Unser Gesetz nimmt die oberste Führungsriege und alle anderen Vorgesetzten in die Verantwortung. Sie sind zuständig für die tatsächliche Umsetzung. Es ist nicht treffsicher, generell nach geschlechterspezifischer Statistik zu rufen. Das produziert mehr Bürokratie als Aussagekraft.
Es geht darum, dort, wo es wichtig ist, Daten getrennt nach Frauen und Männern zu erheben. Es geht an den Ursachen vorbei, das Landeswahlgesetz paritätisch ausrichten zu wollen.
Die Gründe, die Frauen von politischen Ämtern fernhalten, liegen in der Praxis, in der Art und Weise, wie Politik vor Ort funktioniert. Da müssen wir ran. Und genau das tun wir, indem wir eine Studie der Uni Rostock zur Gewinnung von Frauen für politische Mandate im Land und in den Kommunen umsetzen. Das haben wir auch zum Thema unserer diesjährigen Frauentagsveranstaltung gemacht. Einige von Ihnen waren zugegen.
Ich könnte jetzt noch diverse Punkte Ihres Entwurfes aufgreifen – das Vergaberecht, die Einbeziehung der kommunalen Ebene, die Wiederbelebung von Paragraf 9 –, die Grundaussage bliebe und bleibt dieselbe: Ihr Änderungsgesetz wird vom Entwurf der Landesregierung da überholt, wo die Lebenswirklichkeit es nicht schon getan hat.
Meine Damen und Herren, ich betone noch einmal: Die Grundlage dafür, dass wir auf den Feldern „Gleichstellung“ und „Vereinbarkeit“ weiter vorankommen, ist dieser Gesetzentwurf, den die Landesregierung Ihnen heute vorlegt. Er hebt die entsprechenden Bedingungen und Instrumente in der Arbeitswelt der Landesverwaltung auf ein zeitgemäßes Niveau,
ein Niveau, das unserem politischen Willen entspricht, ein Niveau, das mehr vom Potenzial unserer Beschäftigten freisetzen wird, ein Niveau, das auch die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern zur Nachahmung anreizt.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin sehr stolz auf meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass sie diesen Gesetzentwurf so vorlegen konnten und ich Ihnen diesen heute auch so darlegen kann. Ich bin gespannt auf die folgenden Redner.
Das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE hat der Abgeordnete Herr Ritter für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ähnlich wie die Sozialministerin möchte ich zu Beginn meiner Rede auch einen alten Sozialdemokraten bemühen. Allerdings ist der, den
ich zitieren möchte, noch etwas älter, nämlich August Bebel. August Bebel hat festgestellt: „Es gibt keine Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter.“ Zitatende.
Sicherlich kannte Bebel noch nicht den öffentlichen Dienst in unserem Land, so, wie wir ihn kennen. Wenn er ihn aber gekannt hätte, würde er sagen, dass die vorgelegte Gesetzesnovelle der Landesregierung mit seinem Anspruch nicht in Einklang zu bringen ist, denn dieser Gesetzentwurf richtet sich nur an einen kleinen Teil der weiblichen Bevölkerung in unserem Bundesland.
Gestern haben wir gemeinsam den 8. März mit vielfältigen Veranstaltungen gefeiert. Am 19. März, liebe Kollegin Gajek, ist der Equal Pay Day, der als Aktionstag für den Kampf um die gleiche Entlohnung für die gleiche und gleichwertige Arbeit steht. Da wundert es nicht, dass auch die Landesregierung ihren Gesetzentwurf für ein Gleichstellungsreformgesetz in diesem Monat vorlegt. Allerdings gibt es hier ähnlich wie beim Equal Pay Day eine Lücke, und zwar von vier Jahren, zwischen dem Vorhaben der Landesregierung, es vorzulegen, und der tatsächlichen Fertigstellung.
