Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

Daneben verpflichtet die UN-Kinderrechtskonvention die Bundesrepublik und damit auch das Land MecklenburgVorpommern zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls in allen Angelegenheiten. Artikel 22 der Kinderrechtskonvention schreibt darüber hinaus den besonderen Schutz von Flüchtlingskindern vor. Bislang war die überwiegende Zahl der Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Not zu uns geflüchtet sind, männlich. Viele Frauen, auch gerade solche mit Kleinkindern, blieben als Binnenflüchtlinge in den Herkunftsregionen. Dieses Gefüge beginnt sich zu verändern. Laut UNHCR steigt der prozentuale Anteil der Frauen und Kinder, die sich auf der Flucht nach Europa befinden. Nicht nur deshalb ist es geboten, das Augenmerk stärker auf diese besonders schutzbedürftige Gruppe zu richten.

Die WRC setzt sich seit über 30 Jahren für die Belange geflüchteter Frauen ein. Aus aktuellem Anlass war kürzlich ein Rechercheteam der international agierenden Frauenrechtsorganisation in Deutschland unterwegs, um sich einen Eindruck über die Lage von geflüchteten Frauen zu verschaffen. Der Deutsche Frauenrat fungierte dabei als wichtiger Ansprechpartner und Vermittler zu Institutionen und Organisationen, aber auch zu den Betroffenen selbst. Die daraus entstandenen Lageberichte sind Teil des Projekts „Vom Konflikt zum Frieden? Stimmen von Frauen und Mädchen unterwegs“. Sie unterstreichen die Aktualität und die Wichtigkeit unseres Antrages. Auch der Landesfrauenrat von Mecklenburg-Vor- pommern hat im Januar auf seiner Landesklausur eine Resolution zum besonderen Schutz verabschiedet.

Ich habe versucht, hier mit den Regierungskoalitionen einen gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen – Sie sehen, wir haben ihn alleine eingebracht, es war jetzt nicht von Erfolg gekrönt.

Wir fordern eine getrennte Unterbringung von allein reisenden Frauen in Erstaufnahmeeinrichtungen. In allen Unterkünften muss es zudem ausreichend Rückzugsräume für besonders gefährdete Geflüchtete geben. Das Hilfs- und Informationsangebot für schutzbedürftige Geflüchtete muss ausgeweitet und besser bekannt gemacht werden. Viele Frauen kennen ihre Rechte nicht, haben häufig geringe finanzielle Ressourcen oder befinden sich in Abhängigkeitsstrukturen, die sich auch nach der Ankunft in Deutschland nicht sofort ändern.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Durch Informationsbroschüren, möglichst in ihren Muttersprachen, und durch einen Hinweis auf das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ können sie besser auf ihre Rechte aufmerksam gemacht werden.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Große Aufmerksamkeit benötigen auch die LSBTTI, für ihre spezifischen Probleme fehlt oft noch das besondere Bewusstsein. Das haupt- und ehrenamtliche Personal in den Flüchtlingsunterkünften sollte daher auch im Umgang mit diesen Geflüchteten sensibilisiert und geschult werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Zu später Stunde warten die GRÜNEN ja noch mal mit schwerer Kost auf.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich hätte das gerne früher debattiert.)

Vorweg möchte ich eins festhalten: Ich finde es jedenfalls interessant, Frau Gajek, welches Bild Ihr Antrag von männlichen Flüchtlingen zeichnet.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja, wirklich.)

So heißt es in der Begründung: „Vor allem Frauen und Minderjährige sind in allen Phasen der Flucht einem besonderen Risiko geschlechtsspezifischer Gewalt aus- gesetzt.“ Zitatende. Ich, Frau Gajek, warne ja schon länger davor, dass viele Flüchtlinge ein anderes Rollenverständnis von Mann und Frau haben. Mit der Gleichberechtigung – Sie brauchen gar nicht zu stöhnen, Frau Gajek –

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

ist es oft nicht weit her. Bisher waren es immer die GRÜNEN, die vor Pauschalisierung warnten

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, das stimmt.)

und das Bild vom edlen Flüchtling zeichneten.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wieder und wieder haben sie uns gewarnt.)

Insofern möchte ich die angesprochene kritische Haltung der GRÜNEN …

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Also so was!)

Ich weiß gar nicht, ich gehe nur auf Ihren Antrag ein. Können Sie das nicht vertragen?

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, aber Ihre Einstellung! Die ist … – Zuruf vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie provozieren.)

Ich provoziere überhaupt nicht. Ich finde die Haltung, die Sie in diesem Punkt einnehmen, zunächst erst mal lobenswert, indem Sie feststellen, dass nicht alle Heilige sind, die hierherkommen. Das haben wir schon immer gesagt.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist vollkommen neu.

(Zuruf von Tino Müller, NPD)

Und jetzt pauschalisiere ich nicht, sondern ich stelle nur fest: Meine Damen und Herren, die GRÜNEN haben mit ihrem Antrag einen Forderungskatalog aufgestellt, den das Land nicht braucht.

Ich will es kurz machen: Für alle Flüchtlingsunterkünfte im Land, egal ob kommunale Flüchtlingsunterkünfte oder Landesunterkünfte, werden sogenannte Lagebilder erstellt. Auf deren Grundlage wird die Bewachung durch die beauftragten Sicherheitsunternehmen organisiert. Das LAiV ist in enger Abstimmung dabei. Ergänzend dazu laufen Polizisten unregelmäßig Streife in den jeweiligen Einrichtungen. Deren Beobachtungen fließen in die Lagebilder mit ein.

