Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

Das Wort hat … Das Mikro geht nicht. –

Wir verstehen das

auch so. – Präsidentin Sylvia Bretschneider:

Das Wort hat die Abgeordnete und Vizepräsidentin

Frau Lück für die Fraktion DIE LINKE.)

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die soziale Sicherung des Wohnens beruht ja auf drei Säulen: erstens die Förderung von Wohnraum, zweitens das Wohngeld und drittens die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung. Darüber sind wir uns ja einig. Alle drei Säulen hängen aber unmittelbar zusammen.

Objektförderung in Form von Zuschüssen oder Darlehen für die Wohnraumförderung hat die Aufgabe, die Kosten und damit die Mieten und Lasten geringer zu halten. Die Subjektförderung in Form von Wohngeld und der Übernahme von Wohnkosten sichert, dass Wohnraum allen zugänglich ist. Das gilt insbesondere für die, die sich nicht selbst auf dem freien Wohnungsmarkt versorgen können.

Aber das System ist auch sehr leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen und genau aus dem Grunde bin ich hier und habe diesen Antrag gestellt. Abstriche beim Wohngeld bewirken einen Anstieg bei den Kosten für Unterkunft und Heizung und umgekehrt. Das möchte ich Ihnen noch mal klarmachen.

Der Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung besagt, dass durch die Leistungsverbesserungen bei der Wohngeldreform 2009 zusätzlich bundesweit 240.000 Haushalte neu bezugsberechtigt wurden. 120.000 Haushalte wechselten aus dem SGB II in Wohngeld und weitere 120.000 Haushalte hatten erstmals Anspruch auf Wohngeld. Diese Gruppe bezog vorher keinerlei Leistungen.

Mit dem Streichen der Heizkostenpauschale ab 2011 kehrt sich doch dieser Effekt wieder um – zum Nachteil der Betroffenen. Zudem wird die Schere zwischen Inflationsrate und Einkommensentwicklung immer größer, und es sind ja nicht nur die Heizkosten, die sozusagen ansteigen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann Haushalte, die heute knapp oberhalb der Anspruchsberechtigung liegen, auf staatliche Hilfe angewiesen sein werden. Jeder Vierte rutscht bereits bei Arbeitslosigkeit sofort in Hartz IV.

Aber auch mit Job können hohe Nachzahlungsforderungen für Betriebskosten das Fass zum Überlaufen bringen. Auch hier könnte Wohngeld, das wieder die Heizkosten einbezieht, verhindern, dass Haushalte, wie viele andere schon, trotz Arbeit in Hartz IV geraten. Wohngeld, ich sagte es schon, das haben auch meine Kollegen gesagt, wird ja zur Hälfte vom Bund gezahlt, zur Hälfte vom Land. An den Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II beteiligt sich der Bund ja gegenwärtig mit 30,4 Prozent, fast 70 Prozent tragen aber die Kommunen.

Der Bundesanteil hat sich zwar erhöht, ist aber, wenn Sie ehrlich sind, eine Mogelpackung. Die Kommunen werden bei den tatsächlichen Kosten der Unterkunft nicht wirklich entlastet, denn das Mehr an Geld geht drauf, um Kosten für Leistungen und Verwaltung des Bildungs- und Teilhabepakets, für Mittagessen im Hort, für Sozialarbeiter, für Warmwasserkosten auszugleichen. Jede Verbesserung im Wohngeld ist damit auch ein Beitrag, um Kommunen von den Kosten der Unterkunft zu entlasten.

Kolleginnen und Kollegen, am vergangenen Sonnabend hat ja der Mieterbund eingeladen zu seinem Landesverbandstag. Die angekündigte Mietrechtsreform stand im Mittelpunkt der Debatte dort. Der Mieterbund, aber auch die anwesenden Bundestagsabgeordneten Frau Bluhm, aber auch Frau Steffen von der SPD ließen am aktuellen Referentenentwurf zur Änderung des Mietrechts kein gutes Haar. Wird das Mietrecht von Schwarz-Gelb wirklich so geändert, wie der Entwurf es vorsieht, geht es voll zulasten der Mieterinnen und Mieter. Auch diese Auswirkungen werden beim Wohngeld spürbar werden.