Nun hat Frau Ministerin Hesse vorhin erwähnt, dass sie in den letzten zwei Jahren fleißig gearbeitet hat und wir dafür Verständnis haben mögen, dass sie heute vier Gesetzentwürfe vorlegt. Wenn man bösartig wäre, könnte man denken, in den beiden Jahren zuvor wurde nicht fleißig gearbeitet. Das will ich nicht unterstellen,
ich möchte an dieser Stelle recht herzlich Frau Schwesig und allen anderen Frauen, die gestern Mütter geworden sind, zur Geburt ihrer Kinder gratulieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte es aber die beschriebene Zeitspanne gebraucht, um eine riesige Innovation für das Land herbeizuführen, mit der die Gleichstellung in Mecklenburg-Vorpommern einen Mammutschritt vorankommt, einem Paukenschlag gleichkommt oder einen ordentlichen Schub erhält, dann wäre diese Zeitspanne eventuell gerechtfertigt gewesen. Aber es ist
und bleibt nach wie vor ein Gesetz für den öffentlichen Dienst und hat nur wenig Ausstrahlungskraft auf weitere gesellschaftliche Bereiche. Wie das mit der Ausstrahlungskraft auf weitere gesellschaftliche Bereiche gehen kann, haben wir bereits in unserem Gesetzentwurf aus dem Jahr 2012 aufgezeigt. Die Vorschläge wurden damals abgelehnt mit dem Argument, die Landesregierung wäre ja schon mit einem eigenen Gesetzentwurf dabei, der heute das Parlament erreicht.
In dem nun vorliegenden Entwurf der Landesregierung sind Änderungen weiterer Gesetze aber nicht vorgesehen, also bringen wir unseren Gesetzentwurf neu und überarbeitet ein und bitten darum – und bitten! –, dass auch unser Gesetzentwurf in die Ausschüsse überwiesen wird,
Mit unserer Novelle des Gesetzes zur Gleichstellung von Frau und Mann im öffentlichen Dienst und anderer Gesetze soll ein wesentlicher Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Mecklenburg-Vorpommern geleistet werden. Mit dem Entwurf sollen neben dem Gleichstellungsgesetz auch das Landesstatistikgesetz, das Landes- und Kommunalwahlgesetz sowie das Vergabegesetz novelliert werden. Wir wollen ein Gleichstellungsgesetz, das über den öffentlichen Dienst dieses Landes hinausgeht und die Gleichstellung in der gesamten Gesellschaft voranbringt.
Wie das geht, haben wir in unserem Gesetzentwurf vorgelegt. Wir brauchen für Mecklenburg-Vorpommern eine kontinuierliche geschlechterdifferenzierte statistische Da- tenerhebung und Auswertung. Nur so erlangen wir ein realistisches Abbild der sozialen Realität.
Das erreichen wir über eine Änderung des Statistikgesetzes. Der Frauenanteil in den Parlamenten muss endlich so hoch sein, dass er dem Anteil der Bevölkerung entspricht. Bloße Lippenbekenntnisse reichen nicht aus.
Auch wenn die Studie, die jüngst vorgestellt worden ist, wertvolle Hinweise gibt, blendet sie einen Punkt aus, warum sich Frauen zum Beispiel auf der kommunalen Ebene nicht stärker engagieren. Wenn Frauen beispielsweise im Hartz-IV-Bezug sind und ein kommunales Mandat ausüben, wird das Sitzungsgeld auf Hartz IV angerechnet. Das soll motivieren, sich auf der kommunalen Ebene politisch zu beteiligen? Ich wage es zu bezweifeln.
Um tatsächlich etwas zu ändern, muss das Landes- und Kommunalwahlgesetz dahin gehend geändert werden, dass Wahllisten geschlechterparitätisch besetzt werden. Auch das ist in unserem Gesetzentwurf vorgesehen. Da bin ich mal gespannt, wie die noch ausstehenden Landeslisten der einzelnen Parteien dann aussehen werden. Einzelne Parteien haben ja ihre Landeslisten zur Landtagswahl schon aufgestellt:
fifty-fifty bei LINKEN und GRÜNEN, ich glaube, unter den ersten 15 bei der CDU 3 Frauen, bei der AfD unter den ersten 35 3 Frauen. Ich bin auf die Liste der SPD gespannt, ob es da einen wesentlichen Impuls gibt für mehr Frauen in der SPD-Fraktion hier im Landtag.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Landesvergabegesetz können soziale Kriterien zur Förderung der Gleichstellung in der Privatwirtschaft sowie Entgeltgleichheit verankert werden. So können wir auch über die Landesverwaltung hinaus Einfluss üben, um mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Erst mit einer Verankerung dieser Grundsätze über die Auftragsvergabe an die Privatwirtschaft wird das Gleichstellungsgesetz tatsächlich wegweisend für die Chancengleichheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Neu in unserem Gesetzentwurf ist auch die Aufnahme und explizite Formulierung von Gleichstellungsgrundsätzen sowie der Gleichstellungsverpflichtung. Das kann man hier so lapidar abtun, als ob wir nur neue Namen erfunden haben, es wird aber dem Ansinnen nicht gerecht. Darin wird verankert, dass Frauen und Männer wegen ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität und des familiären oder lebenspartnerschaftlichen Standes nicht diskriminiert werden dürfen. Damit sollen Vorbehalte gegenüber bestimmten familiären oder lebenspartnerschaftlichen Modellen ausgeräumt und insgesamt das Umdenken in der Gesellschaft befördert werden, denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, Familie bedeutet heute viel mehr als die im rechtlichen Status der Ehe verankerte Mutter-Vater-Kind-Konstellation. Das Familienmodell hat sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich verändert. Die Gesetzesnovelle der Landesregierung nimmt darauf keinen Bezug, aber unser Gesetzentwurf.
