Protokoll der Sitzung vom 10.03.2016

(Egbert Liskow, CDU: Ja, manchmal kommt es auch auf die Wortwahl an.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, während es also diese gigantischen Rücklagen gibt und diese Überschüsse in dreistelliger Millionenhöhe erwirtschaftet werden, müssen wir eben gleichzeitig ansehen, wie sich die finanzielle Situation unserer Kommunen weiter verschärft und wie die öffentliche Infrastruktur auf Verschleiß gefahren wird.

Bevor Sie mir jetzt hier wieder unterstellen, dass ich ein Bild zeichnen würde, das mit der Realität nichts zu tun habe: Das ist keine Feststellung von mir, das ist keine Feststellung von den GRÜNEN, sondern vom Landesrechnungshof.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wir unterstellen nichts. Wir stellen nur fest.)

Gerade in seinem jüngsten Bericht hat der Rechnungshof wieder einmal auf die Folgen einer blinden Sparpolitik aufmerksam gemacht. Die Prüfer mussten einen Investitionsstau von mindestens 130 Millionen Euro bei kommunalen Hochbauten bis zum Jahr 2022 im Land feststellen und dabei waren in der Prüfung noch nicht einmal alle Kommunen einbezogen. Wer das für eine Ausnahme hält, der sei auf vergleichbare Prüfungen bei der Straßenunterhaltung verwiesen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Bild ist immer das gleiche, die öffentliche Hand investiert derzeit zu wenig, es kommt zu einem Substanzverlust.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das wird nicht nur vom Landesrechnungshof so gesehen, sondern auch vom Bundeswirtschaftsminister Gabriel oder von der KfW gibt es diverse Betrachtungen und Gutachten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns GRÜNE muss sich Haushaltspolitik an einer nachhaltigen Entwicklung orientieren. Das ist doch völlig unstrittig, dass Haushaltspolitik in einem vielfältigen Spannungsverhältnis steckt zwischen der Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben, zwischen Risiken und unvorhergesehenen Ereignissen, zwischen den Anforderungen, die wir heute an unser Gemeinwesen stellen und den Anforderungen, die wir zukünftig an unser Gemeinwesen stellen werden. Die Haushaltspolitik von heute trägt die Verantwortung für morgen. Diese Verantwortung ist aber nicht eindimensional und heißt eben nicht nur blindes Sparen. Wir müssen gleichzeitig in strategische Zukunftsbereiche investieren.

(Egbert Liskow, CDU: Wir machen kein blindes Sparen. Wir haben 10 Milliarden Schulden.)

Diese Seite der Haushaltspolitik lässt die Koalition leider unter den Tisch fallen, und das, obwohl die Voraussetzungen selten besser waren in diesem Land als heute.

Und ich muss noch mal mit dem Mythos aufräumen, dass diese Haushaltsüberschüsse Ergebnis dieser hervorragenden Haushaltspolitik und der großen Sparsamkeit dieser Landesregierung seien. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir befinden uns bundesweit in einem Wirtschaftsaufschwung und infolgedessen gehen natürlich auch die Steuereinnahmen hoch. Das hat nichts mit sparsamer Haushaltspolitik zu tun, sondern wir haben einfach diese zusätzlichen Haushaltseinnahmen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Egbert Liskow, CDU: Umso mehr müssen wir da vorsichtig sein, Herr Saalfeld.)

Nur deswegen müssen wir ja auch 155 Millionen Euro in den Länderfinanzausgleich zurückgeben, weil die Steuereinnahmen gestiegen sind,

(Zuruf von Ministerin Heike Polzin)

nicht weil es irgendwelche Ausgabereste im Haushalt gab, weil wir so besonders sparsam waren. Das ist nämlich nicht so relevant für den Länderfinanzausgleich, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich verstehe Sie jetzt hier gerade nicht, aber vielleicht können Sie das auch noch mal vorne am Mikrofon sagen, Herr Liskow.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Rücklagen werden durch die Landesregierung immer weiter erhöht, es wird nicht investiert, dadurch entsteht ein Wertverlust und hohe Folgekosten werden in Kauf genommen. Sie wissen, wenn das Gebäude einmal zusammengefallen ist, ist es sehr viel teurer, es wieder aufzubauen, als es sukzessiv instand zu halten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der ausgeglichene Haushalt und die schwarze Null werden damit aber auch nur zur Illusion, weil in die Zukunft Schulden oder auch Investitionen verschoben werden. Darum brauchen wir einen Nachtragshaushalt und ein Investitionsprogramm. Ich hatte eben gerade schon aus der Finanzausschusssitzung berichtet, Herr Bäumer hatte dann als Staatssekretär – so weit darf ich das ja hier von dieser Stelle aus berichten, es ist ja kein Geheimnis – gesagt, Herr Saalfeld, wenn Sie damit nicht zufrieden sind, dass das in diesen Rücklagen steckt, dann fordern Sie doch einen Nachtragshaushalt. Dann habe ich gesagt, ja, da haben Sie recht. Der Antrag für einen Nachtragshaushalt war damals schon seit über einer Woche auf dem Weg zum Parlamentssekretariat. Also ich sage es mal so, so ganz abwegig ist ein Nachtragshaushalt in einer solchen Situation nicht.

