Protokoll der Sitzung vom 08.07.2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 126. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratung vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 95: Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“, auf Drucksache 6/5610.

Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ – Drucksache 6/5610 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende Herr Jörg Heydorn.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sag mal, die CDU ist aber auch reichlich dezimiert.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Dann beginnt der Vorsitzende mal mit der Berichterstattung. Es ist ja eine inzwischen überall bekannte Tatsache, Mecklenburg-Vorpommern, unser Bundesland, ist in besonderem Umfang vom demografischen Wandel betroffen. Das heißt, wir haben auf der einen Seite eine starke Alterung der Bevölkerung und wir haben es auf der anderen Seite noch mit dem Phänomen zu tun, dass wir in vielen Bereichen unseres Bundeslandes sehr dünn besiedelt sind. Deswegen hat der Landtag in seiner 8. Sitzung am 1. Februar 2012 die Einsetzung einer Enquetekommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ beschlossen, die den Auftrag bekam, konkrete Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die die Versorgung und die gesellschaftliche Teilhabe von älteren Menschen in unserem Bundesland zum Inhalt hatte, also die Frage: Wie kann man hier Lebensqualität sichern und wie kann man die Menschen so stellen, dass sie gut am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können?

Die Enquetekommission hat inzwischen zwei Zwischenberichte vorgelegt. Der erste Zwischenbericht war im März 2014 und er ist mit großer Mehrheit durch die demokratischen Fraktionen beschlossen worden. Gleiches gilt für den zweiten Zwischenbericht. Auch dieser ist quasi mit großer Mehrheit durchgetragen worden. In unserer Sitzung am 3. Juni 2016 hat sich die Kommission mit großer Mehrheit zu diesem Abschlussbericht bekannt.

Wenn man auf unsere Arbeit zurückblickt, muss man ein paar Dinge, denke ich, noch mal erwähnen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja?)

Das Erste, wir haben eine relativ umfassende Findungsphase gehabt. Also es war die Frage zu klären, wie weit man die Arbeit ausdehnen soll, und vor allen Dingen war auch die Frage zu beantworten, was für eine Arbeitsweise wir praktizieren sollen. Jeder, der in irgendeiner Form in der Kommission vertreten ist, schleppt seine Papiere an, legt sie auf den Tisch, dann sichtet man das gemeinsam und legt fest, dass irgendwie weitergearbeitet wird, bildet Arbeitsgruppen und so weiter und so fort. Wir ha

ben uns letztendlich dazu entschlossen, ein bestimmtes Verfahren zu implementieren, dass im Wesentlichen darauf fußt, dass wir Expertengutachten vergeben zu einzelnen Themen, zu denen wir uns verständigt haben, die dann die Grundlage sind, die Dinge weiter zu beraten.

Wenn man das im Nachhinein betrachtet, war das eine sehr effiziente Geschichte, denn wir haben noch ein paar andere Dinge beschlossen. Wir haben gesagt, das Thema „demografischer Wandel“ und Handlungsempfehlungen dazu sind von einer derartigen Bedeutung, dass wir versuchen sollten, uns als demokratische Parteien innerhalb der Enquetekommission nicht gegeneinander zu stellen, sondern gemeinsame Lösungen zu finden, das heißt also eine konsensorientierte Arbeitsweise. Eine solche konsensorientierte Arbeitsweise bedeutet natürlich auch immer, dass man viel verhandeln muss, denn jeder will ja in irgendeiner Form seine Sache untergebracht wissen. Das heißt, damit ist in erheblichem Umfang Aufwand verbunden. Im Nachhinein muss man aus meiner Sicht sagen, es hat sich gelohnt, denn diese konsensorientierte Arbeitsweise

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Können wir öfter mal machen.)

beeinflusste auch sehr stark die Arbeitsatmosphäre in der Kommission, das heißt, man war da sehr sachorientiert unterwegs.

(Udo Pastörs, NPD: Und konsensorientiert.)

Herr Pastörs, Sie sind wie immer in der Regel ahnungslos in der Sache, immer dezidiert in der Auffassung und oft auch harsch im Ton.

