Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes in Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 6/5194.
Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes in Mecklenburg-Vorpommern (Klimaschutzgesetz M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 6/5194 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der amerikanische Präsident Barack Obama hat diesen Satz gesagt: „Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen des Klimawandels erleben wird, und wir sind die letzte Generation, die dagegen noch etwas tun kann.“ Wir reihen uns in dieser Landtagssitzung in die Reihe derjenigen ein, die hier Gesetzentwürfe vorlegen. Insgesamt sind es ja sieben Stück. Das also auf die Frage, warum wir da relativ spät kommen,
die ja dann sicherlich von der Regierungsseite kommen wird: Der Grund – und wir haben auch über diesen Punkt sehr lange in der Fraktion diskutiert, wir sind schon länger dabei, über ein solches Klimaschutzgesetz nachzudenken – ist tatsächlich, dass die Ergebnisse von Paris durchaus optimistisch stimmen können, das, was dort erreicht wurde, aber in konkretes politisches Handeln wird das praktisch kaum übersetzt. Und das sehen wir bei verschiedenen Entwicklungen, die zurzeit auf Bundesebene laufen.
Das Land selber hat sich – anders, als wir das gerne möchten mit einem Klimaschutzgesetz – einen „Aktionsplan Klimaschutz“ gegeben, durchaus eine vorbildliche Sache. Der ist im Jahr 2010 herausgegeben worden. In diesem Aktionsplan wurde ein Minderungsziel von 40 Prozent plus x definiert für das Jahr 2020 – wie gesagt, im Jahr 2010 herausgegeben. Dieses Minderungsziel ist praktisch 1995 eigentlich erreicht worden. Das heißt also, 5 Jahre, bevor das Ziel herausgegeben wurde, war dieses Ziel praktisch schon erreicht. 15, richtig, sogar 15 Jahre, kleiner Rechenfehler, also 15 Jahre vor der Herausgabe des Ziels.
Wer die Diskussion in Mecklenburg-Vorpommern ein bisschen kennt, weiß auch, warum dieses Klimaschutzziel so wenig ambitioniert war. Es sollte in die hohen Ausbauzahlen, die es ja durchaus gab im Bereich regenerative Energien, die darauf hindeuteten, dass weit
mehr möglich ist, immer noch das Steinkohlekraftwerk in Lubmin hereinpassen, um dann gegenüber der Bundesregierung sagen zu können, mit euren minus 40 Prozent seid ihr doch bei uns gut angekommen, denn wir wollen ja auch genau das, was ihr auf Bundesebene wollt.
In den USA – und davon kann man tatsächlich mal lernen – ist es so, dass die Klimaschutzziele auf die einzelnen Bundesländer differenziert verteilt wurden. Also jeder wurde nach seinen konkreten Möglichkeiten beurteilt, um dann einen Gesamtbeitrag zu liefern. Aus meiner Sicht ist dem auch die Landesregierung bei der Erstellung des Landesenergiekonzeptes gefolgt und ist nicht mehr davon ausgegangen, was müssen wir für diese 40 Prozent plus x in Mecklenburg-Vorpommern leisten, sondern was ist der Beitrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern für die Erreichung der Klimaschutzziele auf Bundesebene. Und da sind wir zu der Erkenntnis gekommen, da es über Fläche läuft, 6,5 Prozent des Stromverbrauchs der Bundesrepublik Deutschland sollten in Mecklenburg-Vorpom- mern regenerativ erzeugt werden. Dieser Ansatz ist ausdrücklich richtig.
Nun haben wir uns im Energieausschuss mit der Aktualisierung des „Aktionsplans Klimaschutz“ beschäftigt. Und wir können dort feststellen – danke noch mal an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich mit der Erarbeitung beschäftigt haben –, da steckt eine Menge Arbeit drin, das möchte ich auch deutlich betonen, aber es sind kaum Erkenntnisse aus einer Evaluierung zu sehen: Was ist denn jetzt konkret geleistet worden aufseiten der Landesregierung, wo sind denn noch Defizite und was müssen wir tun, um diese Defizite zu beseitigen? Genau das sollte ja der Plan sein.
Eine zweite Erkenntnis, die dazu führte, warum ich ein Kli- maschutzgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern für sinnvoll halte, sind die heftigen Diskussionen auch in Rostock zum Anschluss- und Benutzungszwang beim Thema Fernwärme. Jetzt kann man durchaus, wenn man unsere Landesverfassung kennt, auf den Paragrafen 15 der Landesverfassung hinweisen, wo dieser Anschluss- und Benutzungszwang ausdrücklich gestattet und darauf hingewiesen wird, aber die Begründung, die dort drinsteht, ist, man darf ausdrücklich nicht auf die Wirtschaftlichkeit, zum Beispiel des Betriebs des Fernwärmenetzes hinweisen, sondern es müssen höhere öffentliche Belange dahinterstehen. Das soll natürlich auch Privatpersonen vor unzulässigen Eingriffen der Kommunalvertreter schützen, die einfach nur sehen, dass sie ihr Stadtsäckel füllen.
