Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hört, hört! – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Im Gesetzentwurf findet sich in Paragraf 11 Absatz 4 eine bemerkenswerte Bestimmung, wörtlich: „Gesundheitsschäden von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr, die im Rahmen des Feuerwehrdienstes entstanden sind oder sich verschlechtert haben und die nicht den Kausalitätsanforderungen eines Arbeitsunfalles entsprechen, können ohne Anerkennung eines Rechtsanspruches freiwillig von dem Träger der Feuerwehr entschädigt werden.“ Was will der Gesetzgeber dem freiwilligen Ehrenamtler, der seine Zeit dem Brandschutz opfert und dabei auch seine Gesundheit riskiert, damit sagen?

Wenn man das mal vom Juristenchinesisch ins normale Deutsch übersetzt, würde das dann heißen: Feuerwehrmann, im Rahmen deines Dienstes kannst du verletzt werden. Das kann unter Umständen geschehen, die den Feuerwehrträger in keiner Weise verpflichten, dir irgendwie finanziell zu helfen oder dich zu entschädigen.

(Ralf Mucha, SPD: Oh, da durfte er nicht mitspielen!)

Er kann es tun oder er kann es auch lassen. Wenn er keine Lust hat, sagt er, keine Rechtspflicht, Freiwilligkeit.

Einen Anspruch hat er nur – um wieder ins Juristenchinesisch zurückzufallen – bei Vorliegen der Kausalitätsanforderungen eines Arbeitsunfalls. Und wann ist das der Fall? Das ist der Fall, wenn ein innerer Zusammenhang besteht zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall beziehungsweise der Gesundheitsschädigung. Es kommt die Lehre vom rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhang zur Anwendung. Danach ist eine Bedingung wesentlich, wenn ihr nach der Anschauung des täglichen Lebens wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg eine wesentliche Bedeutung für diesen Eintritt des Schadens, der Gesundheitsschädigung zukommt. – Das ist ein Nebel von unbestimmten Rechtsbegriffen.

Diese Regelung ist ganz klar darauf ausgerichtet, sich aus jeder Entschädigung für im Dienst verletzte Feuerwehrleute mit tausend Tricks herausziehen zu können, so wie es auch mit Bundeswehrsoldaten geschieht, die physisch oder psychisch geschädigt aus Afghanistan zurückkommen und sich dann jahrelang mit den zuständigen Bundeswehrstellen um eine Pension oder um eine Reha balgen müssen. Das ist schäbig. Der Staat sucht sich offenbar – in Anführungsstrichen – Dumme, die ehrenamtlich Risiken eingehen, um sie dann möglichst billig beziehungsweise kostenlos wieder abwimmeln zu können. Das ist also der Dank des demokratischen Vaterlandes.

Ich frage mich, ob viele freiwillige Feuerwehrleute von dieser Bestimmung wissen und was sie sagen würden, wenn man sie darüber aufklären würde. Das wird uns ein Vergnügen sein. Jedenfalls ist diese Bestimmung so übel, dass das Grund genug ist, diesen ganzen Gesetzentwurf abzulehnen.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Reinhardt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Redner sind ja schon auf die Änderungen, die wir im Innenausschuss vorgenommen haben, eingegangen. Auch wir als CDU-Fraktion tragen diese gemeinsamen Änderungen der vier Fraktionen mit, deshalb brauche ich ja nicht in allen Einzelheiten noch mal darauf einzugehen, vor allem, weil ich das in der Einbringung oder in der Ausschussempfehlung schon gemacht habe.

Ich will vielleicht noch drei Punkte aufgreifen. Es wurde ja von zwei Rednern – ich glaube, es waren Herr Ritter und Herr Saalfeld – angeregt, dass wir solche Verfahren öfter machen. Ich will darauf hinweisen, so selten ist das gar nicht, auch bei der Inklusion sind wir zumindest zu viert gestartet

(Beifall Torsten Renz, CDU – Heiterkeit und Zuruf von Heinz Müller, SPD – Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und morgen werden wir einen Gesetzentwurf zur Schulgesetzänderung auf der Tagesordnung haben, wo zumindest drei Fraktionen die Einbringer sind. Da haben Sie sich ja, Herr Saalfeld, etwas in die Büsche verdrückt, oder Frau Berger vielmehr, und nicht mehr mitgemacht.

