Protokoll der Sitzung vom 07.07.2016

(Udo Pastörs, NPD: Das nützt gar nichts.)

Und das sollten wir auch in Angriff nehmen, denn jetzt fangen die Gewerbesteuerzahlungen langsam an loszugehen,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

weil natürlich in den ersten Jahren wenig gezahlt wird. Das hängt mit den Abschreibungen zusammen. Aber jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, auf die Kommunen zuzugehen und zu sagen, legt da wirklich Wert drauf, redet mit den Beteiligten, die meisten wissen gar nicht von der Möglichkeit und könnten das problemlos ändern. Da brauchen wir ein klares Signal.

Warum brauchen wir auch dieses Signal von der Landesregierung? Weil natürlich dieser 90:10-Schlüssel am Ende zu etwas weniger Gewerbesteuerzahlung insgesamt führt. Das hängt schlicht damit zusammen, dass Kommunen wie Bremen, Rostock ganz andere Hebesätze für die Gewerbesteuer haben, die dann natürlich zu anderen Realsteuereinnahmen in den Kommunen führen würden. Der Steuerzahler hat also unter Umständen Interesse daran, bei 70 : 30 einfach zu bleiben, weil er sagt, insgesamt haben wir mehr Einnahmen im Haushalt. Deswegen ist es eine politische Aussage zu sagen, das wissen wir, aber wir wollen für die Gemeinden vor Ort was tun.

Deswegen der zweite Gedanke mit dem FAG, zu sagen, wir wissen, dass die Gemeinden vor Ort niedrigere Gewerbesteuersätze haben. Das ist auch so, weil sie schlechtere Voraussetzungen für Gewerbebetriebe haben. Aber oft ist ja der Windpark der einzige Gewerbebetrieb, der da irgendwas real zahlt in die Gemeinde. Und deswegen wäre es überhaupt kein Problem, den Gewerbesteuersatz hochzuziehen auf den Gewerbesteuersatz von Rostock, und siehe da, wir würden auch als Steuerzahler insgesamt nichts verlieren.

Die Frage ist: Warum machen das die Kommunen nicht? Und die Aussage, die wir aus der Fläche bekommen, ist eindeutig. Die sagen, wir quälen doch keine Leute vor Ort, wenn wir davon am Ende, außer dass wir sie gequält haben, nichts haben, weil alles im Solidartopf verschwindet. Deswegen müssen wir darüber nachdenken, ob wir in irgendeiner Form mehr Anreize schaffen für die Kommunen, für eine vernünftige Anhebung der Gewerbesteuer vor Ort zu sorgen, damit wir als Steuerzahler mehr davon haben. Ob das mit den 500.000 Euro – da haben wir ja „Prüf“-Auftrag ausdrücklich reingeschrieben – der richtige Weg ist oder andere Summen da überlegt werden, das haben wir hier im Land politisch in der Hand und können darüber nachdenken, es so zu machen.

Dass die Bundesländer, um darauf noch einmal zurückzukommen, natürlich diesen 90:10-Schlüssel nicht wollen, wie Baden-Württemberg, NRW, auch Hamburg, kann ich sehr gut nachvollziehen. Die müssen auf ihre Haushaltslage auch achten. Aber da wir die Möglichkeit jetzt schon haben über freiwillige Sachen, fehlt im Grunde genommen nur ein Rundschreiben der Finanzministerin, in dem drinsteht: Wir bekennen uns dazu, liebe Gemeinden, von uns kriegt ihr Vertragsentwürfe, die rechtssicher sind, und das Innenministerium als Kommunalaufsicht ist da auch bei den Gemeinden, die so was machen. Dann würden wir sehr schnell relativ viele Summen rüberbekommen.

Das Thema Beirat, weil es noch mal angesprochen wurde: In dieser Beiratsgeschichte, wo Beschlüsse einstimmig zu fassen sind, würde natürlich nicht jeder Quatsch

geregelt – völlig logisch, damit würde nämlich das Unternehmen vor die Wand fahren –, sondern es würde im Kern geregelt, dass der Sitz des Unternehmens klar zu benennen ist und dass ein Verkauf nur mit Mehrheit im Beirat zu genehmigen ist. Das würde dazu führen, dass diese Projekte nicht einfach durchgereicht werden und vor Ort nichts ankommt.

