Protokoll der Sitzung vom 21.04.2016

die Sie bewusst …

(Marc Reinhardt, CDU: Eine Lügnerin ist das! – Andreas Butzki, SPD: Lügnerin! – Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen Moment, Herr Minister!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe schon gesagt, dass ich hier im Parlament persönliche Anwürfe nicht dulden werde, und dazu gehört auch dieser Ausruf.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jaja. – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Ich weise Sie darauf hin, sollte jemand das hier noch einmal wiederholen, dann erteile ich demjenigen einen Ordnungsruf. Ich bitte also um etwas Disziplin.

Herr Minister, Sie können jetzt fortfahren.

Ich möchte ein zweites Beispiel bringen, an dem deutlich wird, wie – es tut mir leid – unkollegial Sie agieren.

(Vincent Kokert, CDU: Ja.)

Sie sitzen vier Jahre lang in unserer Runde, arbeiten an dem Text mit – also nicht dadurch, dass Sie Texte liefern, aber in irgendeiner Art und Weise waren Sie beteiligt an der Arbeit –, und dann gibt es einen Bericht von der Expertenkommission, in dem steht drin, für jeden Schüler soll es eine Sonderausstattung mit dem Faktor von 0,18 geben. Dann rechnet die Schulverwaltung aus, wird das in den Schularten überschritten oder unterschritten, und die Schulverwaltung kommt zu dem Ergebnis, im Grundschulbereich liegt der Faktor sogar bei über 0,2, es handelt sich also im Verhältnis zur Empfehlung der Exper

tenkommission um eine Ausstattung oberhalb der Empfehlung, um eine Überausstattung.

Sie wissen doch ganz genau, weil Sie dabei waren, es steht auch im Text, dass wir alle gesagt haben, diese Überausstattung wollen wir den Grundschulen im Sinne eines präventiven Systems aber lassen. Und Sie wissen auch ganz genau, dass wir nicht Überausstattung so definiert haben als Wort, dass man denen das eigentlich wegnehmen müsste, sondern dass es oberhalb dessen liegt, was die Expertenkommission vorgeschlagen hat. An der Stelle sieht man wunderbar, wie Sie arbeiten in dieser Diskussion, dass Sie Meinungsverschiedenheiten nicht einfach sachlich austragen, sondern die Fakten so verdrehen, dass Sie sie irgendwie jemandem ans Revers heften können.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der Einzige, der die Sachen verdreht, sind Sie, Herr Brodkorb! – Andreas Butzki, SPD: Klientelpolitik pur.)

Und deswegen, Frau Berger, bin ich gar nicht unfroh, dass Sie nicht dabei sind.

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich mir vorstelle, wir hätten diesen Inklusionsprozess bis 2023 gemeinsam mit diesen Methoden organisieren sollen, dann wären wir kein Stück vorwärtsgekommen, und deswegen möchte ich ausdrücklich sagen, dafür haben Sie vielleicht Verständnis: Für mich ist das ein historischer Tag.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Gestatten Sie eine Frage der Abgeordneten Frau Berger?

Selbstverständlich.

Bitte schön, Frau Berger.

Kommt an den Schulen, an jeder Schule der Faktor von 0,18 pro Schülerin und Schüler an oder wird dieser Faktor abgesenkt, durch Parallelstrukturen beispielsweise?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Berger, das haben Sie dann offenbar wirklich noch nicht verstanden in den vier Jahren.

(Heiterkeit bei Rainer Albrecht, SPD)

Ich mache einen Beispielfall: Die Expertenkommission sagt, es gibt 100 Schüler in der Schule und 5 von ihnen sind sonderpädagogisch förderbedürftig. Wenn sie sonderpädagogisch förderbedürftig sind, ich sage mal, jeder kriegt eine Stunde, damit es einfach zu rechnen ist, so braucht diese Schule fünf zusätzliche Unterrichtsstunden. Jetzt haben wir uns in unserer Arbeitsgruppe aber darauf verständigt, dass wir teilweise noch Sondersysteme vorhalten, die 5 Schüler also nicht an dieser Schule sind, sondern an einer anderen Schule. Und dann haben wir gesagt, in dem Fall, wenn es gar keinen gibt,

(Manfred Dachner, SPD: Das ist doch Frau Berger egal.)

der sonderpädagogisch förderbedürftig ist, wozu soll an dieser Schule ein Sonderpädagoge sein. Diese Stunden gehen an die Schule, wo die Schüler sind. Das ist einfach die notwendige Folge, wenn wir weiterhin bestimmte Sonderstrukturen aufrechterhalten, wozu SPD, CDU und Linkspartei im Unterschied zu Ihnen stehen.

(Rainer Albrecht, SPD: Das hat sie nicht begriffen.)

Dann schließen Sie sich also nicht …

Einen Moment, Frau Berger!

Darf ich eine weitere Nachfrage stellen?

Ich frage den Minister, der Minister antwortet und dann sage ich Ihnen, ob Sie eine Frage stellen dürfen.

