Werte nicht akzeptiert, darf sich nicht beschweren, wenn Sanktionen oder entsprechende Maßnahmen seitens der EU getroffen werden.
Aber ich sage es ganz deutlich, ich habe in dieser Le- gislaturperiode schon mehrfach den Untergang des Abendlandes hier erleben dürfen. Ich erinnere nur mal an die ganze Debatte um die Weltwirtschaftskrise. Wo haben wir Deutschland da gesehen, wo haben wir die Europäische Union gesehen und was ist letztendlich passiert? Deutschland wird zumindest aus europäischer Sicht als Sieger dieser Krise gewertet. Wir sind nach meinem Dafürhalten – und da kann man sehr unterschiedlicher Meinung sein – jedenfalls nicht geschwächt aus dieser Krise hervorgegangen. Deshalb: Auch wenn diese Aussage der Kanzlerin möglicherweise verpönt ist, ich glaube fest daran. Ich glaube fest an Europa und deshalb, denke ich, hat die Kanzlerin mit einer Aussage nach meinem Dafürhalten absolut recht. Na, was kommt jetzt?
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – „Kunst am Bau“ als Ausdrucksmerkmal der Baukultur in Mecklenburg-Vorpommern stärken, Drucksache 6/4025.
Unterrichtung durch die Landesregierung „Kunst am Bau“ als Ausdrucksmerkmal der Baukultur in Mecklenburg-Vorpommern stärken – Drucksache 6/4025 –
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kunst und Kultur ist das A und O der heutigen Landtagssitzung. Wir haben mit Kultur begonnen und wir enden heute auch mit Kultur. Wir haben diese Unterrichtung der Landesregierung auf die Tagesordnung setzen lassen, weil wir als Bündnisgrünen-Fraktion der Ansicht sind, dass die Landesregierung den erklärten Willen des Parlamentes zur Stärkung von Kunst am Bau nicht ausreichend aufgenommen hat. Und das würden wir gerne mit Ihnen heute besprechen.
Eine ähnliche Problematik werden wir auch morgen bei den Schulgirokonten diskutieren. Es geht nämlich um die Frage: Wie geht die Landesregierung eigentlich mit den Beschlüssen dieses Parlamentes um? Die Landesregierung hält dieses – immerhin von den Koalitionsfraktionen seinerzeit eingebrachte – Thema offenkundig für wenig bedeutsam. Das zeigt schon die fehlende Redelust eines Regierungsmitgliedes in der Aussprache jetzt, und das
zeigt auch die Antwort auf meine Kleine Anfrage zur Anzahl der Kunst-am-Bau-Projekte, die doch sehr ernüchternd ausfiel.
Meine Damen und Herren, vor genau zwei Jahren haben sich die demokratischen Fraktionen hier im Landtag einmütig für einen weiteren Ausbau der Kunst-am-BauFörderung ausgesprochen. SPD und CDU hatten seinerzeit einen entsprechenden Antrag eingebracht und damit eine Initiative des Landeskulturrates zumindest teilweise aufgegriffen. Es gab noch etwas Streit, ob das nicht auch eigentlich ein interfraktioneller Antrag hätte sein sollen, aber LINKE und GRÜNE haben ihn trotz aller Detailkritik mitgetragen.
In Punkt 1 des Antrages spricht sich der Landtag für die, Zitat, „konsequente Anwendung der Richtlinie für den Landesbau Mecklenburg-Vorpommern im Bereich ‚Kunst am Bau‘“ aus. Ich habe seinerzeit diese weichgespülte Formulierung kritisiert und auch gefragt, ob denn die Koalition davon ausgehe, dass das Land seine eigene Richtlinie etwa nicht befolgen könne.
Es gab darauf natürlich keine Antwort, aber ich habe mich trotzdem erkundigt, wie viele Hochbaumaßnahmen es in den letzten fünf Jahren dann eigentlich gab und bei wie vielen Baumaßnahmen Investitionen im Sinne von Kunst am Bau vorgenommen wurden. Und die Antwort: Seit 2010 gab es 378 Hochbaumaßnahmen des Landes mit einem Investitionsvolumen von 674 Millionen Euro.
Das zeigt – und eigentlich sollten Sie empört sein, denn es war der Antrag von SPD und CDU, den die Landesregierung hier nicht umsetzt –,
(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ich habe Kunst am Bau gemacht.)
das zeigt, von einer konsequenten Anwendung der Landesbaurichtlinie kann man wahrlich nicht sprechen. Bis zu 5 Prozent der Bausummen würden für Kunst am Bau ausgegeben, hieß es vor zwei Jahren von der Regierung. Theoretisch mag das möglich sein, insgesamt waren es in den letzten fünf Jahren aber nicht 5, sondern 0,04 Prozent, und das ist auch schon aufgerundet.
