Protokoll der Sitzung vom 07.07.2016

Stattdessen hat sich die Landesregierung auf Banken und Berater verlassen und die Werften wurden von diesen wie eine Weihnachtsgans ausgenommen. Eines der teuersten Finanzierungskonzepte wurde aufgelegt, mit dem die Werften mittelfristig nicht wettbewerbsfähig waren.

Was gab es für Alternativen?

(Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als GRÜNE sagen, im Jahr 2009 hätte eine Rettungsbeihilfe ausgezahlt werden müssen, diese hätte man bei der EU notifizieren können.

Und ich widerspreche Ihnen, Frau Drese, dass ein Standort deswegen hätte geschlossen werden müssen. Das stand nicht fest, denn wir sehen, dass zur gleichen Zeit Frankreich, auch mitten in der Krise, sehr viele Beihilfen notifiziert hat und unglaublich viel durchbekommen hat, was gegen entsprechende Beihilferichtlinien de facto verstoßen hat, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Udo Pastörs, NPD: Die machen ja eine staatliche Industriepolitik, die machen wir ja gar nicht.)

Also ich glaube, das wäre ein Weg gewesen.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Aber selbst 2011 hätte man noch mit einer geordneten Insolvenz den größten Schaden abwenden können, denn im Sommer 2011 war der Schaden für das Land nur halb so groß. Erst im Herbst 2011 und dann noch mal durch die Notifizierung einer weiteren Rettungsbeihilfe hat sich der Schaden für das Land verdoppelt. Hier hätte man noch mal etwas für die Werften und auch für das Land tun können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass die Staatsanwaltschaft derzeit nur an der Oberfläche kratzt,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

wenn sie gegen die Geschäftsführung wegen Insolvenzverschleppung ermittelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mir nicht vorstellen, wie eine Geschäftsführung und wie Wirtschaftsprüfungsunternehmen so, ich sage mal, zielgerichtet an einem 100-Millionen-Euro-Loch konsequent vorbeigeprüft haben und vorbeigeschaut haben. Ich sehe da – ich kann mir das nicht mit Fahrlässigkeit erklären – in der Tat Vorsatz.

(Udo Pastörs, NPD: Wo sind die Beweise?)

Und sollte sich das bestätigen, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, wären unter vorgetäuschten falschen Tatsachen Fördermittel erschlichen worden, und Sie wissen, was das bedeutet. Also auch hier, denke ich, müssen wir noch genauer schauen, aber das liegt außerhalb des Tätigkeitsbereiches des Untersuchungsausschusses. Wir sind keine Ermittlungsbehörde.

(Jochen Schulte, SPD: Was haben wir denn jetzt? Haben wir eine vorsätzliche Täuschung durch Dritte oder hat die Landesregierung was verkehrt gemacht? Da müssen Sie sich auch mal entscheiden!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zunächst einmal zum Fazit.

(Egbert Liskow, CDU: Verfolgungswahn! – Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

1 Milliarde Euro offener Forderungen stehen hier im Raum im Insolvenzverfahren, 500 Millionen Euro öffentliche Bürgschaften sind verloren gegangen, 1 Milliarde Euro Fördermittel im Standort Stralsund mussten für 5 Millionen Euro aus der Konkursmasse verkauft werden. 1.800 direkte Arbeitsplätze sind vernichtet worden, während im gleichen Zeitraum bundesweit die Zahl der Arbeitsplätze im maritimen Sektor konstant blieb. Die Reputation, also der gute Ruf, des Schiffbaustandortes Mecklenburg-Vorpommern ist nach dem ScandlinesFähren-Desaster schwer beschädigt.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Den haben Sie beschädigt.)

Insbesondere die Werft in Stralsund,

(Egbert Liskow, CDU: Da arbeiten Sie ja jeden Tag dran.)

das darf man nicht vergessen, ist seit vier Jahren de facto erkaltet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und wenn Sie sich jetzt als Große Koalition hier hinstellen und sagen, das war eine Erfolgsgeschichte, dann, muss ich sagen, ist das weltfremd.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Wer hat denn das gesagt?)