Deswegen ist es wichtig, dass wir auf Landesebene klar definieren, dieser Anschluss- und Benutzungszwang muss klimapolitisch begründet werden. Das ist der Grund, warum wir das Ganze brauchen, und deswegen muten wir Bürgerinnen und Bürgern auch eine gewisse Erschwernis zu, die sagen, ich hätte mir aber eine Ölheizung auch gut vorstellen können, obwohl ich mitten im Fernwärmegebiet liege.
Wir wollen – was viele Kommunen schon machen – ausdrücklich die Klimaschutzkonzepte der Kommunen unterstützen und verdeutlichen, dass diese Klimaschutzaufgabe eine Aufgabe ist, die für uns eine Art Pflichtaufgabe der Kommunen ist. Das heißt nicht, dass wir jetzt jeden dazu zwingen wollen in den Kommunen, die noch keinen Klimaschutzberater haben, einen solchen einzustellen, eine solche Stelle zu schaffen, aber wir wollen die Stellen, die in vielen Städten schon geschaffen wurden, aus
drücklich schützen und sagen, auch wenn ihr Haushaltsprobleme habt, das folgt unserem Ansatz, wir wollen im Land Mecklenburg-Vorpommern etwas für das wichtige Thema Klimaschutz tun, und deswegen ist es gerechtfertigt, obwohl ihr keinen ausgeglichenen Haushalt habt, dass ihr genau solche Stellen habt, und wir sehen auch das Potenzial der Einsparungen an Ausgaben für Heizung, Strom und Wärme, wenn ihr eine solche Stelle bei euch eingerichtet habt.
Wir wollen außerdem auch das große Thema Fördermittelvergabe des Landes deutlich unter diese Überschrift „Was kann für den Klimaschutz im Land MecklenburgVorpommern getan werden?“ stellen. Mehrere Bundesländer haben inzwischen ein solches Klimaschutzgesetz – es heißt zum Teil auch Energiegesetz – verabschiedet. Es sind noch ganze vier Bundesländer übrig, die das noch nicht überlegt haben. Berlin, Bayern und Mecklenburg-Vorpom- mern gehören dazu und wir glauben, es ist an der Zeit, dass wir in unserem Bundesland darüber nachdenken.
Ja, das ist zu vermuten, aber ich hoffe, dass es für die nächste Legislaturperiode der Anlass sein wird, eine solche Idee herauszuholen und zu sagen, wir brauchen sie dringend, weil wir in einer Welt leben, wo sich zunehmend Sachen verrechtlichen. Das muss ich nicht im Einzelnen und im Detail gut finden, ich sehe das durchaus ja auch kritisch, aber wenn alle möglichen Aufgaben per Gesetz immer genauer definiert werden, das Thema Klimaschutz aber eher eine allgemeine Aussage bleibt, dann gerät es zunehmend bei Abwägungsfragen unter die Räder. Das liegt in der Natur der Sache. Und deswegen glauben wir, wenn es ein wichtiges Thema ist, dann müssen wir uns hier ein klares Ziel setzen.
Wir haben in unserem Gesetzentwurf auch solche klaren Ziele definiert. Wir haben gesagt, bis zum Jahr 2020 sollten wir auf einen Zielwert kommen von vier Tonnen pro Einwohner in Mecklenburg-Vorpommern. Bundesweit liegen wir, glaube ich, zwischen zehn und elf Tonnen, in Mecklenburg-Vorpommern im Schnitt bei acht Tonnen, deswegen sind vier Tonnen durchaus ein ambitioniertes Ziel. In Rostock ist das für die Einwohnerinnen und Einwohner durch einen sehr hohen Anteil der Fernwärme schon erreicht worden und wir...
Ja, das Steinkohlekraftwerk hat nun nicht direkt etwas mit Rostock zu tun, sondern das ist ein landesweit bedeutsames Kraftwerk. Aber wir haben ja auch kein Problem, wenn ihr das so definiert, liebe SPD, dieses Kraftwerk würden wir gerne möglichst schnell abschalten, und wir glauben, das wäre einer der größten Beiträge. Wir haben andere Kraftwerke in Mecklenburg-Vorpommern, die da in die Stromproduktion einsteigen können, moderne Gas- kraftwerke in Rostock, Schwerin, Greifswald und anderswo, die zum Teil heruntergeregelt werden müssen, damit die Kohle in unserem Bundesland noch Vorrang haben kann. Also da sind wir gerne bereit, über dieses Ziel nachzudenken, aber ohne das Steinkohlekraftwerk sind
wir in Rostock sehr vorbildlich. Es zeigt, vier Tonnen pro Einwohner gehen, sodass das Ziel nicht zu hoch ist.