Wir ergreifen viele Maßnahmen, um die Flüchtlinge in den Unterkünften zu schützen. Wir haben in der Frage ein wirklich gutes Schutzniveau erreicht. Eine einhundertprozentige Sicherheit kann aber auch ich nicht garantieren. Umso wichtiger ist es, dass diejenigen, die trotz der Sicherheitsvorkehrungen Anschläge verüben, auch verfolgt und ihrer gerechten Bestrafung zugeführt werden. Auch die Sicherheit im Inneren der Einrichtungen haben wir im Blick. Grundsätzlich lässt sich aber fest- halten, die Situation in Mecklenburg-Vorpommern – und da wir hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern sind, reden wir über die Situation in Mecklenburg-Vorpom- mern –

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau.– Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

ist im Moment in der Tat ziemlich entspannt.

Die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes nebst Außenstellen sind derzeit zu weniger als die Hälfte belegt. Es gibt also genügend Rückzugsmöglichkeiten und genügend Platz für die Privatsphäre. Selbst auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst letzten Jahres wurde eine einhundertprozentige Auslastung der Unterkünfte möglichst vermieden. Wir waren und sind gemeinsam mit den Kommunen viel weiter als die meisten anderen Länder in Deutschland. Bei der Betreuung der Flüchtlinge deeskalieren und beruhigen die Mitarbeiter in den Einrichtungen schon, bevor es überhaupt zu Spannungen kommt.

Die Kollegin Sozialministerin hat bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen Integrationsbüros eingerichtet. Wir haben dementsprechende Einrichtungen in den Landkreisen für die kommunalen Mitarbeiter. Die Mitarbeiter sind entsprechend ausgebildet. Sie werden regelmäßig geschult. Sie erhalten regelmäßig Fortbildungen und tauschen sich auch über den Umgang mit Problemgruppen oder besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen aus. Die wissen, was zu tun ist.

Diesen Anspruch haben wir auch in der Betreuungs- richtlinie herausgegeben, die wir gemeinsam mit den betreffenden Ministerien in unserem interministeriellen Arbeitsstab erarbeitet haben. Die Asylbewerber werden in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in den Gemeinschaftsunterkünften stets getrennt nach Geschlechtern untergebracht. Ausnahmen gelten nur für Familien und das ist, glaube ich, auch richtig so. Allein reisende Frauen mit Kindern werden demzufolge nie mit Männern zusammen in ein Zimmer gesteckt. Die Kommunen sind ebenfalls bestrebt, vorrangig Familien und Alleinstehende mit Kindern in dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten zu vermitteln. Das ist ein lobenswerter Beitrag, der sehr hilft.

Sollte es übrigens zu Auseinandersetzungen kommen, werden die Konfliktparteien in unterschiedlichen Unterkünften untergebracht. Auch dieses haben wir im Land schon häufig praktiziert. Das machen wir bereits seit langer Zeit so und wir unterscheiden da auch nicht zwischen normalen und besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, sondern dort, wo solche Auseinandersetzungen stattfinden, egal aus welchen Gründen, werden diese Trennungen vorgenommen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Das gilt für alle.

Natürlich darf in solch einem Antrag der GRÜNEN eine Forderung nach einer Beratungsstelle nicht fehlen, aber auch das brauchen wir nicht, weil die nämlich über die Kollegin Hesse in den jeweiligen Regionen schon eingeführt worden ist. Also wir müssen nicht alles noch mal zusätzlich aufbauen. Es gehört bereits zu den Aufgaben der Mitarbeiter, den Flüchtlingen den Alltag in Deutschland näherzubringen. Dazu gehören Behördengänge genauso wie ein Besuch beim Sportverein. Und wenn sie Bedarf an Broschüren haben, die kann ich in unterschiedlicher Art und in unterschiedlichen Sprachen gerne zur Verfügung stellen. Informationen und Hilfen erhalten die Flüchtlinge sowieso und auch das Angebot an anderen Informationsmaterialien ist mittlerweile vielfältig.

Meine Damen und Herren, ich kann mich im Ergebnis nur wiederholen: Diesen Antrag braucht kein Mensch.

(Egbert Liskow, CDU: Wir auch nicht.)

Wir sind in den Flüchtlingseinrichtungen hervorragend aufgestellt und helfen den Asylbewerbern frühzeitig bei der Integration. Probleme werden gelöst, Fragen beantwortet und Hilfsbedürftigen wird geholfen. Das Land stellt unglaublich viele Finanzmittel zur Verfügung,

(Michael Andrejewski, NPD: Das ist leider wahr.)

um diese Aufgabe, die eine große Herausforderung ist, auch absichern zu können.

Ich streite gar nicht ab, dass wir bei bestimmten Flüchtlingen genauer aufpassen müssen, aber genau das machen wir ja schon längst. Das wissen eigentlich auch die GRÜNEN, deswegen verstehe ich den Antrag nicht ganz. Möglicherweise hat er einen parteiinternen Hintergrund.

Sie hatten ja – am vergangenen Wochenende allerdings schon – Ihren Parteitag

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Also der Antrag lag seit April in den Fraktionen der SPD und CDU, lieber Kollege Caffier.)

und insofern erfolgt die Profilierung, falls sie heute stattfinden sollte, zum falschen Zeitpunkt. Aber bei der Profilierung kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Ich denke, es ist alles zu dem Antrag gesagt. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)