Das Ansinnen unseres Antrages stieß dagegen beim Mieterbund natürlich auf offene Ohren. Die Landesvorsitzende Doris Hildebrandt, aber auch der stellvertretende Bundesvorsitzende Dr. Pahlke ließen keinen Zweifel daran, dass Heizkosten wieder berücksichtigt werden müssen beim Wohngeld. Er sprach sogar davon, dass die Heizkosten eine dritte Miete darstellen.

Ich will es Ihnen noch mal sagen und ich finde es persönlich beleidigend, wenn mir gesagt wird, mein Antrag,

unser Antrag wäre unredlich, Kollege Müller, das ist nicht fair, so nach dem Motto, wir hätten es nicht berechnet.

(Heinz Müller, SPD: Was wird es denn für das Land kosten?)

Ich kann Ihnen sagen, wir haben gerechnet: Durchschnittlich 40 Euro pro Monat pro Wohngeldberechtigtem sind 480 Euro im Jahr, mal 41.000 Haushalte sind es natürlich 19 Millionen Euro. Davon muss das Land dann 10 Millionen tragen und davon muss der Bund 10 Millionen tragen. Das ist die einfache Rechnung, die ich auch versucht habe bei der Einbringung Ihnen genauso darzulegen in Form der Eckzahlen. Ich habe sie genannt und deshalb fand ich diesen Einwand von Ihnen nicht be- rechtigt.

Ich bitte um Überweisung unseres Antrages in die Ausschüsse, um das wirklich noch mal zu debattieren. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Wirtschaft und Soziales. – Regine Lück, DIE LINKE: Ach ja, Wirtschafts- und Sozialausschuss.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Rahmen der Debatte sind jetzt mehrere Anträge hier gestellt worden und ich lasse zunächst über den weitergehenden abstimmen. Das ist der Antrag auf Überweisung dieses Antrages in den Wirtschaftsausschuss federführend und mitberatend in den Sozialausschuss. Richtig. Wer diesem Vorschlag folgen kann, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, NPD, Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU abgelehnt.

Im Rahmen der Debatte ist ebenfalls beantragt worden, über die Buchstaben a) und b) insgesamt und über den Buchstaben c) des vorliegenden Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/566 einzeln abzustimmen. Ich sage dazu noch mal ausdrücklich, dass der Vortext zu den Punkten a), b), c) sowohl für die eine als auch für die andere Einzelabstimmung gilt, also der Vortext dazu.

Wer den Buchstaben a) und b) des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/566 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit sind die Buchstaben a) und b) des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/566 bei gleichem Stimmverhalten wie in der vorgehenden Abstimmung abgelehnt.

Wer dem Buchstaben c) des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/566 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Buchstabe c) des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/566 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der NPD, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft „Gesundheitswesen“, auf Drucksache 6/577.

Antrag der Fraktion der NPD Einrichtung einer Schwerpunktstaats- anwaltschaft „Gesundheitswesen“ – Drucksache 6/577 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Köster für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits im September 2009 beantragte die NPD-Fraktion die Bildung einer landeseigenen Antikorruptionseinheit im Gesundheitswesen, nachzulesen auf der Drucksache 5/2783. Hintergrund des damaligen Antrages war der Umstand, dass nicht zum ersten Mal der offenkundige Abrechnungsbetrug in weiten Teilen des Gesundheitswesens Gegenstand breitester Medienberichterstattung war.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Um auf den entfachten Wirbel in Medien und Öffentlichkeit zu reagieren, beschlossen die Bundesärztekammer, die Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung im Schnellgang die Einrichtung sogenannter Clearingstellen.

Herr Ringguth, gehts ein bisschen leiser?

