Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

(Zuruf von Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Anknüpfungspunkt, Herr Kollege Jaeger, ist tatsächlich der Bürger vor Ort und nicht die Gemeinde,

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber?)

nicht nur in rechtlicher Hinsicht, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht.

Dass wir wissen in den Koalitionsfraktionen, in meiner Fraktion, dass der eine oder andere vor Ort entweder aus Vorsicht oder aber weil er vielleicht auch seine finanziellen Mittel so nicht einsetzen kann, so nicht einsetzen will, davon Abstand nehmen mag, das ist völlig unbestritten. Aber es bleibt dabei, dass Anknüpfungspunkte tatsächlich die Menschen vor Ort sind, weil die Menschen vor Ort und nicht die abstrakte Kommune sind erst mal die Betroffenen.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Kommune ist doch nicht abstrakt, sie wird durch die Menschen gebildet. Das ist doch die Idee.)

Als Verwaltungseinheit, Herr Kollege Jaeger. Deswegen habe ich eben von den Menschen gesprochen. Sie müssen mir auch richtig zuhören.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist tatsächlich so, dass man bei den Menschen anfangen muss, um sie mitzunehmen, und nicht bei der Verwaltungseinheit, um das auch für Sie deutlich zu sagen.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich habe nicht über die Verwaltungseinheit geredet.)

Der zweite Punkt, sehr geehrte Kollegen, der angesprochen worden ist, ist natürlich die Möglichkeit, die auch immer wieder von den GRÜNEN in den Ring geschmissen wird, man könnte das doch zum Beispiel über die Gewerbesteuer regeln. Das ist etwas – wenn ich das zitieren darf – von einem Einladungsflyer der GRÜNENLandtagsfraktion zum 14.04., wo Sie, Herr Kollege Jaeger, zitiert wurden, und ich zitiere: „Wir möchten die Standortgemeinden von Windenergieanlagen stärken und die Chancen regionaler Wertschöpfung verbessern. Dazu sollte ein deutlich höherer Anteil der Gewerbesteuer in der Standortgemeinde bleiben. Hierfür brauchen

wir“ unter anderem „Veränderungen im Bundesrecht. … Darüber hinaus sollten im Rahmen der anstehenden Reform des kommunalen Finanzausgleichs Möglichkeiten geprüft werden, die Gewerbesteuererträge zu einem bestimmten Anteil anrechnungsfrei bei der Standortgemeinde zu belassen.“ Ende des Zitats.

Sehr geehrter Kollege Jaeger, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, lassen Sie mich das mal von hinten aufwickeln:

Erstens. Wir müssen, wenn wir dieses Gesetz machen – und wir werden es heute machen –, nicht mehr über Möglichkeiten diskutieren, Möglichkeiten prüfen, wie die Gewerbesteuer einen bestimmten Anteil anrechnungsfrei den Standortgemeinden belässt, weil es klargestellt ist. Das Innenministerium hat es dankenswerterweise in den letzten Tagen auch noch mal bestätigt, dass beispielsweise die Ausgleichsabgabe nicht in die entsprechenden Anrechnungen fällt.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nur die Ausgleichsabgabe! Nur die Ausgleichsabgabe!)

Herr Kollege Jaeger, die Gewinne aus der wirtschaftlichen Beteiligung fallen da sowieso nicht drunter. Es fallen auch nicht die Verluste drunter, sonst wäre es ein gutes Geschäft für alle Kommunen, die Verlustbetriebe aus der Daseinsvorsorge haben. Das sollten Sie vielleicht mal in der Stadt Rostock oder in anderen größeren Kommunen vorschlagen. Deswegen ist diese Frage damit geklärt. Das, was Sie aus Goodwill, aus durchaus guten Überlegungen fordern, ist damit erledigt.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Gewerbesteuer ist ein völlig anderes Thema und ist auch damit nicht erledigt.)