Der letzte Gedanke – den finde ich schon wirklich interessant, den sollte man und muss man auf Bundesebene diskutieren –, das ist die Frage: Wenn solche Projekte weiterverkauft werden, ein erheblicher Veräußerungsgewinn entsteht, warum sagt man da nicht, hier schlagen wir als Gewerbesteuer auch zu, weil dadurch ist praktisch Gewerbesteuer in den Standortgemeinden entgangen?

(Udo Pastörs, NPD: Was machen wir denn dann mit der Einstimmigkeit?)

Das ist einfach ein Fakt und das muss in irgendeiner Form geregelt werden.

Ich glaube, wir haben hier ziemlich gute Vorschläge gemacht. Ich weiß, die Legislaturperiode ist zu Ende, und ich möchte mich ausdrücklich auch bei Ihnen allen noch mal bedanken, bei dir, Rudi Borchert, auch bei Ihnen, Herr Minister. Es hat Spaß gemacht im Energiebereich mit Ihnen an Lösungen zu arbeiten.

(Udo Pastörs, NPD: Dann ist ja alles in Ordnung.)

Nicht alle Lösungen sind perfekt, das ist mir auch klar. Aber ich hoffe, in der nächsten Legislaturperiode geht es mit diesem Thema richtig engagiert weiter. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. Auf Wiedersehen!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Jaeger.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5519. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5519 bei Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Gegenstimmen der Fraktionen der SPD, der CDU, DIE LINKE und der NPD abgelehnt.

(allgemeine Unruhe)

Zugestimmt? Oh, Entschuldigung. Dann hat DIE LINKE zugestimmt. Ich korrigiere mich.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 91: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Gesellschaftliche Bedeutung von Whistleblowing anerkennen – Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber schützen, auf Drucksache 6/5516.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Gesellschaftliche Bedeutung von Whistleblowing anerkennen – Hinweis- geberinnen und Hinweisgeber schützen – Drucksache 6/5516 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Borchardt für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Ende der Wahlperiode hat meine Fraktion Ihnen einen Antrag vorgelegt, in dem es darum geht, erstens einem Beschluss der Justizministerkonferenz Nachdruck zu verleihen und zweitens eine schnellere Lösung und Umsetzung einzufordern. Konkret geht es um den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, den sogenannten Whistleblowern.

Meine Fraktion unterstützt ausdrücklich die Entscheidung der Justizministerkonferenz, sich dieses Themas anzunehmen, erwartet aber auch zugleich, dass nun endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Für uns steht fest, der aktuelle Schutz ist nicht ausreichend, aber darauf komme ich an anderer Stelle zurück. Zunächst möchte ich Sie mit dem aktuellen Stand der politischen Auseinandersetzung in den letzten Jahren vertraut machen.

Schon im Jahre 2012 gab es im Bundestag parallel Gesetz- beziehungsweise Antragsentwürfe von SPD – damals noch in der Opposition –, Bündnisgrünen und der LINKEN zu diesem Thema. Alle wurden abgelehnt. Im Jahre 2014 stellte die LINKEN-Bundestagsfraktion erneut einen Antrag mit dem gleichen Titel wie unser heutiger Antrag. Auch der wurde mehrheitlich abgelehnt. Parallel dazu gab es einen Gesetzentwurf der BündnisgrünenFraktion mit ähnlicher Stoßrichtung, ebenfalls abgelehnt. Festzustellen ist auch, dass die SPD in Regierungsbeteiligung das Thema offensichtlich nicht weiterverfolgt hat, wie so vieles. Druck gab es aber auch aus den Ländern. Berlin und Hamburg starteten im Bundesrat eine Initiative, auch diese wurde abgelehnt.

Begründet wurde die Ablehnung mit der Einschätzung, dass die vorhandenen gesetzlichen Schutzvorschriften, wie etwa das Maßregelungsverbot in Paragraf 612a BGB, ausreichend seien und es darüber hinaus eine ausgeprägte Rechtsprechung gebe. Aber, meine Damen und Herren, der Paragraf 612a ist etwas dünn und die einschlägige Rechtsprechung sehr einzelfallbezogen und wenig rechtssicher. Klare Rechtsvorschriften sind mehr als überfällig.

