Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Der Innenausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf der Landesregierung entsprechend seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 6/4887 unverändert anzunehmen.

Ich rufe auf die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift in der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift in der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung mit den Stimmen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen, bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE und Gegenstimme der Fraktion der NPD.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung des Gesetzentwurfes der Landesregierung auf Drucksache 6/4643 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf der Landesregierung auf Druck- sache 6/4643 mit den Stimmen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen, bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE und Ablehnung der Fraktion der NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Volksinitiative gemäß Artikel 59 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Änderung der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern „Gegen unkontrollierten Ausbau von Windenergie“, Drucksache 6/4450, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Wirtschaftsausschusses, Drucksache 6/4895.

Gesetzentwurf der Volksinitiative gemäß Artikel 59 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Änderung der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V) „Gegen unkontrollierten Ausbau von Windenergie“ (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/4450 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Wirtschaftsausschusses (5. Ausschuss) – Drucksache 6/4895 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, der Abgeordnete Herr Eifler. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor Ihnen liegt auf Drucksache 6/4895 die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zum Gesetzentwurf der Volksinitiative gemäß Artikel 59 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Änderung der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern mit meinem schriftlichen Bericht über die Beratungen im Ausschuss.

Anfang Juli 2015 wurde dem Landtag ein Antrag auf Zulassung der vorliegenden Volksinitiative mit etwa 22.000 Unterschriften zugeleitet. Die Präsidentin hatte die Prüfung des Zulassungsantrages durch die Landeswahlleiterin veranlasst. Diese hatte nach entsprechender Prüfung die Volksinitiative zugelassen. Daraufhin hat der Landtag in seiner 100. Sitzung am 23. September 2015 den Gesetzentwurf der Volksinitiative auf Drucksache 6/4450 in Erster Lesung beraten und zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss sowie zur Mitberatung an den Energieausschuss überwiesen.

Der Wirtschaftsausschuss hat am 5. November 2015 eine umfangreiche öffentliche Anhörung zu diesem Gesetzentwurf mit neun Sachverständigen durchgeführt. Zu der Anhörung wurden auch drei Vertreter der Volksinitiative gemäß Paragraf 9 Absatz 3 des Volksabstimmungsgesetzes eingeladen, um die Volksinitiative zu erläutern.

Einer der Vertreter der Volksinitiative, der Vorsitzende des Aktionsbündnisses gegen unkontrollierten Windkraft

ausbau „Freier Horizont“, hat zu Beginn der Anhörung die Volksinitiative vorgestellt. Im Rahmen seiner Ausführungen hat er allerdings, und das möchte ich an dieser Stelle auch nicht verschweigen, die Neutralität der von den Fraktionen benannten Sachverständigen in Zweifel gezogen. Er hatte sich damit, wie ich finde, respektlos gegenüber den anwesenden Sachverständigen verhalten.

Ich möchte hier noch einmal ausdrücklich betonen, dass es eine breite Aufstellung hinsichtlich des Sachverstandes gegeben hat. So konnte uns insbesondere Herr Professor Dr. Sauthoff, Präsident des Oberverwaltungsgerichts Greifswald, zu den rechtlichen Fragen Auskunft geben. Daneben waren der Vorsitzende von WindEnergy Network, der Landesvorstand des Bundesverbandes WindEnergie, der Geschäftsführer des ECOLOG-Instituts für sozial-ökologische Forschung und Bildung, der Geschäftsführer des Landestourismusverbandes, ein Vertreter des Städte- und Gemeindetages, der Vorsitzende des Planungsverbandes Westmecklenburg sowie ein Bürgermeister anwesend. Zu Akzeptanzfragen hatte insbesondere Frau Professor Dr. Hübner von der Universität Halle-Wittenberg Ausführungen gemacht.

An dieser Stelle möchte ich mich auch im Namen des Wirtschaftsausschusses bei allen Sachverständigen für ihre mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen herzlich bedanken.