(Michael Andrejewski, NPD: Eine Selbstbeschreibung. – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und Sie haben natürlich vor, das in dieser letzten Landtagssitzung fortzusetzen. Aber vielleicht …

(Stefan Köster, NPD: Bekommen Ihre Mitarbeiter jetzt gerechte Löhne, ja oder nein? – Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD und Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht können Sie sich ja ein bisschen mäßigen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wenn man die Kernaspekte betrachtet, die nach wie vor von Bedeutung sind, dann muss man sagen, es gibt Hinweise, dass das Thema Abwanderung im Osten nicht mehr die Rolle spielt, wie das noch vor einigen Jahren der Fall war.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Es ist keine Jugend mehr da, die weglaufen kann.)

Ich möchte verweisen auf das Gutachten vom BerlinInstitut für Bevölkerung und Entwicklung, das jetzt festgestellt hat, dass das Thema „Abwanderung aus dem Osten“ gestoppt ist, dass der Osten auch wieder Zuwachs hat. Aber das betrifft nur einen geringen Teil unserer Städte und Gemeinden, nämlich 15 Prozent, also insgesamt in den ostdeutschen Bundesländern haben wir

diesen Zuzug. Andere ländlich periphere Räume sind nach wie vor von dem Thema Abwanderung betroffen.

Ich will jetzt auf ein paar Dinge eingehen, die sich meines Erachtens durch die gesamte Arbeit an den Themen der Enquetekommission ziehen, und auf ein paar Grundsätze, die hier erarbeitet worden sind, die ich für besonders wichtig halte.

Es heißt, die Kommission hat sich zu der Erkenntnis durchgerungen, dass die Möglichkeiten, Versorgungsangebote und Unterstützungsangebote zu machen, bei uns im Land sehr unterschiedlich sind. Im Kern kann man sagen, je größer die Gemeinde, desto mehr Möglichkeiten gibt es, institutionelle Angebote aufrechtzuerhalten und anzubieten. Das bedeutet auf der anderen Seite, je kleiner ein Gemeinwesen ist, desto größer ist das Ausmaß an Selbsthilfe.

Dabei muss man sich die Frage stellen: Was bedeutet letztendlich Selbsthilfe? Überlässt man die Leute sich selbst oder welche Angebote muss man machen, um hier zu einer entsprechenden Unterstützung zu kommen?

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und das ist der zweite Punkt: Durch alle Themen der Enquetekommission zieht sich die Notwendigkeit eines qualifizierten Beratungsangebotes. Wir sagen, es muss Beratungsangebote geben, an die sich die Menschen wenden können und die ihnen sagen, wie man bestimmte Dinge macht, also wie ich einen Dorfladen entwickle, wie ich zum Bürgerbus komme, wie die versicherungsrechtlichen Sachen dabei sind und so weiter und so fort. Denn eins fällt bei uns im Land auf: Auch in den ländlichen Regionen gibt es auf der einen Seite Dörfer, bei denen man den Eindruck hat, die Dinge funktionieren. Da ist Leben, da ist Gemeinschaft, die organisiert wird, und in der Nachbargemeinde, die sich offenkundig durch nichts unterscheidet, passieren diese Dinge nicht. Wenn man der Frage nachgeht, woran das liegt, dann hat das immer mit Menschen zu tun.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Auf der einen Seite gibt es Leute, die wissen, wie es geht, und auf der anderen Seite scheint das nicht der Fall zu sein. Wir sind der Meinung, dass man diejenigen, die diese Kenntnisse nicht haben, nicht alleinlassen kann, sondern denen unterstützende Beratungsangebote zur Verfügung stellen muss,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

wo sie sich hinwenden können und die Frage beantwortet bekommen, wie man bestimmte Dinge auf die Reihe bringt.