Und für das Jahr 2050 haben wir das Ziel von einer Tonne vorgesehen. Das ist sehr ambitioniert, aber beschreibt das, was auch der Wissenschaftliche Beirat für dieses Thema der Bundesregierung sagt, wenn wir einen Budgetansatz weltweit für richtig halten, das heißt, nicht einfach sagen, weil wir in den Industrieländern ja schon relativ wenig verbrauchen, wäre das ziemlich unzumutbar, wenn wir jetzt zu stark einsparen müssen – das ist übrigens so die These der Republikaner in den USA –, sondern wir wollen, dass die Menschen weltweit ein Stück weit gleiche Rechte genießen, und das bedeutet, vor allem die Industrieländer müssen massiv einsparen, damit wir dieses Ziel erreichen, während natürlich in Entwicklungsländern eine gewisse Entwicklung dringend erforderlich ist, um dort soziale und medizinische Standards und so weiter zu erreichen, die mit unseren vergleichbar sind. Das würde übrigens auch die Fluchtursachen erheblich bekämpfen.
Also kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es hineingegangen ist. Man kann genau über solche Zielvorstellungen diskutieren. Ich würde mir wünschen, dass wir in den zuständigen Ausschüssen darüber auch diskutieren können, und würde mir wünschen, dass Sie zumindest dieses Gesetz in die Ausschüsse überweisen. Wenn es dann in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu einem Beschluss kommt, dann ist das so, aber es sollte in der nächsten Legislaturperiode für die neue Landesregierung Anlass sein, genau über ein solches Gesetz nachzudenken. – Ich danke Ihnen.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Und ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat zunächst der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Pegel. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst komme ich jetzt in die seltene Rolle, dass ein Jurist größere Bedenken äußern muss, ob ein Gesetz immer alles regeln kann, was man sich wünscht, als die Nichtjuristen.
Und den Klimawandel durch ein kurzes, knappes Landesgesetz zu stoppen, das klingt natürlich nach einer unheimlich schönen, einfachen und bestechenden Idee.
(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das war nicht mal meine. – Stefanie Drese, SPD: Das wäre nicht schlecht, ne?)
Wenn ein dermaßen vielschichtiges und komplexes Problem wie der Klimaschutz mit einer einzigen, beste
chend einfachen Idee gelöst werden soll, spricht allerdings vieles dafür, dass die Idee es sich einen Tick zu einfach macht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Problem beim Klimaschutz sind ja weiß Gott nicht fehlende Gesetze in Deutschland. Manchmal haben wir vielleicht die falschen,
manchmal wenden wir sie vielleicht nicht konsequent genug an, zu wenige Gesetze in Deutschland ist aber ein schwer vorstellbarer Umstand.
(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Richtig, es gibt alle möglichen Gesetze, aber wo zum Thema Klimaschutz?)
Wenn ich die Gesetzesinhalte lese, ist ja auch weniger von zu wenig die Rede, sondern das Gesetz scheint auf der Idee zu beruhen, dass mit einem Gesetz alle Maßnahmen auf einmal breit akzeptiert und finanziert werden, die Aktivitäten zum Klimaschutz beinhalten.
Und darin liegt, meine Damen und Herren, auch der größte Trugschluss Ihres Vorschlages. Der Verteilungskampf im Landeshaushalt beispielsweise wird beim konkreten Einzelbetrag doch nicht deshalb kleiner, weil jetzt für eine konkrete und teure Energieeffizienzmaßnahme in einem bestimmten Gebäude ein Gesetz da ist, das abstrakt Klimaschutz zum Ziel hat, denn das abstrakte Ziel sagt doch für keine der vielen konkreten Einzelfallentscheidungen und damit Einzelfallabwägungen irgendetwas darüber aus, wie die einzelne Haushaltsdiskussion dann im konkreten einzelnen Fall ausgeht.
Denn egal, wie viele Gesetze zum Klimaschutz dieser Landtag beschlösse, dass eine einzelne Haushaltsposition für eine konkrete Maßnahme wegen des Gesetzes unbedingt muss oder nicht darf, ist angesichts der Abstraktheit, die Sie eben beschrieben haben, von Klimaschutzzielen und der Komplexität der auf diese Ziele Einfluss nehmenden Faktoren niemals nachvollziehbar darlegbar. Es bleibt auch weiterhin in jedem Einzelfall eine Entscheidung dieser Einzelfälle. Und es bleibt in jeder dieser Einzeldiskussionen eine politische Abwägung, die nicht vorab schon endgültig entschieden ist.
Das gilt dann im Übrigen in gleicher Weise für einen Anschluss- und Benutzungszwang. Dieser wird eine Einzelfalldiskussion vor Ort immer auslösen, immer, und er wird auch immer – auch wenn das eben schmerzhaft angesprochen ist – verfassungsrechtliche Grenzen einzuhalten haben. Die von Ihnen eben mit Sorge betrachteten Restriktionen für einen solchen Zwang sind in Teilen gerade auch diesen verfassungsrechtlichen Grenzen geschuldet. Das, meine Damen und Herren, wird auch
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir diskutieren hier, wenn wir ganz ehrlich draufgucken, also in Wahrheit Symbolpolitik. Um da nicht missverstanden zu werden: Symbole können etwas unglaublich Bedeutsames sein. Sie haben es ja eben als Signal auch angesprochen, indem Sie sagen, da wird eine Gewichtung deutlich. Aber sie lösen kein Problem, sondern sie sind und bleiben ein Symbol.