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jaja, es geht.)

Hervorragend.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sind Sie hier der Oberlehrer?)

Seitdem hat sich in der Praxis wenig getan. Schon im Mai 2010 fasste daher unter anderem die „Frankfurter Rundschau“ nach und berichtete in ihrer Ausgabe vom 4. Mai 2010 unter der Überschrift „Ärzteschaft vertuscht Skandal“, Zitat: …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wer vertuscht was?)

Die Ärzteschaft, Herr Ritter.

„Im vergangenen Sommer war bekanntgeworden, dass Kliniken bundesweit tief in die Tasche gegriffen haben, um von Praxisärzten mehr Patienten zugewiesen zu bekommen. Das Entsetzen war groß. Trotz der Ankündigung der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Verstößen mit ‚allen zur Verfügung stehenden Mitteln nachzugehen‘ ist nach Recherchen der Frankfurter Rundschau seither wenig passiert“, Zitatende.

Und was 2010 und 2011 galt, gilt zum größten Teil noch heute. Die Korruption im Gesundheitswesen treibt immer neue Blüten. Die schwarzen Schafe im Gesundheitswesen bringen zugleich alle Rechtschaffenden in Verruf. Im April dieses Jahres berichtete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unter der Aufmachung „Die Krebs-Mafia“

von einem besonders widerlichen Kapitel der Korruption. Ganz offenbar wurden viele der rund 400 Apotheken, die in Deutschland Chemotherapie-Infusionen zubereiten dürfen, nach allen Regeln der Korruptionskunst von der Pharmaindustrie geschmiert. Als Folge müssen die Krankenkassen deshalb völlig überzogene Höchstpreise für diese Medikamente zahlen.

„Der Spiegel“ weiß am 7. April 2012 zu berichten, Zitat: „Das Modell scheint in der Branche verbreitet: Ein Krebspräparat, für das die Krankenkasse 1.000 Euro erstattet, kostet den Apotheker im Einkauf offiziell 900 Euro. Tatsächlich zahlt der Apotheker aber nur etwa 300 Euro. Die Differenz von 600 Euro erhält er über einen ‚Beratervertrag‘ oder andere Kick-backs zurück.“ Zitatende.

Bereits 2006 wurde mit dem Arzneiverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz jeglicher Rabatt verboten, der über sieben Prozent lag. Der Trick, um dennoch mehr Geld in die eigene Tasche zu wirtschaften, ist denkbar einfach. Die Apotheker lassen sich die Gelder in Form von Beraterverträgen mit der Pharmaindustrie zukommen. Nach „Spiegel“-Information rechneten einzelne Apotheker über diesen Umweg binnen Jahresfrist mal 38.000 Euro ab, mal über 10.000 Euro in einem Monat, mal über 33.000 Euro innerhalb von zehn Monaten. Von den 400 Krebsapotheken in Deutschland hatten alleine 65 entsprechende Verträge mit der Firma Zyo Pharma.

„Der Spiegel“ kommt in der genannten Ausgabe zu der Erkenntnis, Zitat: „Bei den Krebsapothekern stellt sich nicht die Frage, ob es schwarze Schafe gibt. Die Frage ist: Gibt es auch weiße?“ Zitatende.

In der Plenardebatte vom September 2009 wurde uns entgegengehalten, eine Einrichtung, wie von uns gefordert, sei alleine schon deshalb nicht notwendig, weil es im Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern eine Medizinmafia gar nicht gebe. Wörtlich sagte Professor Wolfgang Methling laut Plenarprotokoll zur Sitzung am 23.09.2009, Zitat: „Entgegen der Behauptung in der beigefügten Begründung gibt es in Mecklenburg-Vorpommern keine Medizinmafia.“ Und zwei Absätze später: „Wir können nach unseren Kenntnissen nicht feststellen, dass sich so eine Medizinmafia in Mecklenburg-Vorpommern etabliert hat.“ Soweit also das Plenarprotokoll, das man hier eigentlich zum damaligen Tagesordnungspunkt komplett verlesen müsste, vor allem inklusive der dümmlichsten Zwischenrufe aller Oberdemokraten, damit einmal deutlich wird, wie weit Sie schon von den tatsächlichen Geschehnissen im Land entfernt sind. Sie leben ganz offenbar in einem Traumland.