Meine Damen und Herren, das Thema ist also nicht neu. Bewusst haben wir denselben Titel wie im Antrag unserer Bundestagsfraktion gewählt, um der ganzen Problematik etwas mehr Nachdruck zu verleihen. Nun wissen wir ja alle, dass manche politischen Entscheidungen Zeit benötigen, aber Jahre? Dazu kommt wie auch in anderen Rechtsbereichen, dass immer dann, wenn es einen aktuellen Fall im Bereich Hinweisgeber gibt, der für unser Rechtsverständnis nicht hinnehmbar erscheint, ein Aufschrei durch die Politik erfolgt, der dann ganz schnell wieder vergessen wird und von der Tagesordnung verschwindet, ohne dass am Ende irgendetwas passiert. Man wartet also, bis der Aufschrei der Entrüstung sich gelegt hat, und lässt die Sache im Sande verlaufen.

Aus unserer Sicht...

(Im Plenarsaal klingelt ein Handy. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich entschuldige mich. Mein Telefon ist eigentlich leise. Ich weiß nicht, was das ist. Wahrscheinlich der Datenschutz!

(allgemeine Unruhe und Heiterkeit – Zuruf von Stefanie Drese, SPD)

Okay. Also Entschuldigung. Das ist mal schlecht.

Aus unserer Sicht sollte nun aber endlich gehandelt werden, der Justizministerin ein konkreter Handlungsauftrag übertragen werden.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um unser Anliegen auch aufgrund von Problemen in unserem Land zu verdeutlichen, möchte ich Ihnen ein paar Beispiele nennen.

Vor Kurzem sprach mich ein Bürger an, der mit genau diesem Problem persönlich konfrontiert ist. Er war als Bilanzbuchhalter in einem Unternehmen tätig. Nachdem er dort Unregelmäßigkeiten festgestellt hat, informierte er die Banken über einen möglichen Bilanzbetrug und das zuständige Finanzamt über möglichen Umsatzsteuerbetrug, die Veruntreuung von Fördergeldern und so weiter und so fort. Insgesamt besteht der Verdacht des systematischen Steuerbetrugs von knapp 7 Millionen Euro, in gleicher Höhe der Verdacht auf Subventionsbetrug. Daraufhin wurde er wegen eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses fristlos gekündigt. Das Verfahren gegen das Unternehmen läuft noch. Bei dem genannten Hinweisgeber war man schneller: Seine Klagen vor dem Arbeitsgericht wurden abgeschmettert, er wurde wegen Verrats von Betriebsgeheimnissen verurteilt und soll nun auch noch Schadenersatz an das Unternehmen zahlen.

Was, meine Damen und Herren, wenn sich am Ende herausstellt, dass sich sämtliche Vorwürfe des Hinweisgebers als richtig erweisen? Vielleicht sollte man prüfen, ob derartige Verfahren, die als Retourkutsche gegen einen Hinweisgeber oder eine Hinweisgeberin erfolgen, nicht erst mal ausgesetzt werden?

Es gab und gibt aber auch noch andere unzählige Fälle, wo Mängel im Hinweisgeberschutz offensichtlich werden und wurden. Eine Frau, die in der Altenpflege tätig war, hatte Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber wegen des Verdachts auf Betrug und weitere Straftaten gestellt. Hintergrund: ihre Besorgnis um erhebliche Personal- und Qualitätsmängel in der Pflege. Sie wurde daraufhin fristlos gekündigt. Sie klagte sich durch die deutsche Gerichtsbarkeit und bekam nirgends recht. Erst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, dass die deutschen Gerichte Fehler bei der Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers gemacht hatten, und gab ihr recht. Dieser Vorgang, meine Damen und Herren, macht deutlich, warum wir dem Hinweis auf die schützende Wirkung der deutschen Rechtsprechung nicht ganz folgen wollen und lieber ein richtiges Gesetz hätten.

Ich möchte aber auch noch mal ein Beispiel nennen, warum wir in gewissen Bereichen auf Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber angewiesen sind. Im März 2013 brachten wir den Antrag „Verbrauchersicherheit im Lebens- und Futtermittelbereich herstellen“ in den Landtag ein. Hintergrund waren damals verschiedene Anlässe, wie der Skandal um Pferdefleischlasagne in Supermärkten oder belastetes Tierfutter.