Was steht in der Landesbaurichtlinie zum Thema „Kunst am Bau“? Ich zitiere: „Bei Baumaßnahmen des Landes sollen Künstler beteiligt werden, soweit Zweck und Bedeutung der Baumaßnahmen dieses rechtfertigen.“ Wir sind uns einig, nicht bei jedem Trafohaus oder jeder Sanitäranlage muss auch eine Kunstbeteiligung erfolgen – wobei ich mir auch hier sehr schöne Projekte vorstellen kann –, aber wenn die Richtlinie so ausgelegt wird, dass nicht einmal jeder dreißigste Landesbau bedeutsam genug sein soll, um dabei auch Kunst am Bau zu realisieren, dann wird eine solche Vorschrift zu einem beliebig interpretierbaren freundlichen Hinweis.
Nicht bedeutsam waren demnach aus Sicht der Landesregierung zum Beispiel das Landgericht Rostock mit einer Investitionssumme von über 15 Millionen Euro, Baumaßnahmen bei der Rostocker Uniklinik von 30,5 Millionen Euro, der mit 13,8 Millionen Euro veranschlagte Neubau am Campus der Hochschule Wismar oder der Neubau der Universitätsbibliothek Greifswald für 21,6 Mil- lionen Euro.
Und warum die Unterbringung von Polizeidienststellen in Rostock/Waldeck bedeutsamer ist als die Unterbringung von Polizeidienststellen in Malchin für 2 Millionen Euro oder der 20 Millionen Euro teure Neubau der Notaufnahme am Uniklinikum Greifswald, das ist schwer nachzuvollziehen.
Die Landesregierung hat nur für einige wenige Bauten – allesamt wenn, dann teurer als 3 Millionen Euro – Kunstam-Bau-Maßnahmen ermöglicht. Dabei sieht die Landesbaurichtlinie Kunst am Bau ausdrücklich nicht nur für große Millionenbauten vor, sondern bereits ab einer Bausumme von 375.000 Euro. Und da finde ich es schon bedenklich, wenn Frau Polzin gegenüber der „OstseeZeitung“ erklärt, zweckmäßige Bauten wären die „Pflicht“, Kunst am Bau sei die „Kür“.
Wozu gibt es dann aber eine Landesbaurichtlinie, wenn das Land am Ende doch macht, was es will, und sich eben nicht an diese Richtlinie hält?
Das Land hat sich an seine eigenen Richtlinien zu halten oder diese Richtlinien eben zu ändern. Dann darf man sich aber nicht wie vor zwei Jahren hier im Landtag hinstellen und sich als Vorreiter von Kunst am Bau präsentieren. Und ich hätte hier gerne mal ein Wort von Frau Polzin gehört, wie sie es mit der Landesbaurichtlinie eigentlich hält. Damit gewinnt die Forderung der Koalition nach einer konsequenten Anwendung der Landesbaurichtlinie jedenfalls ungeahntes politisches Gewicht.
Nun hatte die Landesregierung ja noch den Auftrag, weitere Fördermöglichkeiten zu prüfen. Die Analyse dauerte insgesamt anderthalb Jahre und war der Landesregierung dann doch insgesamt anderthalb Seiten wert. Sie gipfelt in der bemerkenswerten Erkenntnis, ich zitiere: „Diese Analyse hat ergeben, dass für den Bauherrn als Zuwendungsempfänger in erster Linie die Funktionalität des Gebäudes von Bedeutung ist und wenig Bereitschaft dazu besteht, den Kostenrahmen über das zur Herstellung dieser Funktionalität erforderliche Maß hinaus auszudehnen.“ Ich glaube, dieses Ergebnis hätten Sie alle schon vor zwei Jahren vorhersagen können.
Die einzige halbwegs konkrete Aussage in der Unter- richtung ist, dass das Land künftig bei geförderten Projekten in wenigen Ausnahmefällen eine entsprechende Auflage für Kunst am Bau im Zuwendungsbescheid erteilen will. Immerhin, aber insgesamt ist es dann doch etwas dünn.
Meine Damen und Herren, alle demokratischen Fraktionen haben vor zwei Jahren die Bedeutung von Kunst am Bau für die Baukultur in Mecklenburg-Vorpommern hervorgehoben. Kunstwerke in den Gebäuden beziehungsweise in ihrem Umfeld bereichern die Lebensräume, durchbrechen häufig das Grau der bloßen Funktionalität und vor allem sind sie ein wichtiges Instrument der Kulturförderung. Angesichts einer Förderquote von 0,04 Pro- zent können wir jedoch nicht von einer guten Ausstattung der Kunst-am-Bau-Förderung in Mecklenburg-Vorpom- mern sprechen. Eine erste schnelle Verbesserung wäre gar nicht schwierig. Sie müssten einfach beginnen, die Landesbaurichtlinie konsequent umzusetzen.
(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Udo Pastörs, NPD: Es geht ja nur um Geld. Es geht ja nur um Geld.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß ja, dass das der letzte Tagesordnungspunkt hier heute Abend ist, den wir gemeinsam absolvieren möchten, dass wir uns der Debatte zur Unterrichtung „Kunst am Bau“ widmen. Ich glaube, dass die Baukultur ein zu wichtiges Thema ist, als dass wir das in einem allgemeinen Murmelteppich untergehen lassen sollten, und ich würde Sie herzlich darum bitten, bei den künftigen vier Beiträgen noch Ihre Aufmerksamkeit dem Redner zu schenken.