(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war jetzt aber dünn.)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Über den Integrierten Landesverkehrsplan oder besser gesagt den Entwurf werden wir ja morgen noch reden, insofern werde ich mich dazu mit einer Gesamtbetrachtung heute zurückhalten. Das betrifft sozusagen die Reaktion auf das, was der Minister gerade gesagt hat. Es liegt ein konkreter Antrag vor und dazu möchte ich mich jetzt ganz gern verhalten.
Wir denken schon, dass eine Schienenoffensive in unserem Land dringend geboten ist. Der Bahn droht nicht nur im Land, sondern auch im Bund immer weiteres Ungemach. Deshalb sind gestern, wenn Sie das mitverfolgt haben, Mitglieder der Eisenbahnergewerkschaft vor Dobrindts Ministerium aufgezogen und haben gefordert, dass man die Bahn nicht immer weiter ins Abseits stellen darf.
Ich möchte hier gern betonen, dass wir die Eisenbahner in diesem Ansinnen natürlich voll unterstützen.
Aber nicht nur im Bund, auch im Land ist – entschuldigen Sie bitte, Herr Minister, dass ich das so benenne – die Bahnpolitik in jeder Hinsicht katastrophal. Solide ist nach unserer Auffassung was anderes, das kann man auch nach unserer Auffassung nicht nur finanziell betrachten. Weniger Mittel heißt bei uns im Land immer weniger Bahn, Landesgeld wird nicht eingesetzt. Ungenügende Bahnnutzung heißt, Angebote streichen und Strecken stilllegen. Anreize für mehr Fahrgäste gibt das Land im Prinzip nicht vor. Öffentlicher Personenverkehr darf nicht mehr kosten. Bahn und Bus werden mit unfairen Kostenvergleichen ausgespielt und das geht immer zulasten der Bahn. Die Bahn hat keine Lobby in dieser Landesregierung. Das ist eine Behauptung, aber ich sehe sie durch viele Maßnahmen und Aktionen in dieser Landesregierung bestätigt. Die Menschen, die die Bahn nutzen wollen oder müssen, werden nicht ernst genommen.
Das zeigten die vielen Debatten im Landtag zur Südbahn und zu den Auswirkungen des Fahrplanwechsels.
Kurzum, es steht schlecht um die Bahn in MecklenburgVorpommern. Wie gesagt, solide heißt für uns etwas anderes.
Der Rückzug der Deutschen Bahn aus Mecklenburg-Vor- pommern wird auch mit der Bahnoffensive, die angekündigt ist, nicht wieder ausgebügelt werden können und kommt außerdem viel zu spät. Das kein Ende nehmende Gerangel um die Verteilung der Regionalisierungsmittel tut sein Übriges. Von einer gewollten Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene ist längst keine Rede mehr.
Schade nur, dass der Antrag in der letzten Landtagssitzung dieser Wahlperiode behandelt wird, aber wir verstehen das als Auftrag für die nächste Legislatur.
Grundlage des Antrages ist die von den Bündnisgrünen in Auftrag gegebene Studie „Bahn- und Schienenoffensive Mecklenburg-Vorpommern“ der Berliner ETC Gauff Mobility Solutions, eines Beratungs-, Planungs- und Softwareunternehmens im Verkehrsmarkt. Sowohl der Antrag als auch die Studie werfen Fragen auf, die zu klären wären. Auch das eine oder andere inhaltliche Detail hätten wir gern im Ausschuss weiter ausführlich beraten, aber unmittelbar vor der parlamentarischen Sommerpause und am Ende der Wahlperiode bleibt dafür keine Zeit. Da wir das Anliegen politisch teilen, werden wir dem Antrag zustimmen, wenn auch in Details mit einigen Bauchschmerzen. Ich gehe im Folgenden darauf ein.
In Punkt 1 wird unter anderem die Einführung eines landesweiten Stundentaktes auf Ebene eines Regionalbahnangebotes gefordert und dabei sind Ungleichge
wichte auf der Angebotsseite abzubauen. Was genau gemeint ist, findet sich in der Studie. Dort ist die Bewertung des Status quo des Schienenpersonennahverkehrs vorgenommen worden. Es wird geschlussfolgert, dass falsche Akzente gesetzt werden. Der Minister hat es schon gesagt, nachfragestarke Strecken werden nur zweistündig bedient, während für weniger nachgefragte Relationen stündliche Angebote vorgehalten werden. Als Ziel wird formuliert, nachfrageorientierte Linien auf Einstundentakt zu heben.