Werte Kolleginnen und Kollegen, Sie werden sich zumindest an diese Vorfälle noch erinnern. Ich erinnere mich deshalb so gut, weil ich damals die Rede für meinen Fraktionskollegen Dr. André Brie gehalten habe. Ver

braucherschutzminister Backhaus war damals im Agrarausschuss und hat dazu berichtet und auch im Landtag hat er dazu gesprochen. Grundsätzlich war die Situation die, dass man sicherlich gewisse Forderungen im Verbraucherschutz aufmachen konnte, was wir auch getan haben, aber es natürlich keine hundertprozentige Überwachung von Lebens- und Futtermitteln geben kann. Insofern war der Vorwurf damals an die Kontrollbehörden nicht ganz so groß. Wenn etwas falsch deklariert wird, ist es nun mal Wirtschaftskriminalität, und diese ist mit gewöhnlichen Lebensmittelkontrollen schwer aufzudecken, weil die Betrüger natürlich auch alles versuchen, um nicht entdeckt zu werden. Damit sind wir im Wirtschaftsstrafrecht. Das sind dann auch genau die Situationen, in denen man auf Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber angewiesen ist. Ohne sie wird es schwierig, hier Straftaten aufzudecken.

Auch im öffentlichen Dienst müssen die Schutzrechte verbessert werden. Ich erinnere an eine Mitarbeiterin im Jobcenter Hamburg, die „freigestellt“ wurde, weil sie die Sanktionspraxis kritisierte und von einer vorgegebenen Sanktionsquote sprach. Wenn es solche Quoten gibt, dann muss das aufgedeckt werden, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie aufdecken, dürfen keine Repressalien fürchten müssen.

Meine Damen und Herren, kommen wir nun zum dritten Grund, warum wir diesen Antrag hier eingebracht haben. Tatsächlich haben wir überlegt, ob wir die Forderung wirklich an einen Prüfauftrag koppeln sollen oder gleich in die Vollen gehen und den unbedingten Erlass eines Gesetzes fordern sollten. Man kann sich nämlich die berechtigte Frage stellen, ob es einer Prüfung hinsichtlich der Notwendigkeit eines solchen Gesetzes überhaupt noch bedarf, schließlich hat es in den letzten vier Jahren zu diesem Thema im Bundestag zwei umfangreiche Anhörungen gegeben. Da könnte man ja meinen, dass man sich zur Genüge ein Bild von der Situation gemacht habe. Aber erstens geht der Prüfauftrag an die Bundesregierung und nicht an den Bundestag und zweitens können sich die Situationen ja auch verändert haben. Insofern ist es dann doch sinnvoll, noch einmal zu prüfen. Außerdem stellt der Prüfauftrag in gewisser Weise den kleinsten gemeinsamen Nenner dar, in dem für alle eine Zustimmung möglich war. Und genau das hoffe ich natürlich auch in unserer heutigen Debatte.

Schaut man sich die Diskussionen im Bundestag, speziell die im Jahre 2012 an, stellt man schon fest, wie unübersichtlich die Lage war und vermutlich auch noch ist. Nicht mal die Oppositionsfraktionen konnten sich auf eine einheitliche Linie verständigen. Zwar hatten alle Fraktionen betont, wie wichtig der Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern sei, aber während CDU/CSU und FDP der Meinung waren, der bestehende Schutz sei ausreichend, ging uns der Entwurf der GRÜNEN generell nicht weit genug und der der SPD hatte bedauerlicherweise den öffentlichen Dienst ausgeklammert.

Daran sieht man also, dass die Positionen doch weiter auseinanderliegen, als man zunächst glaubt. Da macht eine Prüfung dann auch Sinn. Da für uns natürlich feststeht, dass am Ende ein Gesetz erforderlich sein wird, haben wir eine entsprechende Forderung angehangen.

Meine Damen und Herren, auf dem Papier mag die Zahl der Fälle im Bereich der Wirtschaftskriminalität ja rückläufig sein,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

aber vielleicht sollte man sich einmal die Frage stellen, ob dieser Rücklauf nicht etwas mit dem schlechten Hinweisgeberschutz zu tun hat. Insofern sollten wir darauf hinwirken, dass Gesetze geschaffen werden, die Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber besser schützen und sie ermutigen, ihr Wissen preiszugeben. Sie sollten nicht eingeschüchtert werden. Insofern freue ich mich auf die Debatte. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)