Der „Ostsee-Zeitung“ vom 20. April 2012 konnte man dann unter der Überschrift „Krebspatienten betrogen: Razzia in Arztpraxen und Apotheken. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mediziner und Apotheker in Rostock, Güstrow und Schwerin“, unter anderem Folgendes entnehmen, Zitat: „Großeinsatz für Polizei und Staatsanwaltschaft: 14 Praxen sowie Privaträume von Krebsärzten und Apothekern wurden am Mittwoch in Mecklenburg-Vorpommern durchsucht. Der Vorwurf: Verdacht auf Korruption. Eine bayerische Pharmafirma soll Ärzten unerlaubt Provisionen für die Verschreibung ihrer Krebsmittel zugeschoben haben. Er sei ‚entsetzt über die Skrupellosigkeit, mit der Hersteller, Beratungsfirma, Apotheker und Ärzte systematisch das Leben oft todkranker Patienten aufs Spiel gesetzt‘ hätten, sagt Frank Federau, Sprecher des niedersächsischen Landeskriminalamtes … in Hannover.“ Zitatende.

Zur Begründung unseres damaligen Antrages wurde auch auf den Umstand verwiesen, der Paragraf 299 Strafgesetzbuch greife in Sachen Bestechlichkeit beziehungsweise Bestechung nicht zwingend für Ärzte. Auch diese Feststellung konnten Sie damals nicht teilen. Im Gegenteil, unisono hieß es, eine Modifizierung der Rechtslage wäre gar nicht notwendig. Da sind Ihre Kollegen im Deutschen Bundestag inzwischen weiter.

Die Bundestagsdrucksache 17/3685 vom November 2010 trägt den Titel „Korruption im Gesundheitswesen wirksam bekämpfen“. In diesem SPD-Antrag heißt es unter anderem, Zitat: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, … 3. auf die Länder einzuwirken, damit diese besonders qualifizierte Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Ermittlungsgruppen bei der Kriminalpolizei zur Verfolgung von Korruption im Gesundheitswesen errichten.“ Weiter in der Begründung: „Besonders abwegig ist die bisherige Rechtslage, weil § 299 des Strafgesetzbuchs … (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftli- chen Verkehr) derzeit zwar auf angestellte Ärzte, z. B. in Krankenhäusern angewandt wird, nicht jedoch auf freiberuflich Tätige.“

Unter Punkt 3 der Antragsbegründung heißt es: „Die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften bzw. Verwaltungseinheiten mit sozialrechtlichem Spezialwissen muss forciert werden. Da diese Maßnahme im Verantwortungsbereich der Länder liegt, besteht keine direkte Gesetzgebungskompetenz durch den Bundesgesetzgeber. Es muss hier jedoch zumindest ein dringender Appell der Bundesregierung an die Länder erfolgen.“ Zitatende.

Man darf jetzt gespannt sein, ob die damalige gestörte Wahrnehmung oder besser, der Realitätsverlust in diesem Hohen Hause zwischenzeitlich einer gewissen Ernüchterung gewichen ist oder ob nach wie vor die Beratungsresistenz bei Ihnen die Oberhand behält. Nachdem die SPD-Bundesgenossen wenigstens, wenn auch mit erheblicher Verzögerung, unser Anliegen aufgegriffen haben,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die haben aber nicht Ihr Anliegen aufgegriffen.)

haben Sie im Land noch nicht einmal das Problem als solches wirklich erkannt. Mecklenburg-Vorpommern ist leider keine Insel der Glückseligkeit. Auch hierzulande gibt es Korruption und Abstechungsbetrug,