Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

und von daher bitte ich, dass der Antrag 6/5364 im ersten Punkt verändert wird, dass aus der „4“ eine „5“ wird, und dann stimmt das wieder.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oder ziehen Sie ihn doch zurück?!)

Ich denke, das ist ganz wichtig. Wir haben versucht, diesen Antrag noch mal zu ergänzen und zu qualifizieren.

(Marc Reinhardt, CDU: Ja, jetzt bin ich verwirrt.)

Ich glaube,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, jetzt sind wir so verwirrt.)

wir wissen, wie das abgestimmt wird, das ist traurig genug.

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Ich denke, wir müssen uns nach wie vor dafür einsetzen, hier eine Härtefallkommission auf Bundesebene hinzubekommen.

(Stefan Köster, NPD: Multikulti, Frau Gajek. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse nun über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der soeben vorgetragenen Berichtigung abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Zugestimmt haben die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, dagegen stimmten die Fraktion der SPD, der CDU und der NPD. Damit ist der berichtigte Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5364(neu) abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/5301 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Zugestimmt haben die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, dagegen stimmten die Fraktion der SPD, der CDU und der NPD. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/5301 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Besonders gefährdete Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften besser

schützen, Drucksache 6/5317.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Besonders gefährdete Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemein- schaftsunterkünften besser schützen – Drucksache 6/5317 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Gajek.

(allgemeine Unruhe)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, bevor wir mit der Aussprache beginnen,

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

möchte ich Sie sehr herzlich bitten, auch hier vorne, dass wir doch den allgemeinen Murmelteppich wieder etwas einstellen

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Einrollen.)

und der Debatte interessierter beiwohnen.

(Heinz Müller, SPD: Wer wohnt hier bei? – Jochen Schulte, SPD: Bitte so laut reden, dass das Präsidium auch was versteht.)

Frau Gajek, Sie haben das Wort.

Ja danke, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit unserem Antrag richten wir das Augenmerk auf besonders gefährdete Menschen in Flüchtlingsunterkünften. Sie möchten wir besser vor Anfeindungen und Gewalt schützen. Es geht im Be- sonderen um geflüchtete Frauen, Kinder und Jugendliche,

(Zuruf von Tino Müller, NPD)

um homo- und transsexuelle Menschen

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wat?)

und um Menschen mit Behinderung.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Die Organisation „Women in Exile“, eine Frauenselbst- organisation Geflüchteter, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass Gewalt und sexuelle Übergriffe gegen Frauen in Flüchtlingsunterkünften alltäglich sind. Ich möchte aus einem Artikel zitieren, der am 10. März dieses Jahres im „Mediendienst Integration“ erschien und online dort nachzulesen ist. Er ist überschrieben mit dem Titel „Welchen Schutz brauchen geflüchtete Frauen?“

„Frauen in Not sind besonderen Gefahren ausgesetzt: Viele erleben bereits während der Flucht Übergriffe oder nach der Ankunft Gewalt in den Unterkünften. Deswegen braucht es vor allem für alleinerziehende Mütter und alleinstehende Frauen Beschwerdemöglichkeiten und Rückzugsräume, meinen Expertinnen. … Etwa ein Drittel der Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, sind Frauen. Sie kommen über Land- und Seewege, teilweise ohne männliche Begleitung und mit Kindern. In Deutschland angekommen erhoffen sie sich Schutz, landen zunächst jedoch wie alle anderen Geflüchteten in Massenunterkünften, in denen sie mit neuen Gefahren konfrontiert sind.“

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

„Worin genau diese liegen, wollte der MEDIENDIENST herausfinden und lud Journalisten zu einer Medien-Tour ein.“ Ich zitiere weiter: „‚In manchen Flüchtlingsunterkünften traut sich eine Frau nachts nicht alleine auf die Toilette‘, erzählt Amal, die ihren Nachnamen nicht nennen will. Die junge Somalierin floh 2010 nach Deutschland und verbrachte mehrere Monate in Sammelunterkünften.“

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

„Sie schildert, dass es dort oft an getrennten sanitären Anlagen, Privatsphäre und weiblichen Übersetzerinnen fehle. Mittlerweile lebt sie in einer Privatwohnung und engagiert sich bei ‚Women in Exile‘ … Hier berichten ihr viele von Übergriffen, teils durch eigene Familienmitglieder, oft durch das Personal in den Unterkünften. … Wie viele geflüchtete Frauen tatsächlich von Gewalt betroffen sind und durch wen, ist unklar. Statistiken hierzu gibt es nicht. Erfahrungsberichte von Sozialarbeiterinnen und Befragungen zeigen jedoch, dass Frauen durchaus häufig Gewalt erfahren.“

(allgemeine Unruhe)

Ich finde es …

(David Petereit, NPD: Nie zufrieden. Es lacht mal keiner.)