Nachdem der Vorsitzende des Aktionsbündnisses die Volksinitiative erläutert hatte, hat er einen Kompromissvorschlag unterbreitet, wonach der Landtag die bis zum 31. Dezember 2015 geltende Länderöffnungsklausel wenigstens in einer zweckmäßig erscheinenden Form wahrnehmen sollte. Er hat mehrfach eine sofortige Antwort der Abgeordneten gefordert. Daraufhin wurde ihm noch einmal die Verfahrensweise nach der Geschäftsordnung des Landtages erklärt. Das veranlasste ihn dann, zusammen mit weiteren Vertretern des Aktionsbündnisses den Sitzungsraum zu verlassen. Damit haben sich die Vertreter der Volksinitiative, die von etwa 22.000 Bürgern unterstützt worden ist, auch die Möglichkeit vergeben, sich den Fragen der Abgeordneten zu stellen und hier gegebenenfalls noch weitere Argumente für ihre Bedenken vorzutragen, die im Rahmen der politischen Debatte hätten Berücksichtigung finden können. Das war wirklich sehr bedauerlich.

Der Wirtschaftsausschuss hat sodann die Anhörung fortgesetzt und die einzelnen Sachverständigen zu Wort kommen lassen. Dabei haben sich alle Sachverständigen kritisch in Bezug auf die Einführung einer höhenabhängigen Abstandsregelung mit einem Mindestabstand vom Zehnfachen der Höhe der Windenergieanlagen zur Wohnbebauung geäußert. Professor Dr. Sauthoff hat insbesondere festgestellt, dass die Auswirkungen des Gesetzentwurfes auf die Raumordnungspläne außer Acht gelassen worden seien und nicht klar sei, welche Folgen der Gesetzentwurf für die Nutzung der Windenergie im Land habe.

Die energiepolitischen Ziele der Landesregierung, wonach in den kommenden zehn Jahren ein Anteil von 6,5 Prozent an der bundesdeutschen Stromerzeugung erreicht werden sollte, könnten bei Einführung einer sogenannten 10H-Regelung nicht umgesetzt werden, so der Vorsitzende von WindEnergy Network und der Landesvorstand des Bundesverbandes WindEnergie. Im Übrigen sei die 10H-Regelung nicht geeignet, die Akzep

tanz der Windenergienutzung zu steigern. Frau Professor Dr. Hübner hat hierzu berichtet, dass jahrelang durchgeführte Studien keinen bedeutsamen Zusammenhang zwischen Abstand, Akzeptanz und Belästigung ergeben hätten, sofern bei Errichtung der Windenergieanlagen die Immissionsschutzrichtlinien eingehalten

worden seien. Vielmehr hätten andere Faktoren, wie die Sicht auf die Windenergieanlagen, der Planungsprozess oder die finanzielle Beteiligung der Bürger, Einfluss auf die Akzeptanz. Zudem würden laut Geschäftsführer des ECOLOG-Instituts die von Windenergieanlagen ausgehenden Schallimmissionen keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verursachen, sofern sie in einem Abstand von 1.000 Metern zur Wohnbebauung errichtet worden seien.

Interessant war auch das Ergebnis der vom Landestourismusverband mittels Visualisierung durchgeführten Befragung von Urlaubern an der Ostseeküste. Hier wurde ein Windpark in einem Abstand von etwa sechs Kilometern zur Küste visualisiert. Im Ergebnis der Befragung fühlten sich etwa 50 Prozent der Urlauber von Offshorewindenergieanlagen sehr oder ziemlich gestört. Etwa 19 Prozent aller Befragten würden ihren Urlaub nicht wieder in Mecklenburg-Vorpommern verbringen. Würde der Windpark tatsächlich in einem Abstand von etwa sechs Kilometern ausgebaut, wollten etwa 89 Prozent der Befragten ihren Urlaub nicht mehr hier verbringen.

Seitens des Städte- und Gemeindetages ist ausgeführt worden, dass es sich bei der 10H-Regelung nicht um einen bestimmten Abstand, wie in der Länderöffnungsklausel des Baugesetzbuches vorausgesetzt, handelt, sondern nur um einen bestimmbaren Abstand, der von der individuellen Höhe der einzelnen Anlage abhängig sei. In den Bereichen, in denen die Privilegierung aufgehoben worden sei, hätten die Gemeinden wieder das Planungsrecht. Würden sie nicht planen, hätte das für die Regionalen Planungsverbände im Land zur Folge, dass sie in den verbleibenden Flächen substanziellen Raum für die Windenergie gewinnen müssten. Hierzu müssten dann wieder in anderen Bereichen Kriterien überdacht werden.