Ich glaube, wenn man hier nicht so sehr auf die Berater gehört hätte, nicht so sehr auf die Banken, und den Mut gehabt hätte, 2009 bei der EU-Kommission eine entsprechende Beihilfe zu notifizieren, dann hätten wir möglicherweise am Standort Stralsund vielleicht eine kleinere Werft, aber eine quicklebendige Werft, und nun haben wir dort leider gähnende Leere.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Waldmüller.

(Egbert Liskow, CDU: Sag ihm mal, dass das beschämend war!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden, es liegt uns jetzt die Beschlussfassung nach vier Jahren Untersuchungsausschuss vor. Lassen Sie mich wie folgt da- rauf eingehen. Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen und dem Ausschusssekretariat für die geleistete Arbeit,

(Beifall Thomas Krüger, SPD)

aber auch für die umfangreiche Recherche und vorbereitende Arbeit ganz, ganz herzlich danken. Das war eine Mammutaufgabe.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU und Torsten Koplin, DIE LINKE)

Bis zu dem jetzt vorliegenden Sachstandsbericht wurde parallel immer wieder in den Presseberichterstattungen, aber auch in den Pressemitteilungen der Opposition von geheimen Papieren, horrenden Gebühren, mutmaßlicher Insolvenzverschleppung gesprochen. Es wurden Geschichten erzählt, Verschwörungstheorien gesponnen und heute bei der Aussprache geht das munter weiter.

Herr Holter stellt sich hier hin und behauptet, die Landesregierung wollte die Werften loswerden.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Natürlich!)

Eine unglaubliche Unverschämtheit, so etwas hier zu behaupten! Sie wissen ganz genau – vom ersten Tag an! –, dass die Werften für Mecklenburg-Vorpommern eine große volkswirtschaftliche Bedeutung haben, der Erhalt des Industriezweiges und der Arbeitsplätze die entscheidende Rolle gespielt hat, und dann können Sie sich nicht hier hinstellen und sagen, die Landesregierung wollte die Werften loswerden.

Und bei den GRÜNEN, wenn man das hört, Herr Saalfeld, dann denkt man sich, Sie sind irgendwo in einer Parallelwelt. Ich weiß nicht, wo Sie waren, wir waren im Untersuchungsausschuss, dem PUA. Das, was Sie hier erzählen, hat mit den Sachverhalten, die wir dort ergründet haben, überhaupt nichts zu tun.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Jetzt liegt der abschließende Bericht vor, der ja lange ein Abschlussbericht werden sollte und auch so erstellt wurde, und man kann sich die Frage stellen, welche dieser Geschichten nun mit Nachweisen belegt ist. Und Sie werden sich wundern: keine. Keine dieser im Vorfeld spannend erzählten Storys konnte auch nur ansatzweise durch die Untersuchung im Ausschuss bestätigt werden. Der Opposition ist es nicht gelungen, irgendwelche Belege für diese unterstellten Dinge zu finden. Die Koalitionsfraktionen kommen nach den fast vier Jahren deshalb zu dem Ergebnis, dass der Landesregierung keinerlei Fehler bei der getroffenen Entscheidung über die finanzielle Unterstützung der P+S Werften unterlaufen ist, und die Landesregierung trifft auch keinerlei Mitverantwortung am Scheitern der Sanierung. Sie hat zu jedem Zeitpunkt im Rahmen des rechtlich Möglichen und wirtschaftlich Vertretbaren eine besonnene Entscheidung über finanzielle Hilfen für die P+S Werften getroffen.

Aus unserer Sicht begann die Ursache für die späte Insolvenz der P+S Werften GmbH mit finanziellen Turbulenzen im Jahr 2011 durch verzögerte Zahlungseingänge, verschiedene Besteller und durch eine unglückliche Havarie eines Schiffes auf der Probefahrt, was zur nicht fristgemäßen Ablieferung führte, sowie daraus resultierende finanzielle Engpässe, welche sich auf die Arbeitsmoral der Zulieferer auswirkten. Diese Schwierigkeiten gipfelten dann im Zusammenwirken mit Managementfehlern darin, dass die Scandlines-Fähren schlussendlich nicht abgeliefert werden konnten.