„Die Rechtsanwältin Inken Stern erklärt dazu: ‚Meist kommt es nicht zu Anzeigen oder Beschwerden, da Frauen nicht unbequem auffallen möchten und negative Auswirkungen auf ihr Asylverfahren fürchten.‘ Die Sorge, dass sich eine Beschwerde negativ auf die Entscheidung auswirkt, sei jedoch meist unbegründet. … Übergriffe kämen auch deswegen so selten ans Tageslicht, weil es keine Beschwerdemöglichkeiten für Frauen gebe, erklärt Nivedita Prasad, Professorin an der Alice-SalomonHochschule. ‚Frauen fürchten sich nicht nur vor möglichen Auswirkungen auf ihr Verfahren, sondern wissen meist auch schlichtweg nicht, an wen sie sich wenden können.‘ Es fehlten einheitliche Standards in deutschen Flüchtlingsunterkünften: ‚Wir brauchen klare Beschwerdeverfahren und Gewaltschutzkonzepte‘, so Prasad … ‚Der Schutz von Frauen wurde zu lange nicht mitgedacht‘, kritisiert die Juristin Heike Rabe vom ‚Deutschen Institut für Menschenrechte‘. Dabei gibt es bereits seit 2013 eine EU-Richtlinie, die Mindeststandards zur Unterbringung von besonders Schutzbedürftigen vorschreibt. Seit Juli 2015 hätte Deutschland die Richtlinie in nationales Recht umsetzen müssen, doch das steht bislang aus.“ So weit die Auszüge aus dem Artikel des „Mediendienstes Integration“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! In vielen Bürgerkriegsländern gehören systematische Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen zur erklärten Kriegsstrategie. Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, leiden oft unter Depressionen bis hin zu Selbstmordgedanken. Frauen fliehen wie Männer vor Unterdrückung und Verfolgung aus politischen und/ oder religiösen Gründen, aber es gibt auch geschlechtsspezifische Fluchtgründe wie genitale Verstümmelung, Zwangsverschleierung, Witwenverbrennung. Darüber hin- aus stellt auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität einen spezifischen Fluchtgrund dar. Für die betroffenen Menschen ist Angst ein ständiger Begleiter, denn auch auf den Fluchtwegen sind sie oft sexualisierter Gewalt ausgesetzt.

In dieser Situation stellen die Enge und die mangelnde Privatsphäre in Teils stark belegten Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften gerade für Frauen und Kinder eine zusätzliche Belastung dar. Unter diesen Rahmenbedingungen gelingt die Verarbeitung der oft traumatischen Fluchterlebnisse nicht.

(allgemeine Unruhe)

Auch für Lesben, Schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Menschen, kurz LSBTTI, bergen Massenunterkünfte eine erhöhte Gefahr von Übergriffen. Schon unter normalen Bedingungen sind sie häufig Opfer von Diskriminierung und Angriffen. Die räumlichen Bedingungen in vielen Gemeinschaftsunterkünften begünstigen die Eskalation solcher Konflikte. Es ist keine neue oder überraschende Erkenntnis, dass die Wahrscheinlichkeit der Eskalation von Konflikten mit zunehmender Belegungsdichte, mit wachsender Vielfalt der Herkunftsregionen und mit einem Mangel an Freizeitbetätigung steigt.

Alle hauptamtlich und ehrenamtlich Beteiligten auf kommunaler Ebene und auf Landesebene haben in den vergangen Wochen und Monaten ihr Bestes gegeben, damit die zu uns geflüchteten Menschen ein Dach über dem

Kopf haben. Dafür gilt ihnen unser Dank und unsere Wertschätzung. Jetzt, nachdem sich die Lage etwas beruhigt hat, muss es zunehmend darum gehen, die Qualität der Unterbringung zu verbessern und zu garantieren. Die bisherigen Schutzregelungen reichen nicht aus. Die bereits erwähnte EU-Aufnahmerichtlinie schreibt vor, dass die Mitgliedsstaaten geschlechts- und altersspezifische Aspekte sowie die Situation von schutzbedürftigen Personen berücksichtigen müssen. Insbesondere müssen geeignete Maßnahmen getroffen werden, damit Übergriffe und geschlechtsbezogene Gewalt in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunter

künften verhindert werden.

Daneben verpflichtet die UN-Kinderrechtskonvention die Bundesrepublik und damit auch das Land MecklenburgVorpommern zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls in allen Angelegenheiten. Artikel 22 der Kinderrechtskonvention schreibt darüber hinaus den besonderen Schutz von Flüchtlingskindern vor. Bislang war die überwiegende Zahl der Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Not zu uns geflüchtet sind, männlich. Viele Frauen, auch gerade solche mit Kleinkindern, blieben als Binnenflüchtlinge in den Herkunftsregionen. Dieses Gefüge beginnt sich zu verändern. Laut UNHCR steigt der prozentuale Anteil der Frauen und Kinder, die sich auf der Flucht nach Europa befinden. Nicht nur deshalb ist es geboten, das Augenmerk stärker auf diese besonders schutzbedürftige Gruppe zu richten.