Stattdessen setzen wir uns darüber auseinander, wie hoch dieser sein sollte, um beispielsweise auch vor Altersarmut zu schützen.
Zu den tendenziell erfreulichen Entwicklungen gehört sicher auch, dass Arbeitslosigkeit abgenommen hat, dies jedoch vor allem demografisch bedingt.
Allerdings darf diese Entwicklung nicht den Blick dafür verstellen, dass die Zahl der Betroffenen immer noch viel zu hoch ist. Jeder zehnte Erwerbsfähige saß im Juni in unserem Bundesland offiziell arbeitslos zu Hause, darunter auch 6.400 Jugendliche unter 25 und 28.000 über 50Jährige.
Arbeitslos und im Hartz-IV-Bezug waren 58.000 Frauen und Männer. Gleichzeitig gab es nur 13.000 offene Stellen. Das heißt, trotz abnehmender Arbeitslosigkeit können schon rechnerisch nicht alle Betroffenen am sogenannten ersten Arbeitsmarkt ankommen. Dennoch werden SPD und CDU am Freitag im Bundesrat die Sanktionsmöglichkeiten weiter verschärfen. Das ist absurd und das ist auch das völlige Gegenteil von sozial.
Dass die Arbeitslosigkeit abgenommen hat, ist auch der Zunahme sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen geschuldet.
Die Zunahme basiert nämlich vor allem auf einem Zuwachs an Teilzeitbeschäftigung bei gleichzeitiger Abnahme der Vollzeitstellen, Herr Waldmüller. Wenn man sich das in einem Zehnjahresfenster anguckt, dann sank die Zahl der Vollzeitstellen um 30.000 und gleichzeitig verdoppelte sich die Zahl der Teilzeitstellen um 146.000.
Nun ist Teilzeit nicht per se schlecht, aber wenn Teilzeit und ein niedriges Lohnniveau zusammentreffen, dann stellt das natürlich ein Problem dar. Beim Durchschnittseinkommen lag unser Land im vergangenen Jahr mit 40.000 Euro brutto an 15. Stelle knapp vor SachsenAnhalt, was natürlich auch Folgen hat. Welche zum Beispiel, das konnte man in der SVZ dieser Tage lesen. Was nämlich die Zahl derer, die neben dem Haupterwerb noch einem Minijob nachgehen, anbetrifft, steigt diese trotz Mindestlohn kontinuierlich an. 2015 waren das mehr als 21.000 Beschäftigte. Das heißt, jeder vierte Minijobber tat dies, weil das Einkommen im Haupterwerb nicht reichte, und das nenne ich eine durchaus besorgniserregende Entwicklung. Deswegen habe ich zur Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns um 34 Cent auf künftig 8,84 Euro erklärt, dass das bestenfalls ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung sein kann,
(Torsten Renz, CDU: Wie viel würden Sie denn nehmen? – Wolfgang Waldmüller, CDU: Was ist denn Ihr Vorschlag?)
denn mit Blick auf die Vermeidung von Altersarmut nach 45 Jahren Vollzeitbeschäftigung – nach 45 Jahren Vollzeitbeschäftigung, Herr Renz, die müssen Sie erst mal erreichen –
Nun besteht hoffentlich Einigkeit darüber, dass der Mindestlohn nur die untere Haltelinie im Lohngefüge darstellen kann und soll und dass deshalb Tarifverträgen eine herausragende Bedeutung zukommt. Deshalb war ein Ziel der Landesregierung auch – Ziffer 28 Koalitionsvertrag – die „Stärkung der Tarifpartnerschaft“.
Tatsächlich hat die Tarifbindung in den fünf Jahren RotSchwarz weiter abgenommen. Fielen zu Beginn der Wahlperiode noch 48 Prozent aller Beschäftigten unter den Geltungsbereich von Tarifverträgen, so sind es heute nur noch 42 Prozent. Auch die Zahl der tarifgebundenen Betriebe stagniert bei 22 Prozent.
Tarifauseinandersetzungen gab es in den letzten Jahren viele. Von der Landesregierung hörte und hört man in solchen Auseinandersetzungen dagegen relativ wenig. Stattdessen hat sie hier ein Tarifeinheitsgesetz verteidigt, mit dem das Streikrecht weiter ausgehöhlt wird und dessen Schicksal angesichts anhängiger Klagen beim Bundesverfassungsgericht völlig offen ist. Ob Deutsche Bahn, Deutsche Post, Sky Service Center, Erzieherinnen oder aktuell die Ernährungsindustrie – kein Wort dazu aus der Staatskanzlei. Und da geht es nicht um direkte Einflussnahme auf die Verhandlungen. Selbstverständlich gilt Tarifautonomie, aber wenn Fördergelder in Millionenhöhe durch das Land fließen, und das an Branchenführer wie Dr. Oetker oder Nestlé,
dann darf man auch mal eine Erwartungshaltung mit Blick auf die Prinzipien guter Arbeit in Richtung der Arbeitgeber formulieren. Das ist nicht verboten, sondern das ist im Gegenteil sogar angezeigt.