So weit, so gut. Auch wir LINKEN wollen ein Hauptnetz im Schienenpersonennahverkehr im Stundentakt. Aber wir wollen nicht die Deutsche Bahn und damit den Bund aus der Verantwortung entlassen. Doch genau das impliziert die Studie, zumindest nach unserer Auffassung. Es werden nachfragestarke Strecken aufgeführt, für die ein Stundentakt im Nahverkehr gefordert wird, die eindeutig dem Fernverkehr zuzuordnen sind, wie Hamburg–Schwerin–Rostock, Berlin–Güstrow–Rostock, Berlin–Pasewalk–Greifswald–Stralsund. Dem Fernverkehr zuzurechnen ist eine Streckenlänge von über 50 Kilometern, über eine Stunde Fahrzeit oder ein Verkehr über Landesgrenzen hinweg. Derzeit kranken wir doch gerade daran, dass Fernverkehrsstrecken durch das Land bestellt werden, um überhaupt Angebote vorzuhalten. Das erfolgt ergänzend zum nicht ausreichenden Fernverkehrsangebot oder sogar als Ersatz zum fehlenden Angebot.
Die Deutsche Bahn hat Mecklenburg-Vorpommern vom Bahnverkehr abgehängt. Es existieren nur sehr wenige Fernverkehrsangebote, in den meisten Regionen gar keine. Im Klartext heißt das, der Bund kommt seiner grundsätzlichen Verpflichtung nicht nach, ein dem Wohl der Allgemeinheit dienendes Schienenpersonenverkehrsangebot vorzuhalten. Seit den 1990er-Jahren zieht sich der Bund schleichend aus der Verantwortung zurück. Was sich nicht rechnet, wird nicht bedient. Was sind die Folgen?
Erstens. Die abgezapften Regionalisierungsmittel stehen für die eigentliche Landesaufgabe, einen Schienenpersonennahverkehr als Daseinsvorsorge vorzuhalten, nicht zur Verfügung.
Drittens. Regionalzüge sind anders als ein Intercity oder ein ICE ausgestattet und für Urlauber mit Gepäck auf Rädern weniger geeignet. WLAN fehlt auch dort, wie in allen Zügen.
Diese Folgen sind die Ergebnisse einer unverantwortlichen Privatisierungspolitik von Bund und Deutscher Bahn, die die Bahn an die Börse führen sollte. Glücklicherweise ist das gescheitert, aber ein neuer Anlauf scheint nicht völlig ausgeschlossen. Die PDS hat damals, übrigens als einzige im Bundestag vertretene Partei, gegen diese Bahnprivatisierung gestimmt. Eine Privatisierung der Daseinsvorsorge ist mit uns nicht zu machen und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier im Landtag im November 2014 einstimmig den Antrag der Regierungsfraktionen „Zukunft
des Schienenpersonenfernverkehrs sicherstellen“ beschlossen. Daran fühlen wir uns weiterhin gebunden. Das bedeutet auch, dass die Bahn den Fernverkehr vor 2019 in Mecklenburg-Vorpommern ausbauen muss. Das ginge, wie seinerzeit im Antrag 2014 gefordert, mit einem Gesetz zur Sicherstellung des Schienenpersonenfernverkehrs. Zu solch einem Gesetz gab es im Bundestag und Bundesrat auch davor schon mehrere Anläufe von CDU/CSU, SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Minister Pegel wollte als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz 2015/16 einen erneuten Versuch wagen. Passiert ist im Ergebnis nichts.
Vor gut einem Jahr forderte auch die LINKEN-Bundes- tagsfraktion diesbezüglich eine gesetzliche Regelung. Auch das wurde abgelehnt. Mir ist das ehrlich gesagt unbegreiflich. Angeblich wollen doch alle Parteien in Regierungsverantwortung auf Landes- und Bundesebene das Gleiche, aber eine Mehrheit kommt nicht zustande. Die vorgeschlagene Bahnoffensive wird nicht ausreichen, um dem Grundgesetz Rechnung zu tragen. Deshalb stellt sich die Frage: Wollen wir Bund und Deutsche Bahn wirklich aus der Verantwortung entlassen, indem wir klein beigeben und diese Hauptstrecken als Nahverkehr bedienen? Sie hören das Fragezeichen. Einen Vorteil gäbe es allerdings: Die Planungssicherheit wäre größer, weil die Abhängigkeit von den Planungen der Deutschen Bahn entfallen würden. Diese grundsätzliche Frage sollten wir in Ruhe in der kommenden Wahlperiode diskutieren.