Der Vorsitzende des Planungsverbandes Westmecklenburg und ein Bürgermeister haben ausdrücklich betont, dass die derzeit geltenden Vorschriften über die Zuständigkeit der Regionalen Planungsverbände geeignet seien, um im Land einen geordneten Ausbau von Windenergie betreiben zu können.

So viel an dieser Stelle zu den wesentlichen Argumenten der Sachverständigen. Darüber hinaus hat uns Professor Dr. Gerrit Manssen von der Universität Regensburg, der nicht an der Anhörung teilnehmen konnte, eine schriftliche Stellungnahme zugeleitet, die ebenfalls in die Beratung einbezogen worden ist.

Der mitberatende Energieausschuss hat uns einvernehmlich bei Enthaltung seitens der Fraktion der NPD empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen und in der Beschlussfassung Feststellungen im Hinblick auf die Akzeptanz von Windenergieanlagen, die Einhaltung von Schallschutzgrenzen und Mindestabständen, die Festlegung der Eignungsgebiete in den Regionalen Raumentwicklungsprogrammen und im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit bundesrechtlichen Vorgaben zu treffen. Ferner wurde angeregt, die Landesregierung zu bitten, sich auf

Bundesebene für eine Überarbeitung der TA Lärm und einschlägiger DIN-Normen einzusetzen, um einen verbesserten Schutz der Anwohner zu erreichen.

Der Wirtschaftsausschuss hat den Gesetzentwurf einstimmig bei Abwesenheit der Fraktion der NPD abgelehnt. Des Weiteren hat sich der Ausschuss die mitberatende Stellungnahme des Energieausschusses einstimmig bei Abwesenheit der Fraktion der NPD zu eigen gemacht und empfohlen, im Rahmen einer Entschließung neben den Feststellungen des Energieausschusses auch zu berücksichtigen, dass das Landesenergiekonzept die Grundlage für den im Land angestrebten Ausbau und die Nutzung der erneuerbaren Energien bildet und Windeignungsgebiete, Netzausbau und die Schaffung von Speicherkapazitäten im Einklang mit der Umwelt und unter Beteiligung von Bürgern und Gemeinden fortzuentwickeln sind. Weiterhin sollte im Rahmen der Entschließung festgestellt werden, dass sich die energiepolitischen Ziele in der Fortentwicklung des Landesraumentwicklungsprogrammes und in den Feststellungen der Regionalen Raumentwicklungsprogramme niederschlagen.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Landtag gemäß Paragraf 9 Absatz 2 Satz 1 des Volksabstimmungsgesetzes binnen drei Monaten einen Beschluss über den Inhalt der Volksinitiative fassen muss. Mit der heutigen Entscheidung des Landtages ist diese 3-Monats-Frist gewahrt.

Nun bitte ich Sie, meine Damen und Herren, der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zu folgen und den Gesetzentwurf abzulehnen sowie der Entschließung zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Pegel. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag schließt heute die Befassung mit einer Volksinitiative ab, die auf eine Nutzung der sogenannten Öffnungsklausel des Bundes abzielte. Damit sollte ein Mindestabstand – der Ausschussvorsitzende hat es schon dargelegt – zwischen Wohnbebauung und Windkraftanlagen in Höhe des Zehnfachen der Höhe der Windkraftanlage gesetzlich verankert werden, im Übrigen anstelle der bisher in den Planungsverbänden überwiegend zugrunde gelegten Abstandsregelung von 1.000 Metern, in einem Planungsverband knapp darüber.