Anstelle eines Frauenförderplanes ist zukünftig in jeder Dienststelle im Sinne des Gesetzes ein Gleichstellungsplan zu erstellen. Damit soll der Blick für den gesamten Prozess der Doppelstrategie Gender-Mainstreaming
geschärft werden. Gleichstellung betrifft Frauen und Männer, beide Geschlechter müssen bei dem Prozess mitgedacht werden, beide Geschlechter sollen bei der Verwirklichung des Ziels der Gleichstellung mitwirken, sich angesprochen und verantwortlich fühlen. Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu gehört auch, dass Männer das Recht haben müssen, die Gleichstellungsbeauftragte in der Landesverwaltung zu wählen, und dazu gehört auch, dass Männer als Gleichstellungsbeauftragte wählbar sein können. Das kann ich Ihnen als gewählter gleichstellungspolitischer Sprecher meiner Fraktion guten Gewissens sagen, denn ich nehme meine Aufgabe sehr ernst. Warum dieses in der Landesverwaltung nun geändert werden soll, erschließt sich mir überhaupt nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gerade einmal 98 Jahre her, dass Frauen in Deutschland endlich das Wahlrecht bekamen. Sie haben es sich unter teilweise unglaublichen Entbehrungen hart erkämpft. Nun soll mit der Gleichstellungsgesetznovelle für den öffentlichen Dienst umgekehrt den Männern das Wahlrecht abgesprochen werden, wenn es um die Gleichstellungsbeauftragten in der Landesverwaltung geht. Was hat das mit Gleichstellungspolitik zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen? Gar nichts! Das ist nach Auffassung meiner Fraktion ein Rückschritt, denn Gleichstellung geht alle an.
Eine zentrale Aufgabe bei der Erstellung der Gleich- stellungspläne bleibt weiterhin, die Unterrepräsentanz von Frauen in Funktionen mit Vorgesetzen- und Leitungsaufgaben zielgerichtet abzubauen. Die Kriterien zum Auswahlverfahren bei Ausbildung, Einstellung, Beförderung werden in unserem Gesetzentwurf deutlich ausgeweitet, um Diskriminierungen entgegenzuwirken und Frauen in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, gezielt zu fördern. Um die geschlechterparitätische Besetzung von Gremien auch langfristig zu sichern, muss sie per Gesetz geregelt werden. Die bisherige Bestimmung zur Besetzung der Gremien und Entsendung von Vertreterinnen und Vertretern in Aufsichtsräte und andere Gremien außerhalb der Verwaltung wird mit dem Gesetzentwurf ausgeweitet und verbindlicher geregelt.
Der Bericht zur Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes soll dem Landtag künftig in der Mitte einer Legislaturperiode vorgelegt werden. Damit soll gewährleistet werden, dass dem Parlament ausreichend Zeit zur Beratung und Kontrolle der Umsetzung des Gesetzes zur Verfügung steht, was wir uns auch bei der Gesetzesnovelle gewünscht hätten.
Auch die Vorschrift zur Anwendung der geschlechtergerechten Sprache in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Landes Mecklenburg-Vorpommern und im Dienstverkehr ist in unserem Entwurf neu geregelt. Bislang wird die Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache in Mecklenburg-Vorpommern auf der Grundlage eines Leitfadens für die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Amts- und Rechtssprache lediglich empfohlen.