Die Landesregierung, der Bund und die finanzierenden Banken wurden von der Geschäftsführung der Werften lange im Unklaren über den wahren Abarbeitungsstand der Aufträge gelassen, sogar als mithilfe des Wirtschaftsministeriums neue Ablieferungstermine mit

Scandlines für die beiden bestellten Fähren ausgehandelt wurden. Auf ausdrückliche Nachfrage wurde bestätigt, dass die neuen Liefertermine leicht zu erreichen seien – eine deutliche Fehleinschätzung, wie sich später herausstellte. Das gesamte Ausmaß der aus dieser Aussage resultierenden Schwierigkeiten zeigte sich erst, als der neue Geschäftsführer Fuchs zusammen mit den Vertretern der Landesregierung an seinem ersten Arbeitstag Anfang August 2012 eine Besichtigung der Fähren vornahm. Dabei wurde offensichtlich, dass auch diese neu verhandelten Ablieferungstermine nicht zu halten waren.

In der Folge musste festgestellt werden, dass weder Scandlines bereit war, nochmals über spätere Ablieferungstermine zu verhandeln, noch die zu diesem Zeitpunkt bereits genehmigte Rettungsbeihilfe aufgestockt werden konnte und dass sie auch nicht ausreichen würde, um den finanziellen Bedarf der Werft bis zur Erstellung eines Umstrukturierungskonzeptes sicherzustellen. Dies führte dann zwangsläufig innerhalb weniger Tage zur Insolvenz am 29. August 2012.

Und um das noch einmal deutlich zu sagen, die CDUFraktion ist davon überzeugt, dass die Mitarbeiter der Werften in Wolgast und Stralsund durchaus in der Lage waren und sind, anspruchsvolle Schiffbauprojekte zu bauen und fristgerecht abzuliefern,

(Udo Pastörs, NPD: Die Akten sagen was anderes.)

allerdings bedarf es dafür auch einer qualifizierten Anleitung durch die Geschäftsführung. Gerade in diesem Bereich mussten wir bei den Untersuchungen Schwachpunkte feststellen.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Zum einen war das Klima auf den Werften nicht mehr von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit geprägt. Dazu haben uns mehrere Zeugen im Ausschuss bestätigt, dass durch Herrn Dr. Brammertz ein autoritärer Führungsstil gepflegt wurde. Berichtet wurde, dass Muskeln bewundert werden sollten und Personen in der Zusammenarbeit mit ihm eben Schwierigkeiten hatten. Und zum anderen sind durch die Geschäftsführung operative Fehler zu verantworten. Dazu gehört der nicht in dem notwendigen Umfang realisierte Ausbau der Konstruktionsabteilung, die nicht in ausreichender Weise erfolgte Zusammenführung von extern vergebenen Konstruktionszeichnungen ebenso wie das nicht im erforderlichen Maße durchgeführte Gewichtsmanagement.

Genauso schwerwiegend ist aber, dass es der Geschäftsführung nicht gelungen ist, für eine ordentliche und fristgemäße Koordinierung der Arbeiten der Zulieferfirmen zu sorgen. Dies zeigt sich besonders bei den Scandlines-Fähren und hat zur ersten Nichteinhaltung der vereinbarten Liefertermine geführt. Dies alles sind aber reine operative Probleme der Werft, welche von einer kompetenten Geschäftsführung zu lösen sind. Im Nachhinein muss man feststellen, dass dazu die damalige Geschäftsführung der P+S nicht in der Lage war. Dies ist jedoch ein Umstand, den niemand vorhersagen und welchen die Landesregierung bei ihrer Entscheidung auch nicht vorhersehen konnte.