Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

Ende gut, alles gut? Für die Linksfraktion keinesfalls, denn der vom Zentrum für Sozialforschung Halle erstellte Bericht enthält fast nichts Neues. Dass wir einen wachsenden Bedarf an Pflegekräften haben, das ist nicht neu. Das weiß jeder, der sich mit dieser Materie beschäftigt. Der Markt für Pflegefachkräfte ist seit Jahren wie leer gefegt. Das pfeifen die Spatzen inzwischen von den Dächern. Dass wir die Pflege aufwerten müssen, wissen wir ebenfalls seit Jahren. Auch hier im Landtag wurde diese Forderung schon x-mal erhoben.

Diese Erkenntnisse sind auch nichts Besonderes für Mecklenburg-Vorpommern. Bundesweit werden Pflegefachkräfte gesucht. Bei uns ist der Problemdruck besonders hoch, da wir bei der durchschnittlichen Alterung und der Pflegebedürftigkeit an der Spitze stehen. Für Erkenntnisse dieser Qualität hätte es meines Erachtens keines externen wissenschaftlichen Beratungsinstituts bedurft. Die hier geflossenen Mittel hätte die Landesregierung besser ausgeben können, beispielsweise für Schulgeld.

Ach ja, wie viel hat dieser Bericht eigentlich gekostet? Das gehört auch zu einer wahrhaftigen Einschätzung. Es wäre auch gut zu wissen, warum dieser Bericht erstellt werden musste. Die Enquetekommission beschäftigte sich zeitgleich mit dem Thema „Pflege in MecklenburgVorpommern“. Auch für sie wurden Studien gefertigt, die am Ende in Handlungsempfehlungen für die Landesregierung münden. Hätten diese Aufträge nicht einfach um die hier vorliegende Fragestellung erweitert werden können? Es wäre auf jeden Fall kostengünstiger für die Landesregierung und damit für die Steuerzahler in Mecklenburg-Vorpommern geworden.

Die Maßnahmen, die der Bericht empfiehlt, sind ebenfalls weitgehend nichts Neues. So seien die Arbeitsbedingun

gen zu verbessern und leistungsgerecht zu entlohnen. Das ist auch die Position der LINKEN. Wir haben erst im Oktober auf der Landtagssitzung eine gesetzliche Regelung der Personalbemessung in den Krankenhäusern gefordert. Für diejenigen, die unseren Antrag damals abgelehnt haben, möchte ich eine Passage aus dem Bericht zitieren. Es heißt hier: „Mit einer Verbesserung der Personalbemessungszahlen in der stationären Pflege könnte der einschlägigen Kritik in der Befragung begegnet werden.“ Das ist eine deutliche Aufforderung und es ist eine Handlungsempfehlung, die die Landesregierung auch umsetzen könnte. Denn auf viele andere Handlungsempfehlungen, wie beispielsweise eine leistungsgerechte Entlohnung, hat sie nur marginal Einfluss.

Noch eine Bemerkung zur Pflegekammer. Auch dieser Bericht zeigt, dass sich Pflegekräfte vor allem eine größere Attraktivität ihres Berufes wünschen. Ob diese durch die Einrichtung einer Pflegekammer erreicht werden kann, ist fraglich. Das Zentrum für Sozialforschung Halle hat dazu 854 Pflegekräfte befragt. In den Krankenhäusern, Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen so- wie in stationären, teilstationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen arbeiten jedoch etwa 29.500 Menschen in der Pflege. Von den Befragten befürworten 436 die Einrichtung einer Pflegekammer. Das sind zwar 73 Prozent derjenigen, die sich zu einer Pflegekammer geäußert haben, aber weniger als 1,5 Prozent der Beschäftigten in der Pflege.

(Julian Barlen, SPD: Bei Statistik haben Sie nicht so gut aufgepasst, ne?!)

Passen Sie auf!