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also ich will darauf hinweisen, dass wir so etwas auch schon bei anderen Politikfeldern zumindest versucht haben.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil der Bildungsminister vom Plan abweicht.)

Dann – Herr Ritter hat ja noch „Bedarfsplanung versus Leitbild“, die kleine Baustelle, aufgemacht – nehme ich es vielleicht doch so weit vorweg, wenn ich darf, Herr Müller: Wir schlagen in dem Leitbild morgen lediglich freiwillige Fusionen vor, und eine Gemeinde, die sich im

nächsten Jahr aufmacht, freiwillig zu fusionieren, kann das mit der Brandschutzbedarfsplanung vielleicht etwas aufschieben oder – die Aufgabe Brandschutz fällt ja nach der Fusion nicht weg, die muss trotzdem gewährleistet werden –,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aber lasst uns mal drüber reden!)

man kann die auch weiterführen und gegebenenfalls dann neu anpassen.

Bürokratiemonster, darauf hat Herr Saalfeld noch hingewiesen. Ich sehe das nicht. Wir haben ja vereinbart, dass der Innenminister zum einen eine Verordnungsermächtigung hat und zum anderen die Brandschutzbedarfsplanung auch innerhalb eines einheitlichen Erlasses möglichst zum Jahresanfang regeln soll, sodass damit für alle Feuerwehren und Gemeinden im Land klar ist, wie das abzulaufen hat.

Zum Schluss noch kurz, Herr Andrejewski, so schwarz wie Sie sehen wir das nicht,

(Heinz Müller, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE: Nicht so braun!)

so braun, meinetwegen, auch so braun sehen wir das nicht. Es geht in dem Fall um grobe Fahrlässigkeit, zum Beispiel, wenn man als Feuerwehrmann, was man nicht soll, betrunken agiert oder auch zu schnell fährt. Das sagt ja der klare Menschenverstand. Außer der freiwilligen Verpflichtung der Gemeinde, hier helfen zu können, wird es eine Stiftung über den Landesfeuerwehrverband geben, die wir mit Geld unterstützen wollen im Doppelhaushalt,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

die sich dann auch solchen Fällen widmen kann. Insofern, denke ich, ist das ein gutes Gesetzgebungsverfahren gewesen.

Ich möchte zum Schluss vielleicht noch aufgrund von persönlichen Erlebnissen darauf hinweisen, wir stehen ja vor den Feiertagen und dem Jahreswechsel. Erwartungsgemäß haben Feuerwehren da immer viel zu tun, deshalb: Gehen Sie mit Kerzen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Lichterketten!)

Raketen und Böllern und auch den Autos bei entsprechender Witterung etwas vorsichtig um!

(Heinz Müller, SPD: Und sauft nicht so viel! – Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Und sauft nicht so viel!)

Aber seien Sie sich auch sicher, wenn Hilfe nötig ist, dann werden die freiwilligen Feuerwehren und die Berufsfeuerwehren auch zwischen dem Fest und über Neujahr für Sie da sein. Dafür im Voraus schon mal an alle Kameradinnen und Kameraden vielen Dank. Ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetz. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetzes M-V und anderer Gesetze auf Drucksache 6/4642.

Der Innenausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 6/4642 in der Fassung seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 6/4889 anzunehmen.

Ich rufe auf die Artikel 1 bis 4 sowie die Überschrift in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit sind die Artikel 1 bis 4 sowie die Überschrift in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimme der Fraktion der NPD an- genommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 6/4889 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 6/4889 bei gleichem Stimmverhalten angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des Kommunalen Standarderprobungsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze, Drucksache 6/4434, sowie Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – Abschlussbericht der Landesregierung an den Landtag zum Kommunalen Standarderprobungsgesetz 2010 bis 2015, Drucksache 6/4443, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Europa- und Rechtsausschusses, Drucksache 6/4891.

Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung des Kommunalen Standarderprobungsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 6/4434 –

Unterrichtung durch die Landesregierung Abschlussbericht der Landesregierung an den Landtag zum Kommunalen Standard- erprobungsgesetz 2010 bis 2015 – Drucksache 6/4443 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Europa- und Rechtsausschusses (3. Ausschuss) – Drucksache 6/4891 –

Das Wort zur Berichterstattung hat die stellvertretende Vorsitzende des Europa- und Rechtsausschusses Frau Drese.

(Torsten Renz, CDU: Zehn Minuten sind ausgewiesen.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vor Ihnen liegen auf Drucksache 6/4891 die Beschlussempfehlung und der Bericht des Europa- und Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf zur Verlängerung des Kommunalen Standarderprobungsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze. Der Landtag hat uns den Gesetzentwurf vor nicht einmal zwei Monaten, Ende September, als Federführer und zur Mitberatung an den Innenausschuss überwiesen. Mein Dank gilt allen beteiligten Abgeordneten und Sachverständigen, die eine zügige Beratung ermöglicht haben.

Es handelt sich um ein sogenanntes Omnibusgesetz. Neben Änderungen im Zusammenhang mit der Stan- darderprobung sollen Regelungen im Zusammenhang mit der Einführung der Doppik im Gemeindehaushaltsrecht geändert werden. Wir hatten uns außerdem noch den Abschlussbericht der Landesregierung zum Standarderprobungsgesetz überweisen lassen. Darin werden die Erfahrungen mit dem bisherigen Standarderprobungsgesetz evaluiert, sodass wir beide Beratungsgegenstände gemeinsam beraten wollten.

Das Standarderprobungsgesetz ist ein Experimentiergesetz, die zeitliche Geltung ist befristet bis zum Ende der übernächsten Woche. Es ermöglicht den kommunalen Körperschaften, von Vorgaben in landesrechtlichen Regelungen, Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften für eine begrenzte Zeit abzuweichen, um neue Lösungen bei der kommunalen Aufgabenerledigung auszuprobieren. Es sollte insbesondere getestet werden, ob mithilfe dieses Gesetzes Verwaltungsverfahren für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung beschleunigt, vereinfacht und kostengünstiger gestaltet werden können.

Im Oktober 2010 wurde das Standarderprobungsgesetz auf Grundlage des Gesetzes zur Deregulierung und zum Bürokratieabbau verabschiedet. Der Zweck: Als Erprobungsgesetz sollte es laut der Gesetzesbegründung ermöglichen, die in den Kommunen vorhandene Sachkompetenz zu erschließen und zu befördern. Es sollten im Einzelfall im Rahmen eines zulässigen Anwendungsbereichs abweichende Möglichkeiten für die Art und Weise einer gesetzlich vorgesehenen Aufgabenerfüllung entwickelt und umgesetzt werden.

Der Verpflichtung zur Evaluierung des Gesetzes ist die Landesregierung in zwei Zwischenberichten und einem Abschlussbericht nachgekommen. Im Abschlussbericht kommt die Landesregierung im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass das Gesetz zunächst verlängert werden sollte, um weitere und fundierte Erkenntnisse zu erlangen.

Insbesondere unter zwei Zielstellungen ist das Gesetz evaluiert worden: Zum einen sollte mit dem Gesetz erreicht werden, dass neue Maßnahmen zum Bürokratieabbau erprobt werden, um diese auszuwerten und erfolgreiche Modelle dann auch landesweit zur Anwendung zu empfehlen. Zum anderen sollten Kommunen vor dem Hintergrund der veränderten demografischen Rahmenbedingungen die Möglichkeit erhalten, flexibel auf die Herausforderungen des demografischen Wandels reagieren zu können. Da die Kommunen bislang jedoch nur in

recht überschaubarem Umfang von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben, empfiehlt die Landesregierung, das Kommunale Standarderprobungsgesetz zu verlängern.