(Egbert Liskow, CDU: Die Opposition darf alles fordern.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch in diesem Jahr hat das Land wieder einen Überschuss erzielt, und zwar in Höhe von 320 Millionen Euro. Eigentlich müsste man von etwa 475 Millionen sprechen. Ich komme aber gleich noch mal dazu. Ich spreche hier bewusst von

320 Millionen Euro, nicht von 220 Millionen Euro, wie es die Landesregierung tut, denn in der Darstellung der Lan- desregierung fällt die Abführung von 100 Millionen Euro an das Sondervermögen Konjunkturausgleichsrücklage de facto unter den Tisch. Aber selbstverständlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist doch auch diese Abführung nur aufgrund des Überschusses möglich und vorgenommen worden. In einer politisch ehrlichen Betrachtung gehören diese 100 Millionen natürlich auch zum Überschuss, und auch die 155 Millionen Euro,

(Egbert Liskow, CDU: Aber das hat doch keiner bestritten.)

die wir an den Länderfinanzausgleich zurückführen müssen, gehören in eine transparente Betrachtung bezüg- lich des ungeplanten Überschusses des Haushaltsjah- res 2015. Deswegen landen wir bei 320

(Egbert Liskow, CDU: Knapp 500 Millionen Jahresüberschuss, das ist doch gar nicht bestritten worden.)

und wenn wir noch die Rückzahlung an den LFA berücksichtigen, landen wir eigentlich bei 475 Millionen Euro, die am Anfang der Haushaltsplanung so nicht geplant waren.

(Tilo Gundlack, SPD: Und wenn wir so weiter- machen, dann sind wir bald bei 1 Milliarde.)

Ein irrer Wert, der nichts mit Sparsamkeit zu tun hat, sondern etwas mit der hervorragenden wirtschaftlichen Situation unseres Landes, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Meine Damen und Herren …

(Egbert Liskow, CDU: Nicht unseres Landes, sondern Deutschlands.)

Ja, der ganzen Bundesrepublik, da haben Sie recht, Herr Liskow.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie geht die Landesregierung aber mit diesem Überschuss um? 100 Millionen Euro werden, wie gesagt, als eine Konjunkturvorsorge in einem Sondervermögen zusammengefasst, rund 60 Millionen Euro werden zur Tilgung herangeführt. So weit, so gut, auch das unterstützen wir, das halten wir für sinnvoll. Das ist aber eben nur die eine Hälfte des Überschusses. Die zweite Hälfte, nämlich weitere 160 Millionen Euro, sollen nach den Plänen der Finanzministerin in der Allgemeinen Ausgleichsrücklage verschwinden. Die weitere Verwendung bleibt unklar und ich rufe noch mal in Erinnerung, dass wir dort jetzt 1,1 Milliarden Euro liegen haben.

(Tilo Gundlack, SPD: Sie haben „versickern“ geschrieben. – Heiterkeit und Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Selbst wenn ich von dieser Summe nachvollziehbare Vorsorge für Positionen abziehe, wie etwa die Absicherung von Bürgschaften und eine Vorsorge für Asyl, verbleiben immer noch mehr als 700 Millionen Euro als Konjunktur- und Politikvorsorge.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das halten wir für zu viel und auch der Landesrechnungshof hält das für

zu viel und empfiehlt eine maximale Vorsorge von rund 500 Millionen Euro. Deswegen sehen wir hier Spielräume für unser Land und ich bitte Sie, im Rahmen einer Nachtragshaushaltsberatung diese Spielräume zu nutzen.

(Tilo Gundlack, SPD: Nicht in dieser Legislaturperiode.)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Egbert Liskow, CDU: Lang anhaltender Applaus.)

Vielen Dank, Herr Saalfeld.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst die Finanzministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Heike Polzin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin jetzt ein bisschen unsicher: Ich habe mir ausführlich von der Ausschusssitzung berichten lassen, wo es um unseren Haushaltsabschluss 2015 ging, wo sehr ausführlich über die Rücklagenentwicklung gesprochen wurde, wo dann auch auf Nachbohren – völlig legitim – einzelner Abgeordneter immer wieder geduldig, gebetsmühlenartig die Dinge erklärt wurden, und ich stelle heute fest,

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Es hat nichts genützt. – Heiterkeit bei Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

es war nicht nur kostenlos, es war auch umsonst.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Tilo Gundlack, SPD)

Also, fange ich jetzt noch mal wieder an? Ich denke schon, zumindest, weil ich ja das Parlament insgesamt doch ernst nehmen möchte. Hier begehrt die Fraktion der Bündnisgrünen einen Nachtrag von 160,5 Millionen Euro, die wir im Überschuss...

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ach, wissen Sie, jetzt wäre es irgendwie mal fair – Sie wissen ja immer so gut, wie man sich zu verhalten hat –,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oh ja!)

wenn Sie mich mal reden ließen! Ich habe mir da oben ganz große Mühe gegeben, mich daran zu halten.