst vorankommen. Ich danke der Fraktion DIE LINKE für die Vorlage dieses Antrags. Ich habe schon gesagt, wir stimmen zu. – Ich danke Ihnen an dieser Stelle für Ihre Aufmerksamkeit.