Deshalb bleibt für mich offen, Herr Barlen,

(Julian Barlen, SPD: Und dann ziehen Sie mal 1,5 Prozent ab! Dann sind Sie bei null.)

es bleibt für mich offen, …

(Julian Barlen, SPD: Ja, wenn Sie schon anfangen, so wild zu rechnen.)

Entschuldigen Sie bitte! Es sind nur 1,5 Prozent. Sie können die Zahl nachrechnen. Ich habe sie Ihnen ja gesagt. Ich gebe sie Ihnen nachher auch noch mal schriftlich.

(Julian Barlen, SPD: Haben wir selber.)

…. deshalb bleibt für mich offen, ob diese Stichprobe die Meinung der Pflegekräfte im Land repräsentiert. Augenfällig ist, dass sich vor allem Mitarbeiter in Krankenhäusern, in Reha- und Vorsorgeeinrichtungen für eine Pflegekammer ausgesprochen haben. Ob denjenigen bewusst war, dass eine Pflegekammer wenig dazu geeignet ist, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, das bleibt der Bericht schuldig.

(Julian Barlen, SPD: Das ist Ihre Meinung.)

Eine Pflegekammer wäre aber verpflichtend für alle. Sie wäre auch nicht zum Nulltarif zu haben. Wenn sich die Pflegekräfte jedoch mehrheitlich eine eigene Kammer wünschen, darf sich die Politik dem nicht verschließen. Bis jetzt hat die Landesregierung außer vollmundigen Versprechen leider keine realen Verbesserungen der

Situation in der Pflege herbeigeführt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau FriemannJennert von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Pflegebranche ist eine der personalintensivsten Branchen und wird in Zukunft ein sehr wichtiges Thema für Mecklenburg-Vor- pommern werden. 2020 wird sich unsere Bevölkerung aus weniger jungen und viel mehr älteren Menschen zusammensetzen. Bis 2030 werden wir durch den Rückgang der zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen in ganz Deutschland einen Anstieg des Fachkräftemangels haben, von dem auch unser Bundesland nicht verschont bleiben wird. Durch den Bevölkerungswandel wird es in Zukunft viel mehr Pflegebedürftige in Mecklenburg-Vor- pommern geben. Insbesondere im ländlichen Raum steht den Pflegebedürftigen ein Fachkräftemangel im Gesundheitswesen gegenüber – ein Phänomen, das wir heute schon sehr deutlich beobachten können.

Mecklenburg-Vorpommern steht damit vor großen Herausforderungen. Das bestätigt auch der von der Landesregierung in Auftrag gegebene Sozialbericht zur Situation der Pflegeberufe in Mecklenburg-Vorpommern an das Zentrum für Sozialforschung Halle e. V. Dass Sozialberichte zu ausgewählten Themen in der Koalition vereinbart wurden, ist ja bekannt. Und ich denke, die Situation der Pflegeberufe zu beleuchten, ist sehr aufschlussreich. Der Bericht liefert sehr aussagekräftige Zahlen in verschiedenen Szenarien zu der Situation der Pflegeberufe in Mecklenburg-Vorpommern. Die Befragung der Beschäftigten und Unternehmen verdeutlicht noch einmal die Situation in Mecklenburg-Vorpommern. Aber inzwischen liegen auch noch andere teure Expertisen vor, die, wie eben schon erwähnt, von der Enquetekommission heiß diskutiert wurden. Die Handlungsempfehlungen der vorliegenden Sozialberichterstattung sind an manchen Stellen dadurch auch schon überholt.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Allein für Gesundheit und Pflege hat die Enquetekommission in harter Auseinandersetzung 15 Seiten an Empfehlungen gegeben. Ob das alles umsetzbar ist, wage ich zu bezweifeln, aber vieles ist neu zu denken, gerade wenn der Status quo nicht mehr zu halten ist und die herkömmlichen Methoden eben nicht dazu führen, eine machbare Lösung für die Zukunft zu finden. Bei allem Respekt für die viele Arbeit, so viel Neues hat sich mir daraus auch nicht erschlossen. Den ausschlaggebenden Satz auf Seite 112 darf ich hier mal zitieren: „Die Pflegeberufe in Mecklenburg-Vorpommern sind aktuell noch nicht in einer ‚Notstands‘-Situation.“

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na ja!)