Die Forderung nach der zehnfachen Höhe führt faktisch bei den heute üblicherweise neu errichteten Anlagen- typen zu einem Regelabstand von knapp 2.000 Metern und – das haben wir bereits bei der erstmaligen Behandlung der Volksinitiative in diesem Hohen Hause erörtert – dies führt damit faktisch zu einer Vollbremsung des

Windkraftausbaus im Land. Mit dieser vorgeschlagenen Abstandskautele wäre kein substanzieller Raum mehr für den Windkraftausbau an Land in unserem Bundesland machbar. Dies hat auch die Expertenanhörung – es wurde eben darauf hingewiesen – des Wirtschaftsausschusses deutlich gemacht. Ebenso deutlich wurde aber auch durch die Expertenanhörung, es gibt keinen wissenschaftlich in empirischen Studien belegbaren Zusammenhang zwischen einem Mindestabstand oberhalb von 1.000 Metern und abnehmenden gefühlten Beeinträchtigungen der benachbarten Wohnbevölkerung. Auch darauf haben Sie verwiesen. Vielmehr haben die in der Anhörung vorgestellten Studien aufgezeigt, dass die individuelle Sorge stark von der eigenen subjektiven Haltung zur Windkraftnutzung beeinflusst wird, der Abstand jedoch nicht maßgeblich ist.

Ebenso sind in der Anhörung rechtliche Fragestellungen detailliert und fundiert von verschiedenen Sachverständigen vorgetragen worden. Dies gilt auch für den regelmäßigen Vorwurf, der durch die Planungsverbände durchgeführte Ausweis von Windkrafteignungsgebieten erfolge unkontrolliert. Die Ausführungen der juristischen Experten haben sehr deutlich gezeigt, dass es ein hoch strukturiertes Verfahren unter breiter Öffentlichkeitsbeteiligung ist. Es hat sich dabei aber vor allem auch gezeigt, welchen gesetzlichen Vorgaben der Planungsprozess unterliegt und zu folgen hat, welchen Einfluss die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere gestützt auf Paragraf 35 Baugesetzbuch, für die Planungsverbandsarbeit hat.

Es dürfte vor allem deutlich geworden sein, dass wir von Willkür und fehlender Kontrolle in der Arbeit der Planungsverbände weit entfernt sind. Voraussetzung für das Deutlichwerden dieser Fakten ist natürlich – auch darauf sind Sie eingegangen, Herr Vorsitzender –, dass sich die Beteiligten zumindest die Ausführungen der Experten anhören. Das mochten leider nicht alle Beteiligten sicherstellen. Wer nach seinem eigenen Statement zu Beginn der Anhörung geht, beraubt sich dann leider der Möglichkeit, dieses Expertenwissen, das hinterher geballt geäußert worden ist, aufzunehmen und seine eigene Position auch ein Stück weit selbstkritisch daran zu messen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das finde ich umso bedauerlicher, weil die Initiatoren der Volksinitiative gern Bezug auf das Stichwort „Demokratie“ nehmen und diese ganz nachdrücklich für sich postulieren. Zuweilen mag man in den Gesprächen den Eindruck bekommen, dass nur die Initiatoren Demokratie ausüben, allen anderen Beteiligten aber – auch gerade den in diesem Landtag vertretenen Fraktionen – demokratisches Vorgehen nicht zugesprochen werden könne, und dann wird das Verlassen der Anhörung zu einem sehr frühen Zeitpunkt umso schwerer verständlich. Demokratie ist nämlich nicht, dass, wenn einer oder einige wenige laut vernehmbar Nein rufen, alle anderen sich nicht mehr bewegen und entwickeln dürfen. Demokratie meint das Recht eines jeden, für seine Position zu werben, aber das meint auch, dass am Ende eine Mehrheit über das weitere Geschehen entscheidet und dass die Minderheit mit einer solchen Mehrheitsentscheidung umzugehen vermag.

Demokratie findet auf verschiedenen Ebenen statt. Je nach Aufgabe und Wirkungsbereich der Entscheidungen über diese Aufgabe können verschiedene Entscheidungsebenen unserer Gesellschaft zuständig sein. Des

halb ist die Ausweisung von Windeignungsgebieten bei uns im Land in die Hände der Regionalen Planungsverbände gelegt worden, denn nur auf dieser Ebene sind die oft gemeindeübergreifend wirkenden Planungen sinnvoll abbildbar.