Es geht letztendlich um das Geld, was bei den Kommunen ankommt. Das ist kein anderes Thema.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber wir verzichten doch nicht auf die Gewerbesteuer.)

Der zweite Punkt, Herr Kollege Jaeger, ist eine Veränderung der Verteilung der Gewerbesteuer in den Standortgemeinden. Da sagen Sie zu Recht in Ihrem Einladungsflyer, das ist Bundesrecht. Sie wissen aber auch um die Schwierigkeiten, die es in der Vergangenheit schon gegeben hat, dieses Thema nur auf Bundesebene zu diskutieren. Wenn wir diesen Weg, den Sie hier gehen wollen, alleine verfolgen würden, dann würden wir auch in den kommenden Jahren den Standortgemeinden hier im Land kein Geld zukommen lassen.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Herr Schulte, wir machen das bereits im Land Mecklenburg-Vorpommern!)

Ja, freiwillig. Wenn man das will, kann man das gerne machen, aber auf Bundesebene wird das so nicht funktionieren.

Zum letzten Punkt in Ihrem Zitat, „wir möchten die Stand- ortgemeinden von Windenergieanlagen stärken und die Chancen regionaler Wertschöpfung verbessern“: Ja, Herr Kollege Jaeger, das ist genau das, was wir hier tun.

Ich werde, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt an dieser Stelle nicht mehr darauf eingehen, wie das zu bewerten ist, wenn Haushaltsmittel in den jeweiligen Kommunen – nach dem Helikopterprinzip, glaube ich, nennt man das bei Herrn Draghi – an die Bürger verteilt wird. Das ist ein Punkt, der ist sicherlich haushaltsrechtlich mehr als nur bedenklich, dieser Vorschlag.

Aber lassen Sie mich auf einen letzten Punkt eingehen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – das ist auch vom Kollegen Jaeger angesprochen worden –, das ist die Frage der Freiwilligkeit. Da ist tatsächlich der Punkt, wir haben zehn Jahre in diesem Land, fünfzehn Jahre in diesem Land darauf gewartet, dass sich die Menschen vor Ort, in welcher Form auch immer, wirtschaftlich, ja, ich will nicht sagen, beteiligen, aber wie sie einen wirtschaftlichen Nutzen davon ziehen können. Es ist zutreffend, dass ich die Vertreter der Windenergiebranche in der Anhörung gefragt habe, warum sie das nicht getan haben. Nur die Erklärung, die sie dafür gegeben haben, Herr Kollege Jaeger, warum sie es nicht getan haben, ist nicht zutreffend. Sie haben dort erklärt – sie haben dort erklärt, nicht wir, sondern die Vertreter der Windenergiebranche –, sie würden das natürlich gerne tun, es hätte auch schon erste Überlegungen in Thüringen gegeben, aber man wäre noch nicht so weit. Man wäre noch nicht so weit, weil man im Grunde jetzt erst mit den Überlegungen angefangen hätte, nachdem in Mecklenburg-Vorpommern ein entsprechendes Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht worden ist.

Das, was ich gesagt habe, Herr Kollege Jaeger, was Sie dann auch hier angesprochen haben, ist natürlich die Situation, dass, bevor ich überhaupt in die Planungen hineingehe mit einem entsprechenden Windpark, ich mir nicht – ich will es mal sagen – den Goodwill vor Ort erkaufen kann. Es hätte aber keinen Windenergieanlagenbetreiber gehindert, nachdem die Anlagen hier errichtet und in Betrieb genommen worden sind, die Gemeinden oder die Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu beteiligen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Es ist richtig, was von allen Rednerinnen und Rednern angesprochen worden ist, dieses Gesetz ist Neuland. Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, warum sollte aus Mecklenburg-Vorpommern heraus nicht ein erster Schritt in die richtige Richtung gegangen werden? Ich würde mir durchaus wünschen – und das ist ja auch Teil der Beschlussempfehlung des Energieausschusses –, dass auch in anderen Bundesländern, dass auch auf Bundesebene entsprechende Schritte gegangen werden, um zu einer höheren Akzeptanz der erneuerbaren Energien insgesamt hier in der Bundesrepublik Deutschland beizutragen. Dass das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, heute noch nicht der Fall ist, sollte uns aber trotzdem nicht daran hindern, diesem Gesetzentwurf in der Zweiten Lesung zuzustimmen. Ich denke, es ist ein guter Gesetzentwurf, nicht nur für die Branche, sondern vor allem für die Menschen bei uns im Land. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke, Herr Schulte.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die

Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an Windparks in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung weiterer Gesetze auf Drucksache 6/4568.

In Ziffer I seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Energieausschuss, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 6/5335 anzunehmen.

Ich rufe auf den Artikel 1 sowie die Überschrift in der Fassung der Beschlussempfehlung. Wer dem zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Und die Enthaltungen? – Wir haben das hier oben alles gut gesehen

(David Petereit, NPD: Ja, wie immer! – Zurufe von Minister Dr. Till Backhaus und Dr. Norbert Nieszery, SPD)

und damit gebe ich das Ergebnis bekannt: Zugestimmt haben die Fraktionen der SPD und CDU geschlossen, bei der LINKEN gab es eine Enthaltung, die anderen Kolleginnen und Kollegen haben zugestimmt, die NPD hat dagegen gestimmt und es hat sich die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN enthalten.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Bei einer Zustimmung.)

Bei einer Zustimmung, das kriegen wir hin, die kommt dann auch noch zu den Zustimmungen.

Wir machen weiter mit dem Artikel 2. Ich rufe auf den Artikel 2 in der Fassung der Beschlussempfehlung.

Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5360 vor, über den ich zunächst abstimmen lassen möchte. Wer dem zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Danke. Gut, dann möchte ich das Abstimmungsergebnis bekannt geben. Zugestimmt hat ein Großteil der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Gegenstimmen der gesamten Fraktionen der SPD, CDU und Fraktion der NPD sowie einem Großteil der Fraktion DIE LINKE, bei einer Stimmenthaltung einer Kollegin aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einer aus der Fraktion DIE LINKE. Ist das korrekt? – Gut, danke. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5360 abgelehnt.

Wer dem Artikel 2 zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Gut, danke. Dann hätte ich gern die Gegenprobe. – Das war die gesamte Fraktion, ne?

(Stefan Köster, NPD, und David Petereit, NPD: Ja.)

Und die Stimmenthaltungen? – Frau Karlowski hat sich enthalten?

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Enthaltung, ja!)

Auch hier möchte ich das Abstimmungsergebnis bekannt geben. Dafür gestimmt hat die gesamte Fraktion der SPD und der CDU, zwei Kolleginnen der Fraktion DIE LINKE haben sich enthalten, der Rest hat zugestimmt,

(Torsten Renz, CDU: Der Rest.)

dagegen gestimmt hat die Fraktion der NPD, enthalten hat sich die gesamte Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Artikel 2 in der Fassung der Beschlussempfehlung angenommen.

Ich rufe auf den Artikel 3 in der Fassung der Beschlussempfehlung. Wer dem zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Und die Stimmenthaltungen? – Das Stimmverhalten ist genauso wie bei Artikel 2 und damit ist der Artikel 3 in der Fassung der Beschlussempfehlung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen in der Fassung der Beschlussempfehlung des Energieausschusses auf

Drucksache 6/5335 zuzustimmen wünscht, die oder den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Und die Stimmenthaltungen? – Danke. Zugestimmt haben die gesamte Fraktion der SPD und der CDU, bei der Fraktion DIE LINKE haben sich zwei enthalten, eine Kollegin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat dafür gestimmt, die NPD hat dagegen gestimmt und es haben sich fünf Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN enthalten. Damit ist der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Energieausschusses auf Drucksache 6/5335 angenommen.

(Beifall Dr. Norbert Nieszery, SPD: Schöne Sache.)