Protokoll der Sitzung vom 22.04.2016

sei es in der Familienbildung, in dem unterstützenden System, wie etwa die Familienhebammen, oder im eigenen Wirkungskreis. Jedoch kann auch der Staat nicht zu 100 Prozent vor Kindesmissbrauch schützen. Wenn es doch zu so einer abscheulichen Tat gekommen ist, hat er alles zu tun, damit dieser Missbrauch erkannt, geahndet und dem Kind geholfen wird.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Zuallererst stehen für den Kinderschutz die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sprich, die Landkreise und kreisfreien Städte in der Pflicht. Das Land hat noch nicht mal eine Weisungsbefugnis oder eine Fachaufsicht, nichts. Da liegt auf der Landesebene der Hund begraben. Das Land hat sehr wenige Einflussmöglichkeiten. Wenn ein solcher Fall geschehen ist, müssen sich alle sachlich hinterfragen, wo die Probleme lagen und was in Zukunft getan werden muss, um die Risiken für eine Kindeswohlgefährdung zu minimieren.

Die Tatsache des vielfachen, jahrelang unaufgedeckten sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Schweriner Verein „Power for Kids“ bewegt und beschäftigt uns alle. Wir, die demokratischen Fraktionen hier im Landtag und in der Stadtvertretung in Schwerin, fragen uns, wie es dazu kommen konnte und wo die Fehler im Hilfesystem lagen und liegen, an welcher Stelle der so wichtige Informationsfluss unterbrochen wurde oder nicht zu den erforderlichen Maßnahmen geführt hat.

Jugendämter sind kommunale Einrichtungen. Die Stadt Schwerin befasst sich mit der Aufklärung.

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Stefan Köster, NPD)

Den Fehlern im Jugendamt wird derzeit in einem Sonderausschuss in Schwerin nachgegangen. Einen voreiligen Beschluss im Landtag herbeiführen zu wollen, ist nicht zielführend.

(Michael Andrejewski, NPD: Sie wollen das nur begraben.)

Die Stadt klärt selber auf.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Es gibt einen Untersuchungsbericht der Oberbürgermeisterin.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Punkt 3 Ihres Antrages ist deshalb erledigt.

Zu Punkt 2 muss ich sagen, das ist wirklich eine infame und nicht zu rechtfertigende Behauptung, die komplett an der konstruktiven Befassung mit diesem Thema vorbeigeht. Es ist schon bemerkenswert, wie Sie zu so einer Unterstellung kommen,

(Michael Andrejewski, NPD: Sie wollen das nur zerreden.)

aber immer mit Feindbildern arbeiten. Das kennen wir von Ihnen.

(Thomas Krüger, SPD: Genau.)

Eine strukturierte und besondere Vorgehensweise ist genau das, was wir jetzt brauchen, was notwendig ist,

(Michael Andrejewski, NPD: Verschleppen und verzögern, das wollen Sie.)

aber was wir bestimmt von der NPD nicht erwarten können. Aufklärung und das Ableiten von Strategien und Maßnahmen, unter anderem für eine bessere Kinder- und Jugendhilfe, sind jetzt geboten.

Sie wissen es und Herr Köster hat es auch erwähnt, dass auf Antrag von SPD und CDU am 29. Juni 2016 eine Anhörung im Sozialausschuss im Landtag zu dem Thema „Kinder- und Jugendhilfestrukturen in MecklenburgVorpommern – Bestandsaufnahme und Handlungsoptionen für die Zukunft“ stattfinden wird.

(Michael Andrejewski, NPD: Das hätten Sie vielleicht vorher mal machen sollen.)

Wir haben es sehr unterstützt, dass diese öffentliche Anhörung hier im Landtag stattfindet, denn das ist unsere Aufgabe als Landesparlament, die Hilfestrukturen im Land auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen, um gegebenenfalls Änderungen herbeizuführen. Wir lehnen es ab, eine Hetzjagd zu veranstalten, so, wie Sie es gerne möchten.

(Michael Andrejewski, NPD: Ach, die armen Pädophilen!)

Wir pflegen auch nicht das Motto: „Hauptsache einen Schuldigen finden, die ganze Schuld und Wut auf ihn abladen und dann ist es gut.“ Nein, so einfach geht das nicht. Das wäre lediglich der Versuch, ein Symptom zu kurieren.

(Michael Andrejewski, NPD: Die Schuldigen sollen davonkommen.)

Personal führt aus auf Grundlage von strukturellen Vorgaben und ist nicht nur die Spitze eines nicht funktionierenden Systems. Natürlich müssen fallspezifisch Fehler und Ursachen untersucht werden, aber allein dabei kann es nicht bleiben. Wenn wir zukünftig sexuellen Missbrauch, Kindeswohlgefährdung, Vernachlässigung und Verwahrlosung, körperliche Misshandlungen, Totschlag verhindern oder zumindest so früh wie möglich erkennen wollen, dann müssen wir uns an die Verbesserung des Systems machen.

(Michael Andrejewski, NPD: Das müssen wir abschaffen, das System.)

Es darf gar nicht mehr passieren, dass es Durchlässigkeiten gibt, weder bei der Weitergabe von wichtigen Informationen noch bei der Ausführung von wichtigen Handlungen und dem Einleiten von Maßnahmen und Konsequenzen.