Demokratie hat noch weitere Konsequenzen, denn es folgt dem Grundsatz eines demokratischen Gemeinwesens, dass wir auch Dinge mit Mehrheiten ermöglichen, die die Gesellschaft als Ganzes dringend und unbedingt braucht, auch wenn sie bei den konkret von diesen Maßnahmen Betroffenen nicht immer nur Zuspruch erfahren. Dies ist uns im Energieministerium im Übrigen aus verschiedenen Bereichen vertraut. Auch beim Straßen- und Radwegebau gibt es einen breiten gesellschaftlichen, wenn Sie wollen, demokratisch-mehrheitlichen gesellschaftlichen Konsens, dass wir diese Infrastruktur als modernde Gesellschaft für unsere Mobilität benötigen. Dieser Infrastrukturausbau dient anerkannt dem Erhalt des gemeinsamen Komforts und Wohlstandes, und trotzdem, das gehört zu unserer täglichen Erfahrung, lösen die Einzelprojekte vor Ort dann nicht nur Begeisterung aus, wenn sie bevorstehen.

Ähnlich stellt es sich auch bei einer gesicherten Stromversorgung dar. Unsere Gesellschaft braucht zweifelsfrei Energie, viel Energie im Übrigen. Allen ist klar, dass der Strom nicht nur aus der Steckdose kommt. Deshalb gibt es auch für die Errichtung entsprechender Stromerzeugungsanlagen und Stromtransportsysteme eine gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung. Der großen Mehrzahl der Menschen ist vollkommen klar, dass unser Wohlstand, dass unser Komfortniveau diese Energie unbedingt benötigt. Abstrakt wird sich im Übrigen auch in unserem Bundesland diesem Bekenntnis nur wenig Widerspruch entgegenstellen. Konkret vor Ort, dort, wo entsprechende Anlagen geplant werden und entstehen sollen, löst ein solches konkretisiertes Vorhaben dann gleichwohl zuweilen Kritik aus.

Auch dazu gehört, solch eine Kritik muss eine Demokratie selbstverständlich aushalten. Aber die Kritiker müssen auch aushalten, dass sie nach Alternativen gefragt werden, denn wer stets abstrakt die Energiewende begrüßt, aber konkret alles dafür tut, dass die Sicherstellung der Energieversorgung durch ausreichende Energieerzeugungsanlagen praktisch unmöglich wird, muss sich fragen lassen, wie er denn künftig die Stromversorgung in Deutschland sicherstellen will. Die Kritiker müssen sich auch fragen lassen, ob von ihnen der Atomausstieg in voller Konsequenz mitgetragen wird, und ebenso, ob und wie die erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen bei der Energieversorgung umgesetzt werden sollen, insbesondere nach den Beschlüssen und Vereinbarungen von Paris.

Zur Demokratie gehört dann auch, dass das Leben selten aus Entscheidungen besteht, die sich mit Ja oder Nein beantworten lassen. In der Regel geht es um Entscheidungen zwischen verschiedenen Alternativen, also um die Frage entweder – oder. Eine redliche Debatte erfordert deshalb, dass kritisierten Positionen eigene Alternativen gegenübergestellt werden, und, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein demokratischer Diskurs erfordert auch, sich mit Sachfragen in der Sache zu beschäftigen.

Genau dem hat sich die Landesregierung in der Windkraftdebatte durch eine Veranstaltungsreihe des Ener

gieministeriums, die sich durch das gesamte Jahr 2015 gezogen hat, gewidmet. Dort haben wir alle zentralen Sorgen und Ängste aufgegriffen. Dafür haben wir externe Fachleute eingeladen, die ihre Vorträge live in Wismar gehalten haben. Zeitgleich wurden diese auch im Internet übertragen, damit, wenn gewollt, das gesamte Land sich beteiligen kann. Die Abstandsfragen beispielsweise sind dort ebenso behandelt worden wie Gesundheitssorgen, Besorgnisse um den Infraschall, die Abtransportmöglichkeiten für den erzeugten Windstrom, Bedenken um Immobilienwertverluste und Fragen zum Verlauf des Bundesimmissionsschutzverfahrens.

