Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bitte

ein Stück weit um Verständnis, denn heute präsentieren wir beziehungsweise ich Ihnen 4 Gesetze. Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr intensiv daran gearbeitet, unsere Liste abzuarbeiten. Insgesamt sind es nun 14 und wir sind jetzt quasi in der Endphase. Insofern bitte ich um Verständnis, dass ich heute 4 Gesetzentwürfe einbringe.

Das Gesetz, um das es jetzt geht, ist eines, mit dem glücklicherweise die wenigsten Menschen in der Praxis in Berührung kommen. Für die, die es betrifft, hat es aber eine umso größere Bedeutung: das Psychischkrankengesetz, kurz PsychKG. Ganz allgemein gesprochen regelt dieses Gesetz die Hilfen und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Krankheiten und die Unterbringung von psychisch erkrankten Straftätern im Maßregelvollzug.

Das derzeit geltende Gesetz tut schon eine Weile seinen Dienst. Es geht auf die frühen 90er-Jahre zurück und ist seit dem Jahr 2000 nahezu unverändert geblieben. Aber die Rechtsprechung bleibt nicht unverändert, sondern entwickelt sich weiter. Insofern hat es in den vergangenen Jahren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs gegeben, die zentrale Punkte der gesetzlichen Rahmengebung berühren: zum einen die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Privatisierung des Maßregelvollzugs zulässig ist, und zum anderen, wann eine ärztliche Behandlung gegen den Willen des Betroffenen vorgenommen werden darf. Der vorliegende Entwurf des Psychischkrankengesetzes greift diese Veränderungen auf und setzt sie für das Land um. Die wesentlichen Neuerungen finden Sie daher auch in den entsprechenden Passagen in den Paragrafen 12 und 38 für die Beleihung und im Paragrafen 26 für die ärztliche Zwangsmaßnahme.

Gerade im Hinblick auf die ärztliche Zwangsmaßnahme bringt diese Novelle auch einen Paradigmenwechsel. Die psychisch Erkrankten werden aus ihrer Objektrolle herausgeholt und haben nun einen aktiven Part in der Behandlung. Das heißt, sie werden in den Therapieprozess mit einbezogen und es wird versucht, die notwendige ärztliche Behandlung so an sie heranzutragen, dass sie mit ihrem Einverständnis und nicht unter Zwang stattfinden kann. Sollten diese Bemühungen scheitern, entscheidet über die weitere Behandlung ein Gericht. Das schützt zum einen die Rechte der Betroffenen und etabliert zum anderen ein Verfahren, das hohen rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt.

Die Rechte und die Würde des psychisch Kranken zu wahren – dieses Motiv zieht sich wie ein roter Faden durch die neu gefassten Normen. So sollen etwa die Betroffenen künftig über alle Entscheidungen und Anordnungen, die mit ihrer Unterbringung zu tun haben, unverzüglich informiert werden. Und nicht nur das, besagte Entscheidungen müssen ihnen auch verständlich erläutert werden und sind parallel in den Krankenakten zu vermerken und zu begründen. Um daneben ein hohes medizinisches Niveau zu gewährleisten, dürfen Maßnahmen, die die Grundrechte des oder der Einzelnen berühren, grundsätzlich nur von Ärztinnen und Ärzten angeordnet und durchgeführt werden. Damit die Betroffenen oder im Streitfall auch die Gerichte die Behandlungsschritte nachvollziehen können, führt die Novelle zudem weitgehende Dokumentations-, Begründungs- und Überwachungspflichten ein. Wir setzen damit auf höhere Standards und vor allem darauf, die Akzeptanz der Behandlung bei den Betroffenen selbst zu steigern.

Dieses Gesetz ist ein modernes Gesetz, auch weil es eine einheitliche Rechtsanwendung verfolgt und sich deshalb an anderen Landesgesetzen orientiert. Modern ist es auch in seinen fachlichen Aspekten, von denen ich einige stichwortartig aufgreifen will.

Erstens. Die Legaldefinition von Menschen mit psychischen Krankheiten wurde aktualisiert und den derzeitigen wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnissen angepasst.

Zweitens. Im Gesetz sind ein Qualitätsmanagement und ein Therapiekonzept verankert, um die ärztlichen Standards hochzuhalten.