Ich glaube, ich habe das …

Einen Moment, Herr Minister! Auch Sie müssen warten, bis ich die Frage gestellt habe.

(Heiterkeit bei Egbert Liskow, CDU – Manfred Dachner, SPD: Oh!)

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Frage der Abgeordneten Berger?

Nein, ich habe jetzt, glaube ich, alles umfassend dargelegt, was man zu diesem Sachverhalt zu sagen hat.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Minister Dr. Till Backhaus: Richtig. – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Ich darf es also noch einmal sagen, das ist für mich ein historischer Tag und ich denke mir jetzt den Applaus, den Sie vorhin schon sich selbst hier gegeben haben. Das erste Mal in der Geschichte des Landes ist es gelungen, fraktionsübergreifend Regierung und Opposition zu einer gemeinsamen Position zum Thema Schulpolitik zu bewegen, und nicht nur für kurze Zeit, sondern bis zum Jahr 2023, das heißt, bis in die übernächste Legislaturperiode. Das war nur möglich, weil es drei Parteien in diesem Lande gab, die nicht ihre eigene Profilierung, nicht ihre eigenen Parteiprogramme in den Vordergrund gestellt haben, sondern das Wohl des Landes, seiner Eltern, Schüler und Lehrer, und dafür bin ich …

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU und Simone Oldenburg, DIE LINKE – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Dafür bin ich sehr, sehr dankbar – Frau Oldenburg ist ausführlich darauf eingegangen –, und zwar deshalb, weil das für jeden von uns einiges bedeutet hat. Normalerweise sind wir es gewohnt, in den Wahlkampf zu ziehen und zu

sagen: Das ist mein Parteiprogramm. Das will ich durchsetzen! Wir mussten uns hinsetzen und sagen: Parteiprogramm schön und gut, das ist uns allen wichtig, aber wenn wir gemeinsam endlich mal nach 25 Jahren Deutscher Einheit in diesem Land Verlässlichkeit und Stabilität für Schulen haben wollen und Verlässlichkeit für Eltern, Schüler und Lehrer, dann werden wir eingedenk unserer Parteiprogramme einen Kompromiss machen müssen.

Diese Kunst hinzubekommen, und zwar irgendwie von dem Parteiprogramm abzuweichen, aber in einer Art und Weise, dass man ihm doch noch entspricht, weil der Geist nicht verloren gegangen ist, weil sich jeder wiederfindet, das ist eine politische Leistung, für die ich dem Landtag sehr dankbar bin. Ich bin sehr dankbar, dass ich daran teilnehmen konnte, dass wir uns gegenseitig das Vertrauen entgegengebracht haben, und ich bin vor allem dankbar dafür, dass es so gelungen ist, wirklich ein maßvolles Konzept für Inklusion auf den Weg zu bringen.

Das, Frau Berger, ist vielleicht auch ein Unterschied, das hatten wir in der Runde ja regelmäßig. Sie haben ein Weltbild, wie die Schule auszusehen hat, auch inklusive Schule. Die Schließung aller Förderschulen war immer ein Riesenthema und wir haben uns gefragt: Machen wir eigentlich Schulpolitik für die Menschen oder sind die Menschen unser Material, um unsere weltanschaulichen, schulpolitischen Vorstellungen umzusetzen? Das ist die unterschiedliche Perspektive. Wir möchten, dass es einen breiten gesellschaftlichen Konsens gibt, dass wir bei der Integration behinderter Menschen nicht in parteipolitischen Streit verfallen. Wir möchten, dass es verlässlich und schrittweise organisiert wird, und wir möchten vor allem nicht Eltern, die in einer sehr schwierigen familiären Lage sind, weil sie Kinder haben, die schwerstbehindert sind, entgegentreten und sagen, es ist uns vollkommen egal, ob ihr für eure Kinder Schäden befürchtet, ihr werdet zwangsinkludiert in Regelschulen. Das ist eine moralische Anmaßung ohne Ende, das tun zu wollen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Das machen die drei großen Parteien beziehungsweise Fraktionen dieses Hauses nicht und ich glaube, dass die Menschen in diesem Lande mit weit übergroßer Mehrheit das gut finden werden, dass wir das behutsam und schrittweise machen und dabei nicht übertreiben und uns überfordern, nicht nur uns, sondern natürlich diejenigen, die das am Ende umzusetzen haben. In diesem Sinne noch mal herzlichen Dank, dass ich diesen historischen Tag mit Ihnen erleben darf!

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oh! – Minister Harry Glawe: Ei!)

Das wird ins Familienalbum als einer der wichtigsten Tage meines Lebens aufgenommen

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD, Egbert Liskow, CDU, und Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn du jetzt noch anfängst zu singen: „An Tagen wie diesen“ … – Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

und ich hoffe, dass es auch gelingt, das in der nächsten Legislaturperiode unabhängig vom Wahlausgang wirklich umzusetzen

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Frau Berger wird exkludiert. Frau Berger wird exkludiert.)

und möglichst ab dem Jahr 2024 zu verlängern, im Interesse unserer Schulen, unserer Schülerinnen und Schüler, Lehrer und Eltern.