Auch der Punkt 2 Ihres Antrages, Kollege Jaeger, wirft für uns Fragen auf. Ein Konzept zum Ausbau der Streckenertüchtigung ausgewählter Strecken soll erarbeitet werden. In der Studie ist aufgeführt, welche Infrastrukturmaßnahmen notwendig wären, einschließlich grober Kostenschätzung. Da kommt eine ordentliche Summe zusammen, die durch Landesmittel zu schultern wäre. Zu klären ist im Vorfeld, für welche Infrastrukturvorhaben die Verantwortung eindeutig und ausschließlich beim Bund liegt. So hat sich beispielsweise der Bund von der vollständigen Umsetzung des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nummer 1 lange verabschiedet. Wir dürfen gespannt sein, ob es gelingt, wenigstens den punktuellen zweigleisigen Ausbau der Engpassbeseitigung zwischen Rostock und Stralsund und durchgängig 160 Kilometer pro Stunde zwischen Hamburg und Rostock im Bundesverkehrswegeplan zu verankern. Bisher befindet sich im Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes kein einziges neues Vorhaben in Mecklenburg-Vorpommern in der Projektliste Schiene des vordringlichen Bedarfs. Deshalb brauchen wir eine realistische Einschätzung, ob die gewünschten Effekte der Fahrzeitverkürzung eintreten, wenn der Bund nicht mitspielt.
Dann komme ich zum Punkt 3. Hier sind Strecken benannt, für die mittel- und langfristig eine Reaktivierung und Lückenanschlüsse umgesetzt werden sollen. Das tragen wir gern mit, aber auch dabei muss unterschieden werden, was in Landesverantwortung geht und was der Bund schultern muss. Tatsache ist, dass der Entwurf zum Bundesverkehrswegeplan 2030 Projekte wie die DarßBahn oder die Karniner Brücke bisher nicht berücksichtigt. Die Stellungnahme meiner Fraktion zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes sieht eindeutig die Verantwortung für beide Vorhaben beim Bund. Insbesondere beim Wiederaufbau der Karniner Brücke beziehungsweise einer direkten Bahnanbindung Usedom–Berlin über
Ganz und gar nichts kann ich mit dem Punkt 4 Ihres Antrages anfangen. Was ist mit Regionalisierung der Infrastruktur und einer Dezentralisierung ihrer Bewirtschaftung gemeint? Ohne eine Anhörung, in der Fachexperten erklären, ob so etwas überhaupt umsetzbar und sinnvoll wäre, kann meine Fraktion dem nicht vorbehaltlos zustimmen. Ich schlage vor, diesen oder einen ähnlichen Antrag in der kommenden Wahlperiode erneut und dann mit der dazu notwendigen Zeit sach- und fachgerecht zu behandeln. Auch sollten wir die Ergebnisse des von Minister Pegel viel zu spät, aber nun endlich in Auftrag gegebenen Gutachtens abwarten, mit dem erklärt werden soll, wie Fern- und Regionalverkehr wieder abgestimmt werden können, denn seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2015 – das haben wir hier ausführlich beraten – ist ja alles aus dem Takt geraten.
Ich betone für die Linksfraktion, dass wir die Initiative der Bündnisgrünen für eine Schienenoffensive begrüßen. Das Ende der Wahlperiode setzt nun Grenzen für die Beratung. Auch mit der Langfassung der Studie konnten wir uns aufgrund der Kürze der Zeit nicht angemessen befassen und gegebenenfalls externen Sachverstand zurate ziehen. Viele Fragen bleiben daher offen, einiges ist unklar. Nicht alles tragen wir vollumfänglich mit, aber wir unterstützen das politische Anliegen. Die Bahn muss auch in Mecklenburg-Vorpommern wieder eine Zukunft bekommen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Lieber Johann-Georg, wir haben uns ja eben schon mal kurz darüber unterhalten, vielleicht vorweg zwei Sätze oder ein etwas längerer Satz: Die Intention dieses Antrages oder die Intention überhaupt, das heute auf die Tagesordnung zu setzen – darüber haben wir uns ja auch schon unterhalten –, halte ich durchaus für wichtig. Ich glaube schon, dass in diesem Land Bahnverkehr neu gedacht werden muss, und deswegen finde ich es immer gut, wenn sich auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen demokratischen Fraktionen Gedanken darüber machen, wie zukunftsfähige Strukturen aussehen können.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag, der hier zur Abstimmung vorliegt – und das ist meiner Meinung nach weniger ein Umstand, den man den Kollegen aus der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorwerfen kann –, basiert auf einem Gutachten, das aus meiner Sicht an erheblichen, ich will es mal vorsichtig formulieren, Defiziten leidet. Ich weiß nicht, was für dieses Gutachten bezahlt worden ist, aber ich stehe auf dem Standpunkt, es war auf jeden Fall zu viel.