Und drittens. Die Hilfen sind im Interesse der Betroffenen besser strukturiert und detaillierter erfasst.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, dieser Entwurf macht aus einem bewährten Gesetz ein zeitgemäßes, das den Menschen, um die es geht, eine aktive Rolle zubilligt. Deshalb bin ich mir sicher, dass wir mit dieser Novelle einen wichtigen Schritt auf dem richtigen Weg machen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Im Ältestenrat ist ebenfalls vereinbart worden, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 6/5185 zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss und zur Mitberatung an den Innen- und an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze zur Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU der Europäischen Union, auf Drucksache 6/5186.

Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze zur Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU der Europäischen Union (Erste Lesung) – Drucksache 6/5186 –

Das Wort zur Einbringung hat der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Mathias Brodkorb.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Im Winter 2012 hat sich der Landtag mit einem Gesetz befasst, das den etwas holprig klingenden Namen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz trägt, kurz BQFG. Mit diesem Gesetz kam der Landtag damals einem Auftrag des Europäischen Parlamentes und des Rates nach, die

Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen in Landesrecht umzusetzen.

Für die Ihnen nunmehr vorgelegte Änderung des BQFG ist wieder ein Auftrag des Europäischen Parlamentes und des Rates ursächlich, nämlich die Richtlinie 2013/55/EU, mit der die vorangegangene Richtlinie über die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen novelliert worden ist. Es geht an dieser Stelle also erneut darum, Vorgaben der Europäischen Union in Landesrecht umzusetzen.

Ich möchte daher hierzu nicht allzu viele Worte verlieren, aber Folgendes sagen: Wie Ihnen vielleicht aufgefallen sein dürfte, hätte die betreffende Richtlinie bereits bis zum 18. Januar 2016 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Um Ihre Frage, warum die Landesregierung die Umsetzung der Richtlinie nicht fristgerecht auf den Weg gebracht hat, möglicherweise vorwegzunehmen und sie auch gleich zu beantworten, nur so viel: Die Landesregierung wollte zum einen ihrem Anspruch auf Gründlichkeit und Vollständigkeit gerecht werden, zum anderen wollte sie den Empfehlungen und Entscheidungen der Kultusministerkonferenz nicht vorgreifen.

So hat nämlich auf Ebene der Kultusministerkonferenz eine Arbeitsgruppe im Auftrag der Ministerpräsidentenkonferenz und unter Beteiligung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung einen Mustergesetzentwurf zur Änderung der Berufsqualifikationsgesetze der Länder erarbeitet und schließlich noch ergänzt. Diesen Mustergesetzentwurf galt es abzuwarten, um eine in Deutschland einheitliche Umsetzung der europäischen Vorgaben sicherzustellen, denn andernfalls würden wir im Bereich des Föderalismus die Dinge noch weiter verkomplizieren.

Der Empfehlung der Arbeitsgruppe folgend hat die Landesregierung den Mustergesetzentwurf dem Verfahren zur Novellierung des landeseigenen BQFG zugrunde gelegt. Mit diesem Änderungsgesetz sollen die entsprechenden Mustervorgaben dann in die Wirklichkeit übersetzt werden. – Ich danke Ihnen in diesem Zusammenhang sehr für Ihre ausgreifende und interessierte Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Im Ältestenrat ist ebenfalls vereinbart worden, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 6/5186 zur federführenden Beratung an den Bildungsausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, an den Finanzausschuss und an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion der SPD, der CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und Enthaltung der Fraktion der NPD angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf

eines Gesetzes zur Ausführung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes und zur Änderung des Landespersonenstandsausführungsgesetzes, auf Drucksache 6/5187.

Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes und zur Änderung des Landespersonen- standsausführungsgesetzes (Erste Lesung) – Drucksache 6/5187

Das Wort zur Einbringung hat die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Birgit Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Bekommt eine Frau die Bestätigung, dass sie schwanger ist, hat sie oft zuallererst viele Fragen, auch viele Ängste. Der Partner, die Familie und die Freunde sind meist die ersten Anlaufstellen, um sich Rat und Unterstützung zu holen, um Freude zu teilen oder auch Nöte. Wenn dieses persönliche Netzwerk aber nicht ausreicht, um alle Fragen zu beantworten oder Entscheidungen zu treffen, dann gibt es ein professionelles Netzwerk, das hier in Mecklenburg-Vorpommern seit mehr als 20 Jahren Frauen und Männern mit spezialisierter und qualifizierter Beratung zur Seite steht. Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese wertvolle Arbeit ausführen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Der Gesetzentwurf, der vor Ihnen liegt, verankert diese fachliche Beratung, die Bedingungen, unter denen sie stattfindet, und ihre Förderung nun erstmals gesetzlich. Oder um es klarer zu formulieren: Die Schwangerschaftsberatung und die Schwangerschaftskonfliktberatung sind erstmalig eindeutig landesgesetzlich geregelt. Das ist aus meiner Sicht eine echte Verbesserung. Es gibt den sogenannten Sicherstellungsauftrag, der auch von Mecklenburg-Vorpommern fordert, ein ausreichend dichtes Netz von Beratungsstellen der allgemeinen Schwangerschaftsberatung und der Schwangerschaftskonfliktberatung vorzuhalten, das heißt, mindestens eine Beraterin beziehungsweise einen Berater je 40.000 Einwohner.

Hinzu kommt, dass die entstehenden Personal- und Sachkosten in angemessener Höhe öffentlich zu fördern sind. Diese Pflichten ergeben sich für uns als Land auch durch die Bundesgesetzgebung. In unserem Entwurf eines Ausführungsgesetzes gestalten wir diese Pflichten für Mecklenburg-Vorpommern aus. Lassen Sie mich kurz einige Punkte dieser Ausgestaltung nennen.

Erstens. Wir definieren Kriterien für die Arbeit der Beratungsstellen und regeln danach den Umfang der Landesförderung.

Zweitens. Wir benennen Versorgungsgebiete, die maßgeblich sind, um die wohnortnahe Beratung zu gewährleisten, und überprüfen, ob der Versorgungsschlüssel dort eingehalten wird. Um die Pluralität zu gewährleisten, muss es innerhalb eines Versorgungsgebietes mindestens zwei Beratungsstellen mit unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung geben.

Drittens. Die Förderung beträgt mindestens 80 Prozent

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau, das ist nicht gut.)

bei den notwendigen Personalkosten pro Vollzeitstelle und 80 Prozent bei den Sachkosten.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und woher kommen die 20 Prozent?)

Meine Damen und Herren, Frau Gajek merkte es bereits an,

(Heiterkeit bei Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

im Zuge der Verbandsanhörung hat die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege die Sorge formuliert, die Förderung in Höhe von mindestens 80 Prozent bei den Personalkosten bedeutet eine Absenkung der bisherigen Förderung.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Ich nehme diese Sorgen sehr ernst und kann Ihnen versichern, dass wir keineswegs weniger Geld für die entsprechende Förderung im Haushalt angesetzt haben,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Trotzdem müssen die 20 Prozent irgendwo herkommen.)

im Gegenteil, schließlich wissen wir um den Wert der engagierten und komplexen Beratungsleistung, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tagtäglich erbringen.

In der vergangenen Woche habe ich die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle der Diakonie in Rostock besucht. Das Gespräch mit den Mitarbeiterinnen hat wieder deutlich gemacht, wie vielschichtig die Beratung ist und sein muss, die den Ratsuchenden dort zuteilwird. Die Förderhöhe von mindestens 80 Prozent bei den Personal- und Sachkosten ergibt sich aus der Festlegung des Bundesverwaltungsgerichts und der Zusatz „mindestens“, den Sie ja im Gesetzentwurf finden, lässt bewusst eine Öffnung. Diese Öffnung werden wir in der Förderverordnung näher definieren. In der Folge wird die Förderung nicht abgesenkt werden, aber an Qualitätsstandards geknüpft, also etwa daran, ob eine Beratungsstelle zusätzliche Leistungen wie Beratungen zur Kinderwunschbehandlung oder zur vertraulichen Geburt anbietet. Dann ist auch eine Personalkostenförderung von bis zu 90 Prozent weiter möglich.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gilt das auch überall, auch in den ländlichen Räumen?)