Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

und darum muss es gehen.

(Zuruf von Julian Barlen, SPD)

Wir selber, ich hatte es angekündigt, kommen zu einer anderen Überlegung und zu einer andern Einschätzung als Sie, Herr Barlen, und Frau Ministerin vorgetragen haben. Das, was Sie derzeit rechtfertigen, halten wir für eine kapitale Fehlentscheidung. Für eine kapitale Fehlentscheidung ist es an der Stelle unerheblich, wie viele und wie lange dort daran gesessen haben. Ich will das an vier Punkten deutlich machen:

Erstens fußt aus unserer Sicht die Entscheidung auf äußerst fragwürdigen Analysen.

Zweitens stellt die Entscheidung auf geradezu falsche Prognosen ab.

(Torsten Renz, CDU: Oooch! – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens ist sie reinweg ökonomisch motiviert. Einhergehend mit dieser ökonomischen Motivation nehmen Sie sogar einen Einschnitt in das Leistungsspektrum der medizinischen Versorgung in dieser Region in Kauf – ich werde das nachher noch einmal begründen – und Sie stellen mit dieser Entscheidung uns insgesamt, also die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, vor unerhörte Folgekosten.

Zum ersten Punkt, zu den Analysen, die wir für fragwürdig halten, und den Daten, die tendenziös ausgelegt werden: Hier ist es vorhin schon mal gesagt worden, wir haben das in den Dokumenten im Sozialausschuss gehabt, im Protokoll der 82. Sitzung, wir haben das in Presseerklärungen gehabt und auch bei der letzten Debatte im Dezember vergangenes Jahres – immer dieser seltsame Bettenvergleich, sprich, es gäbe dort am Standort eine höhere Bettendichte als andernorts. Das mag ja sein. Wenn jetzt aber die Umstrukturierung vorgenommen wurde, stellt sich die Frage, ob diese Bettenrelation eine andere wäre. Ist sie nicht. Also dieser Punkt kann schon mal als Begründung nicht herangezogen werden. Es kommt nur zu einer Verlagerung der Betten von einem Standort auf den anderen, grob gesehen. Darüber hinaus ist eine Betrachtung der Bettenrelation ziemlich unsinnig. Man hätte auch die Leuchtstoffröhren zählen können, die Zimmer und die Türklinken. Das will ich Ihnen sagen.

(Ministerin Birgit Hesse: Das gehört aber zur Krankenhausplanung. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das Sachliche ist – das hat in der Ausschusssitzung eine Rolle gespielt, aber nur in einem Moment –, das Sachliche ist die Fallzahlrelation, und zwar die Frage: Wie entwickeln sich die Fallzahlen, wie ist die Situation in den einzelnen Bereichen?

(Der Abgeordnete Jörg Heydorn bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Ich würde ganz gerne zuerst einmal zu Ende argumentieren. Wenn dann noch Zeit ist, würde ich gern darauf eingehen.

Herr Abgeordneter Koplin, ich wollte gerade die Frage stellen, ob Sie diese Anfrage zulassen.

Jetzt nicht.

Nicht.

Frau Präsidentin, zunächst möchte ich ausführen und meine Ausführungen auch in einen Zusammenhang stellen.

Gut. Überlassen Sie mir aber bitte das Agieren. Darum ging es.

Alles klar. Ich bin so aufgeregt. Entschuldigung!

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Minister Dr. Till Backhaus: Oooch!)

Ja, bin ich auch. Das ist doch normal. Es ist doch ein ganz ernsthaftes, wichtiges Thema.

Also weg von diesen Betten. Wie sieht es denn mit der Fallzahlentwicklung aus? Ich habe jetzt nicht darauf geschaut, was das Krankenhaus geliefert hat und was in den Qualitätsberichten des Krankenhauses steht. Das sind testierte und anerkannte Berichte. Da habe ich mir nicht einfach so das letzte Jahr angeschaut, sondern die lange Zeitreihe von 2006 bis 2012. Das ist der letzte vorliegende Bericht. Und siehe da, in der Kinderheilkunde haben wir es 2006 mit 1.207 Fällen zu tun und im Jahre 2012 mit 1.200 Fällen trotz höherer Ambulantisierung. Die Ambulantisierung nimmt zu, wie wir wissen.

In der Gynäkologie und auf der Geburtenstation insgesamt sieht die Fallzahlentwicklung so aus: 2010 1.029, 2012 1.040, steigend in der letzten Periode, die in Betracht kommt, womit wir bei den Prognosen wären. Ich halte die Zahlen in den Prognosen, so, wie sie uns – in Anführungsstrichen – aufgetischt werden, für falsch.

Herr Barlen, ich glaube Sie hatten sich in den Medien geäußert, es gebe zukünftig weniger Kinder dort. Auch im Protokoll des Sozialausschusses heißt es, die Zielgruppe würde kleiner. Mitnichten. Ich sage Ihnen mal die Zahlen: 2006 24.356 Kinder in der Versorgungsregion, 2008 24.761, 2010 25.610, 2012 27.639, 2014 28.084 Kinder, Tendenz steigend, erfreulicherweise.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, 1,48.)

Das ist ein Plus von 15,3 Prozent.