Die Teilnahme war allerdings verhaltener, als es die Anzahl kritischer Stimmen zu Windkraftprojekten hätte vermuten lassen. Das mag auch einen Grund haben. Diese Veranstaltungen hatten nämlich allesamt einen Haken: Sie haben manches gut gepflegte Vorurteil sachlich abgearbeitet. Wer sich seine Meinung nicht durch Fakten verhageln lassen mag, entzieht sich dann clevererweise einer solchen sachlichen Information. Aber eine sachliche demokratische Auseinandersetzung sollte Fakten gerade nicht fürchten und scheuen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Landtag und seine Gremien haben durch ihre umfangreiche Expertenanhörung im Rahmen dieser Volksinitiative im Übrigen deutlich gezeigt, dass genau diese Sachaufklärung gewollt und bewusst gesucht wird. Ich möchte ganz ausdrücklich meinen Dank an den Landtag und seine Gremien richten, auch dafür, dass sich der Landtag und seine Gremien dieser gesamtdeutschen Verantwortung, auch unseres Bundeslandes, für eine gesicherte und ausreichende Stromerzeugung in Deutschland bewusst sind und danach handelnd insbesondere den Windkraftausbau möglich bleiben lassen, und zwar in den strukturierten und bewährten Planungsverfahren der demokratisch verfassten Regionalen Planungsverbände. Genau dort sollte dieser Planungsprozess unter Zugrundelegung eines Mindestabstandes von 1.000 Metern zur geschlossenen Wohnbebauung auch bleiben – eine im Übrigen, das habe ich bei der Einbringung schon dargelegt, im bundesweiten Vergleich bereits am oberen Rand orientierte Abstandsregelung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass die gern postulierte Demokratieliebe aufseiten der Initiatoren der Volksinitiative nunmehr auch dazu führt, dass den Menschen in unserem Land ehrlich offengelegt wird, dass das oft zitierte Volksbegehren der Initiatoren nicht mehr zum Erfolg geführt werden kann. Jede weitere Unterschrift, die dort für ein Volksbegehren zur Verfolgung einer 10H-Regelung beziehungsweise eines 2.000Meter-Abstandes gesammelt wird, führt die angesprochenen unterschriftleistenden Bürgerinnen und Bürger in die Irre. Der Grund ist schlicht und einfach: Die gesetzliche Bestimmung von Mindestabständen zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung ist nach bundesweit einhelliger Meinung durch die Bundesgesetzgebung für eine Regelung durch Landesgesetze gesperrt. Der dahinterstehende Grundsatz im Grundgesetz ist schlicht und einfach: Bundesrecht bricht Landesrecht.

Der Bundesgesetzgeber hatte allerdings für knapp eineinhalb Jahre eine Ausnahme zugunsten der Länder geschaffen. Diese Ausnahme war aber von Anfang an befristet, und zwar bis Ende 2015, das ist das aktuelle Jahr, Ende dieses Jahres. Nur die Länder, die bis dahin ein Gesetz in ihrem Gesetz- und Verordnungsblatt veröf

fentlicht haben, mit dem von dieser sogenannten Öffnungsklausel Gebrauch gemacht wurde, können von dieser bundesrechtlichen Regelung abweichen. Auf gut Deutsch: In zwei Wochen läuft diese Zeit der Öffnungsklausel ab. Wer jetzt noch Unterschriften sammelt, weiß, dass sein Volksbegehren nicht mehr innerhalb der nächsten zwei Wochen zum Erfolg führen kann, denn schon allein das Verfahren, das unsere Landesverfassung für das Volksbegehren vorgibt, sieht eine Mindestwartezeit vor der Durchführung des Volksentscheides von mindestens drei Monaten vor. Selbst wenn also rein theoretisch morgen die erforderlichen Unterschriften abgegeben würden, selbst wenn dann die Landeswahlleiterin innerhalb von zwei Stunden über die Richtigkeit all dieser Unterschriften entschiede – alles im Konjunktiv, weil praktisch ausgeschlossen –, selbst wenn der Landtag morgen sofort darüber entscheiden würde, wäre aufgrund der danach erforderlichen Mindestwartezeit der Landesverfassung vor Durchführung eines dann folgenden Volksentscheides von mindestens drei Monaten eine Entscheidung in 2015 ausgeschlossen. Wer jetzt noch Unterschriften für 10H beziehungsweise 2.000 Meter Mindestabstand sammelt, sammelt für ein grundgesetzwidriges Volksbegehren und unsere Landesverfassung lässt auf erkennbar grundgesetzwidrige Landesgesetze gerichtete Volksbegehren nicht zu.