Wir auf Landesebene müssen uns fragen, ob auf Landesebene alles getan wird, um Kindeswohlgefährdung rechtzeitig zu begegnen und die Gefahren zu minimieren. Die Kinder- und Jugendhilfe muss dringend weiterentwickelt werden. Das geht unter anderem aus dem Bericht des Landesrechnungshofes hervor. Zudem hat sich die Übertragung des Landesjugendamtes auf den Kommunalen Sozialverband nicht bewährt und sich eher nachteilig auf die Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe ausgewirkt. Auch das finden Sie im Bericht des Landesrechnungshofes. Das, denke ich, ist inzwischen Konsens unter den demokratischen Fraktionen.

Als wir uns aber sachlich mit dieser Thematik hier im Dezember 2015 zum Antrag der LINKEN „Rückführung des Landesjugendamtes Mecklenburg-Vorpommern an das Landesamt für Gesundheit und Soziales … Mecklenburg-Vorpommern“ auseinandergesetzt haben, haben Sie diesen ohne Begründung abgelehnt. Sie haben es noch nicht einmal für notwendig erachtet, hier vorzugehen und zu dem Antrag oder dagegen zu sprechen.

(Michael Andrejewski, NPD: War ja auch sinnloses Gelaber.)

Und heute spielen Sie sich als Retter der Kinder auf?! Das finde ich eine bodenlose Frechheit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Unterrichtung der Landesregierung „Landesprogramm Kinderschutz“ ist im März 2016 erschienen. Sie führt Maßnahmen, Programme und rechtliche Regelungen auf. Die Landesregierung verweist in der Zusammenfassung des Landesprogrammes unter anderem darauf, dass die Entwicklungsperspektiven von Kindern und Jugendlichen weiter verbessert werden müssen, und vor allem darauf, dass noch zu prüfen ist, ob das vorliegende Programm Wirkung zeigt. Zudem wird der Zu

sammenhang von Kindeswohlgefährdung und sozial benachteiligten Familien im Landesprogramm deutlich gemacht. Kinderarmut ist Elternarmut. Damit sehen wir unseren Kampf gegen Kinderarmut noch mal deutlich bestätigt.

Wir müssen uns zudem die Frage stellen, wohin uns die Ökonomisierung der sozialen Arbeit gebracht hat, wenn es nicht mehr vorrangig um die Klientel geht, sondern vielmehr um Kostensenkung und niedrige Ausgaben, wenn Unterbesetzungen an der Tagesordnung sind und sich die Fallzahlen auf einem Schreibtisch bis ins nicht mehr Leistbare aufstapeln.

Kindeswohlgefährdung ist ein bundesweites Problem. Die Zahl der Leistungen im Rahmen der Frühen Hilfen hat sich 2002 bundesweit verdoppelt, deshalb müssen die Mittel für die Hilfen zur Erziehung weiter aufgestockt werden. Offensichtlich sind die Bedarfe viel größer. Was sich bewährt hat und maßgeblich helfen kann, ist die Unterstützung der Familien durch das Aufsuchen in ihrem Wohnumfeld. Pragmatische Hilfe und Fürsorge können helfen, Misshandlungen, Missbrauch und Vernachlässigung in der Häuslichkeit auf der einen Seite vorzubeugen dadurch, dass die Eltern entlastet werden, aber auch zu erkennen, ob ein Kind Opfer von Missbrauch geworden ist.

Es ist zudem die Frage, wie mit Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung vonseiten der Betroffenen und vonseiten des Staates umgegangen wird und wie verlässlich den Hinweisen nachgegangen wird. Es ist zu hinterfragen, warum Kontrollsysteme versagt haben, und zu eruieren, wie sie in Zukunft lückenlos funktionieren können. Dazu brauchen wir eine Verstärkung im Bereich der Frühen Hilfen und eine kritische Bestandsaufnahme bei der Ausstattung der beteiligten Institutionen.

Das Thema Kindesmissbrauch, meine sehr verehrten Damen und Herren, wurde hier im Landtag mehrfach diskutiert. Die NPD fiel zu diesem Thema mit ihren undurchdachten Hassreden auf. In einer Rede der NPD aus dem Jahre 2009 hieß es noch: „Menschen, die Kinder vergewaltigen, haben nach Ansicht der NPD ihr Recht verwirkt, überhaupt in einer menschlichen Gemeinschaft zu leben.“

(Michael Andrejewski, NPD: Allerdings!)

„Die Todesstrafe für einen Kinderschänder“

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

„wäre die angemessene Antwort der Gemeinschaft.“

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Sie haben nach Ansicht der NPD also auch das Recht auf Leben verwirkt. Die NPD meint, dass Täter nicht therapierbar sind und dass in deren Eliminierung eine Lösung liegt. Dass sie damit grundsätzlich gegen das Grundgesetz und die Grundwerte unserer Gesellschaft verstoßen,

(Michael Andrejewski, NPD: Das ist Schwachsinn.)

ist Ihnen entweder nicht bewusst oder Sie ignorieren es wie so vieles mit Vorsatz.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Zu Zeiten des Regimes, dessen Ideologie Sie heute noch weitertragen, wurden Menschen auch nur wegen eines Verdachts, einer falschen Äußerung oder einer Denunzierung hingerichtet.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja.)