Ein weiterer Punkt, der sich für uns durch alle Themen zog, war das, was wir als Kümmererstrukturen bezeichnet haben. Das heißt, man muss im Grunde so ein Netz von Kümmerern,

(Udo Pastörs, NPD: Netzwerke.)

sowohl ehrenamtliche als auch professionelle Kümmerer, im ganzen Land aufziehen, ausgehend von der Landesebene, runter auf die Kreisstrukturen, auf die Ämter und

bis in die Gemeinden, wo letztendlich Menschen sich darum kümmern, wie es den Leuten in ihren Örtlichkeiten geht

(Udo Pastörs, NPD: Sie machen das umgekehrt, Sie machen das von unten nach oben.)

und wie man den Dingen nachgeht, die man vor Ort für wichtig erachtet.

Bei dem Thema Kümmererstrukturen will ich noch kurz eingehen auf die Ehrenamtsstiftung, die ja hier gegründet worden ist und unseres Erachtens bei dem Thema eine ganz wichtige Rolle übernehmen kann.

(Udo Pastörs, NPD: Das nennen die Versorgungswerk.)

Lassen Sie mich noch mal zu den Inhalten der Zwischenberichte kommen, also das, was wir da gemacht haben. Wir haben im ersten Zwischenbericht angefangen, der Frage nachzugehen, wie denn die Lebenssituation von älteren Menschen bei uns in Mecklenburg-Vorpommern ist. Was für Altersbilder herrschen vor? Mit welcher Einkommens- und Vermögensentwicklung haben wir es heute zu tun? Und vor allen Dingen: Mit welcher Einkommens- und Vermögensentwicklung werden wir in den nächsten Jahren zu rechnen haben? Das ist eine Erkenntnis, die man würdigen muss.

Wir haben im Augenblick eine Situation, dass Rentnerinnen und Rentner in erster Linie Einkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben. 96 oder 98 Prozent stehen ausschließlich derartige Einkommen zur Verfügung und die werden in den nächsten Jahren nicht mehr werden, sondern wir werden es künftig mit einer älteren Bevölkerung zu tun haben, deren Biografien häufig gekennzeichnet sind von Arbeitslosigkeit und von geringen Verdiensten, und das macht sich beim Einkommen bemerkbar.

Das zweite Thema, was wir in dem ersten Zwischenbericht behandelt haben, ist das Thema Wohnen. Und da kann man sehr gut erkennen, wie eins ins andere greift, denn natürlich muss man von dem, was man in der Tasche hat, auch die Wohnung bezahlen. Eine Erkenntnis, die wir bei der Beschäftigung mit dem Thema Wohnen im Alter gehabt haben, ist, Wohnen wird perspektivisch nicht billiger. Das ist das eine. Eine weitere Erkenntnis ist, dass uns in erheblichem Umfang altengerechte Wohnungen in Mecklenburg-Vorpommern fehlen, das heißt Wohnungen, die in erster Linie möglichst barrierearm zugänglich sind. Da haben wir einen großen Nachholbedarf

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sind öffentliche Räume.)

und da kann man erkennen, dass die Arbeit der Enquetekommission durchaus ihre Wirkung gehabt hat. Das heißt, in der Zeit, als wir das Thema erörtert haben, wurde der Doppelhaushalt des Landtages verabschiedet, und da sind zum ersten Mal Fördermittel für diese Zwecke auch als Zuschuss eingestellt worden. Das, denke ich, ist der richtige Weg.

(Rainer Albrecht, SPD: Sehr richtig.)

Das heißt, „Wohnen im Alter“ war dann auch Gegenstand dieses ersten Zwischenberichts. Im zweiten Zwischenbe

richt haben wir uns mit dem Thema „Mobilität im Alter“ beschäftigt. Und auch das Thema Mobilität ist davon gekennzeichnet, dass die Mobilitätsangebote immer da besonders gut sind, wo viele Leute wohnen. Das heißt also, wir werden, wenn wir zukunftsweisende Mobilitätskonzepte umsetzen wollen, dazu kommen, dass wir in bestimmten Bereichen ein gutes ÖPNV-Angebot haben, was auch auf vertakteten Linien läuft, und so weiter und so fort. Wir werden in den ländlichen Regionen Mobilitätsangebote konzipieren müssen, die stark auf das Thema Selbstorganisation setzen. Auch da muss man die Leute unterstützen, und das – um das ein Stück weit abzukürzen – muss man gut miteinander vernetzen und verzahnen.

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)