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)
Im Land geht es zum Beispiel auch darum, das Vergabegesetz zu einem echten Tariftreuegesetz weiterzuentwickeln, denn wer die Tarifbindung effektiv stärken will, der darf die Lohnuntergrenze natürlich nicht dauerhaft an den Mindestlohn binden, sondern muss bei eigenen Auftragsvergaben Tarifverträge zum Maßstab machen. Wie das geht, sieht man in Schleswig-Holstein.
Gute Arbeit umfasst aber mehr als eine faire Entlohnung. Es geht auch um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes. Natürlich ist die Anzahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse auf etwa 70.000 zurückgegangen, aber immer noch werden viele Arbeitsverhältnisse befristet geschlossen. Das trifft insbesondere Jüngere und wirkt sich natürlich hemmend auf die Familienplanung und andere Themen aus. Das gilt gleichermaßen für die konstant 10.000 Leiharbeiter und eine mangels Meldepflicht nicht zu beziffernde Zahl von per Werkvertrag Beschäftigten.
Gute Arbeit hat auch etwas zu tun mit eigenen Einflussmöglichkeiten. Es geht um Mitreden, um Mitgestalten und natürlich um Mitbestimmen. Wir wissen, dass dort, wo Betriebsräte existieren, die Entgelte höher, die Arbeitsbedingungen besser, die Arbeitsplätze sicherer und oft sogar die Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher sind. Der Anteil der Beschäftigten mit gewähltem Betriebsrat beträgt bei uns dennoch nur 33 Prozent. Damit liegen wir sowohl unter dem Bundes- als auch unter dem ostdeutschen Durchschnitt von 43 beziehungsweise 36 Prozent. Wir wissen auch, dass lediglich 8 bis 9 Prozent aller Betriebe hier im Land über eine professionelle Interessenvertretung verfügen. Initiativen, um die Mitbestimmung zu stärken, hat die Landesregierung hier jedoch abgelehnt.
Immer wichtiger für gute Arbeit wird angesichts älter werdender Belegschaften das Thema „Arbeitsschutz und
betriebliche Gesundheitsfürsorge“. Die Herausforderung besteht – insbesondere bei uns – darin, die Klein- und Kleinstbetriebe dafür zu sensibilisieren. Deswegen war es richtig, das Netzwerk Arbeit und Gesundheit ins Leben zu rufen. Statt aber nun die durchaus erfolgreiche Netzwerkarbeit weiter zu fördern und die Strukturen auszubauen, gibt man das jetzt einem neuen Träger, macht aus einem gemeinsamen Service des Landes in Kooperation mit weiteren Netzwerkpartnern ein kostenpflichtiges Angebot und erhöht so die Hürden für die Klein- und Kleinstunternehmen wieder. Das halten wir für den falschen Weg.
Auch beim Arbeitsschutz sieht es schlecht aus. Über Jahre hatte unsere Arbeitsschutzbehörde den höchsten Personalabbau bundesweit zu verkraften. Rechnerisch kommt hier nur alle zehn Jahre mal einer zu einer Betriebskontrolle vorbei und wenn, dann stichprobenartig oder anlassbezogen. Da ist es klar, dass es schwerer statt leichter wird, die Schutzrechte von Beschäftigten durchzusetzen.
Ich sage auch: Wer die Notwendigkeit guter Arbeit glaubhaft verkörpern will, der muss mit gutem Beispiel vorangehen, und zwar nicht nur mit Initiativen in Fachministerkonferenzen oder im Bundesrat – die sind auch überschaubar, was diese Landesregierung angeht –, sondern ebenso mit Entscheidungen im eigenen Einflussbereich.
Schauen wir doch mal: das anonymisierte Bewerbungsverfahren in den eigenen Ministerien zu testen – abgelehnt,
der Erlass der Praktikantenrichtlinie wird zwar noch mal diskutiert, ich gehe davon aus, er wird wieder abgelehnt. Ein anderes Beispiel: private Mitbenutzung von DienstKfz für Beschäftigte der Landesforst – abgelehnt in der letzten Sitzung.
Und was lesen wir dann heute in der SVZ? Nur „jeder zehnte Bürger ab 25“ nutzt die Chancen, die ihm das Bildungsfreistellungsgesetz bietet. Dürftige Angebote und ein laut DGB Nord „weiterbildungsfeindliches Klima“ in vielen Unternehmen sind ursächlich dafür.
Mecklenburg-Vorpommern muss daher seinen Weg, ein Land guter Arbeit zu werden, in den kommenden Jahren konsequenter in Angriff nehmen. Der Anspruch, niemanden zurücklassen zu wollen, darf nicht aufgegeben werden. Gute Arbeit bedeutet gerechte Entlohnung, ein hohes Niveau an Entwicklungs-, Einfluss- und Lernmöglichkeiten für die Beschäftigten, gesundheitsverträgliches und altersgerechtes Arbeiten sowie die Sicherung der Vereinbarkeit von Privat- und Erwerbsleben.