Meine Damen und Herren, ich will das an einigen wenigen Punkten deutlich machen. Wenn man sich dieses Gutachten zur Hand nimmt, wird als Erstes dargelegt, wie sich die Situation des Schienenpersonennahverkehrs in den verschiedenen Bundesländern seit der Regionalisierung 1994 bis 2015 entwickelt hat und dass die SPNVLeistungen bundesweit einen erheblichen Sprung von fast 40 Prozent zugelegt hätten, nur in Mecklenburg-Vor- pommern sei alles so schrecklich, weil hier im Lande kaum ein Zuwachs vonstattengegangen wäre.
Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da muss man einfach die Ausgangssituation kennen. Dass das so ist, liegt in erster Linie daran, dass in den westdeutschen Bundesländern vor 1990 oder genauer gesagt bis Mitte der 90er noch ein Fernverkehr unterhalb der heutigen IntercityLinien gefahren worden ist, das sind die ursprünglichen Interregiozüge gewesen. Diese sind abgebaut worden, mussten kompensiert werden in diesen Ländern durch Nahverkehr. Das hat es in den ostdeutschen Bundesländern so nicht gegeben, weil die Bahn dieses Angebot in dem Maße nie gefahren hat. Deswegen sind die Zuwachsraten hier auch in Mecklenburg-Vorpommern entsprechend geringer. Daraus den Schluss zu ziehen, so, wie das Gutachten das unterstellt, hier im Lande wäre im Grunde der Umgang – und da muss ich dann auch die Kritik von Frau Kollegin Schwenke zurückweisen – mit dem Schienenpersonennahverkehr nicht entsprechend der Erfordernisse oder entsprechend der Möglichkeiten, das ist schlichtweg eine falsche Schlussfolgerung. Das ist ein Beispiel, wie dieses Gutachten arbeitet und woran es leidet.
Ich möchte es auch noch an einem anderen Punkt deutlich machen. Herr Minister Pegel hat schon auf die Zuwachsraten hingewiesen. 48,6 Prozent sind es, glaube ich, wenn ich das richtig im Kopf habe, die erzielt werden sollen durch diese Verbesserung des Nahverkehrsangebotes, sehr geehrte Damen und Herren, hier im Land, wenn man den Vorschlägen dieses Gutachtens folgen sollte. Aber dann muss man das Gutachten in Gänze nehmen. Das Gutachten unterstellt bei der Ausweitung des Schienenpersonennahverkehrs im Grunde eine wirklich grundlegende Neuheit, wenn man das mal so sagen darf, dass tatsächlich – es ist hier schon angesprochen worden, auch Frau Kollegin Schwenke hat das, glaube ich, eben erwähnt – quasi in Verdopplung des Nahverkehrsangebotes auf den drei Hauptachsen hier im Land zumindest teilweise Fernverkehr gefahren wird.
Wenn ich dieses Angebot verdopple, also 100 Prozent mehr Leistung habe – ich will jetzt gar nicht auf die Frage eingehen, wie das technisch und im betrieblichen Ablauf vonstattengehen soll und ob ich hinterher nur einen Zuwachs von 48 Prozent habe, also knapp 50 Prozent –, dann sollte man vielleicht schon mal nachdenken, lieber Johann-Georg Jaeger, zumindest über Teile dieses Fernverkehrsangebotes. Auch das wird hier im Gutachten mit einem Nebensatz formuliert, aber im Endeffekt zur Seite geschoben, dass ein Teil dieses Schienenpersonenfernverkehrsangebots, das überhaupt im Lande vonstattengeht – und ich meine jetzt wirklich SPNV und nicht das, was Frau Kollegin Schwenke eben angesprochen hat –, quasi als Ersatzfernverkehr bezahlt wird durch Regionalisierungsmittel, dass das tatsächlich in weiten Teilen schon durch Landesmittel beziehungsweise durch Regionalisierungsmittel unterstützt wird.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich will das noch an einem dritten Punkt deutlich machen und das soll es