Nein, meine Damen und Herren, dazu darf es auch nicht kommen.

Meiner Fraktion und mir ist bewusst, dass im Pflegebereich vieles zu tun ist, an sich sind wir auch schon mit

tendrin. Unser Ziel ist es, den großen Herausforderungen in Mecklenburg-Vorpommern – dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel – entschlossen zu begegnen. Oberste Priorität hat dabei die Sicherstellung einer hohen Qualität auch in der Fläche.

Mit der Pflegereform auf Bundesebene wird dafür Sorge getragen, dass sich die Pflegeleistungen künftig besser an den individuellen Bedürfnissen der Menschen orientieren. Mit den Pflegestärkungsgesetzen I und II wird die Situation der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen sowie der Pflegenden deutlich verbessert, unter anderem durch die Dynamisierung aller Pflegeleistungen in Höhe von vier Prozent, die Stärkung der familiären Pflege und die Einführung des neuen Pflegebegriffes. Ein drittes Pflegestärkungsgesetz wird folgen. Ich erlaube mir an dieser Stelle, nicht zu wiederholen, was Frau Hesse bereits ausgeführt hat. Eine Reform der Pflegeausbildung – das will ich noch sagen – wird es auch auf Bundesebene geben.

Ziel ist es, auch künftig allen hilfe- und pflegebedürftigen Bürgerinnen und Bürgern eine gute Versorgung mit Pflegeleistungen zu sichern. Ich habe noch von niemandem gehört, dass er auf eine Lebensqualität im Alter beziehungsweise auf wirkungsvolle fachliche Pflege und Betreuung im Krankheitsfall und/oder bei Behinderung verzichten möchte.

Pflege ist ein Zukunftsthema und wird Arbeitsplätze sichern, denn wir brauchen in Mecklenburg-Vorpommern in den kommenden Jahren viele gut ausgebildete junge Pflegefachkräfte in der ambulanten und stationären Alten- und Krankenpflege. Leider wachsen die nicht an Bäumen. Wir werden sowohl den Pfleger mit einer fundierten fachlichen Grundausbildung als auch den Pflegehelfer mit einer weniger wissenschaftlich-theoretischen Ausbildung brauchen. Diese Berufe geben eine gute Garantie, nach der Ausbildung auch einen Arbeitsplatz in unserem Gesundheitsland zu finden.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber dazu muss das Berufsbild der Pflegekraft aufgewertet werden. Der Bericht spricht von notwendiger Imageaufwertung des Pflegeberufes, der als krisenfest gilt und bei dem das Personal auch etwas zurückbekommt, was in manchen Berufen völlig fehlt, nämlich die Dankbarkeit der zu Betreuenden und der zu Pflegenden.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das reicht nicht, Dankbarkeit.)

Das reicht nicht, das ist so. Eine gute Entlohnung ist dabei eine wichtige Voraussetzung. Gute Pflege gibt es in der Tat nicht zum Nulltarif.

Und wenn es tatsächlich so ist, dass die Arbeit in der ambulanten Pflege attraktiver erscheint, muss genau hingesehen werden, ob etwa pflegeartspezifische Handlungsstrategien auch im stationären Bereich zu positiveren Effekten führen. Hier sehe ich aber nicht nur die Politik, sondern auch die Arbeitgeber in der Pflicht. Nicht nur das angemessene Gehalt spielt eine entscheidende Rolle – betriebliches Gesundheitsmanagement, flexible Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehören auch dazu. Interessant fand ich die Ausführungen auf Seite 116 zur Gewinnung von männlichem

Pflegepersonal und zur geschlechtersensiblen Pflege. Da dürfte bei jedem, der sich mit Gleichstellung beschäftigt, die rote Lampe angegangen sein.