Diese Kinder, die seit 2006 heranwachsen, die jetzt aufwachsen, werden in der Zahl und im Alter diejenigen sein, die kurzfristig, gar mittelfristig für Mehrbedarf gerade auf dieser Station in der Region sorgen.

(Torsten Renz, CDU: Wenn sie in der Region bleiben.)

Wenn sie in der Region bleiben würden, natürlich, das setze ich voraus. Dafür kämpfen wir doch alle

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Mit zweifelhaftem Erfolg.)

und die Zahlen belegen das auch.

Es ist, was die Prognosen betrifft, auch nicht korrekt, wenn man sich die geografische Lage anschaut. Es wird immer gesagt, na ja, es ist alles in den beiden Standorten in Betracht gekommen. So kann es irgendwie nicht sein, denn wenn man sich das mal anschaut: von Peenemünde nach Anklam 51 Kilometer, Peenemünde–Wolgast 20 Kilometer, Anklam–Pasewalk – weil das ja auch noch eine Betrachtungsebene wäre – 51 Kilometer, Anklam– Wolgast 31 Kilometer, Heringsdorf–Wolgast 32 Kilometer, Heringsdorf–Greifswald 63 Kilometer. Man kann es drehen und wenden, wie man will, über den Standortfaktor, geografisch gesehen, kommt man auch nicht zu dem Punkt, wo das gerechtfertigt wäre.

Ein dritter Punkt, den ich ansprechen möchte, sind die Neuordnung, die rein ökonomisch motoviert ist, und die Tatsache, dass sie ins Leistungsspektrum einschneiden. Zum einen ist festzustellen, dass die Wirtschaftlichkeit das Hauptmotiv war, hier eine Veränderung herbeizuführen. Das ergibt sich aus Seite 18 des Protokolls der 82. Sitzung des Sozialausschusses, was ich schon mehrfach erwähnt habe. Das ergibt sich auch daraus, dass festgestellt wurde, dass man mindestens 1.500 Fälle in der Pädiatrie haben müsste, um dort eine Wirtschaftlichkeit zu erzielen. Da frage ich mich: Wo kommt diese Zahl her? Wo ist die zu finden? Ist das eine Aussage, die mit Qualität einhergeht? Ist das eine Aussage des gemeinsamen Bundesausschusses oder des Bankberaters der Hausbank des Krankenhauses? Ich weiß es nicht. Es ist auch nicht begründet worden, dass es hier einen …

(Ministerin Birgit Hesse: Im Krankenhausplan, natürlich, im Krankenhausplan!)

Ein Krankenhausplan ist eine Planung und keine Betrachtung einer tatsächlichen Situation.

(Jörg Heydorn, SPD: Was? Was war das denn gerade? – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Was die Wirtschaftlichkeit betrifft: Eine Hebamme hat – Frau Gajek wird es bestätigen können – vorher in Wolgast gearbeitet und arbeitet jetzt an einem anderen Standort in der Altenbetreuung. Der Unterschied ist aber ein finanzieller in der Geriatrie.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Unterschied ist nur, weniger Vergütung, und das scheint mir der Punkt zu sein.

Was die ökonomische Motivation betrifft, so finde ich, das muss ich ganz ehrlich sagen, das ist ein Hammer, denn mit der Schließung der Kinderheilkunde wurde eine wichtige Spezialisierung, nämlich die Behandlung von Harnleiter- und Nierenerkrankungen bei Kindern, eingestellt. Nun habe ich mich mal dafür interessiert, ob diese Versorgungsform woanders wieder auftaucht. Wo können die Eltern mit den Kindern hin? Die können nicht nach Greifswald. Die können nicht nach Anklam. Die können nicht nach Pasewalk und nach Greifswald auch nicht. Im Grunde genommen werden die in der Region nicht mehr versorgt. Sollen die zur Charité? Sollen die nach Hamburg? Ist das mal in Betracht gezogen geworden von dieser mehrfach angesprochenen Expertenrunde?

Was die letzte Frage betrifft, will ich gern noch etwas sagen zu den Folgekosten. Mir ist ein Antrag des Krankenhausträgers an die Hand gekommen, der im Zusammenhang mit dem Krankenhausstrukturgesetz nun mehr Mittel begehrt.

(Der Abgeordnete Jörg Heydorn spricht an der Regierungsbank mit Ministerin Birgit Hesse.)

Ich lasse keine Gespräche an der Regierungsbank zu. Herr Abgeordneter Heydorn, ich möchte Sie bitten, sich hinzusetzen.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – Wolfgang Waldmüller, CDU: Wo steht denn das? – Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)

Bitte, Sie können fortfahren, Herr Abgeordneter.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht können Sie das nebenbei noch klären. Das scheint ja eine sehr wichtige Frage zu sein.

(Der Abgeordnete Heinz Müller tritt an das Präsidium heran. – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Es stört den Redner. – Peter Ritter, DIE LINKE: Können wir bitte die Sitzung unterbrechen und das klären im Ältestenrat, oder was machen wir hier? – Torsten Renz, CDU: Die Zeit läuft.)

Die SPD-Fraktion hat eine Unterbrechung beantragt und der Ältestenrat trifft sich. Wir unterbrechen die Sitzung für zehn Minuten.

Unterbrechung: 16.46 Uhr

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Wiederbeginn: 17.05 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.