Was beispielsweise die betriebliche Gesundheitsförderung in den Unternehmen angeht, entscheidet immer noch der Arbeitgeber.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei dem überwiegenden Teil an kleineren Unternehmen, so denken wir, muss das etwas sein, das mit Krankenkassen und so weiter Hand in Hand gehen muss.

Ob sich die von der zsh vorgelegten Handlungsempfehlungen für eine Verbesserung der Arbeits- und Rahmenbedingungen in der Pflege in Mecklenburg-Vorpommern eignen, ist weiter zu diskutieren. Mit dem Blick auf die Pflegekammer verweise ich wiederum auf die Enquete. Ich zitiere aus den Handlungsempfehlungen, die letzten Freitag beschlossen wurden: „Zur Qualitätssicherung und Professionalisierung in der Pflege sowie um den Stellenwert der Pflege insgesamt zu heben und das Anliegen der Pflegenden in Öffentlichkeit und Politik stärker zu gewichten, sind die Voraussetzungen zur Einrichtung einer Pflegekammer für Mecklenburg-Vorpommern unter Beteiligung aller betroffenen Akteure durch das Land zu prüfen. Die Aufgaben einer Pflegekammer liegen unter anderem in der Erstellung einer Berufsordnung, der Sicherstellung einer sachgerechten Pflege nach aktuellen pflegerischen Erfordernissen, der Organisation der Fort-, Weiterbildung und Beratung sowie in der Entwicklung einer verbindlichen Berufsethik.“

Darüber hinaus müsste es uns interessieren, weshalb Beschäftigte aus dem stationären Bereich eine Pflegekammer deutlich stärker befürworten als diejenigen aus dem ambulanten Bereich. Und wenn methodisch nur 752 von 29.500 in der Pflege Beschäftigte befragt wurden, ist tatsächlich fraglich, ob das repräsentativ ist. Das Sozialministerium kündigte an, dass in der nächsten Legislatur darüber nachzudenken ist, eine Gesetzesinitiative zur Errichtung einer Pflegekammer zu starten. Dennoch möchte ich hier noch einmal ganz stark dafür plädieren, dass wir kein Pflegebürokratiemonster benötigen, sondern ganz dringend Pflegepersonal vor Ort.

Wir – die CDU – werden uns im Rahmen unserer Sommertour und in der sitzungsfreien Zeit weiter diesem wichtigen Thema widmen und Informationen sammeln. Aber auch über die Handlungsempfehlungen muss vor Ort mit allen Akteuren gesprochen werden. Wir nehmen dies gerne mit ins nächste Jahr. Einige ganz Fleißige haben ihre Meinung schon öffentlich gemacht. Ich denke, es werden weitere Stellungnahmen dazu folgen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Frau Friemann-Jennert.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Gajek für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Als ich die Sozialberichterstattung

gesehen habe, habe ich gedacht, mein Gott, das hat aber auch lange gedauert. Der Bericht ist dick, und viele Sachen, die da drinstehen, haben wir auch schon in der Enquetekommission erfahren. Leider werden bestimmte Dinge letztendlich nur manifestiert, nämlich der steigende Pflegebedarf. Und ja, wir sind Spitzenreiter. Wir sind Spitzenreiter beispielsweise in der vollstationären Pflege, die mit 97 Prozent bundesweit am höchsten ausgelastet ist. Auch bei der Pflegebedürftigkeit haben wir in Mecklenburg-Vorpommern mit 4,1 Prozent den höchsten Anteil. Das heißt, wir haben wachsende Bedarfe.

Meine Fraktion hat, wie Sie wissen, in den letzten drei Jahren bereits drei Anträge gestellt, einen auch zur Pflegekammer. Ich würde gern auf die Pflegekammer zu sprechen kommen.

Frau Stramm, es wundert mich ein bisschen, was Sie hier gesagt haben, gerade was die Ausrichtung einer Pflegekammer betrifft. Ich denke, dass sie sehr wichtig ist, denn das, was wir vom Kammerwesen gelernt haben, ist, glaube ich, dass ein Berufsstand dann eine größere Bedeutung bekommt. Darum geht es.