Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

Wir haben viel erreicht, wir haben noch gemeinsam viel vor. Und für diese Stärkung der frühkindlichen Bildung, für diese frühkindlichen Chancen brauchen wir jeden Euro und deshalb ist es keine bundespolitische Debatte, sondern eine knallharte Realitätsdebatte hier in MecklenburgVorpommern. Wir brauchen jeden Euro, um ihn in unsere Kitas zu stecken für den Ausbau der frühkindlichen Förderung und deshalb gehören diese 2 Milliarden Euro nicht in eine Fernhalteprämie, die Kinder von ihren Zukunftschancen und Frauen von ihren Chancen auf dem Arbeitsmarkt fernhält, sondern deshalb gehören diese 2 Milliarden Euro in den Kita-Ausbau, um die frühkindliche Bildung zu stärken. Das wäre Rückenwind für die Politik der Landesregierung und das wäre dann wirklich Zukunftspolitik für Familien auch in unserem Land.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Auseinandersetzung um das Betreuungsgeld und der Bundestagswahlkampf 2013 haben MecklenburgVorpommern erreicht. Und wir haben gerade gehört, dass die vermeintliche neue Bundesfamilienministerin sich versucht hat, in Stellung zu bringen.

Aber was war diese Debatte überhaupt? Es war ein reines Schmierentheater, was Sie hier verprasst haben und mit dem Sie sich auf dem Rücken der Eltern und der Kinder hier auszutoben versuchen. Dieses Schmierentheater haben weder die Kinder noch die Eltern verdient.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie sind ein Schmierentheater.)

Diese Debatte hier ist eine schallende Ohrfeige für alle Eltern, die ihre Aufgabe ernst nehmen.

Und wir hören, dass ein grundlegender Wechsel in der Familienpolitik vollzogen wird. Die Eltern werden mehr und mehr in diesem Land entrechtet. Freie Entscheidung, Frau Schwesig sprach gerade von der freien Entscheidung. Worin liegt diese freie Entscheidung allerdings? Darin, dass die meisten Frauen im Niedriglohnbereich arbeiten müssen, meistens noch nicht mal wollen, sondern müssen, mit wenigen 100 Euro dann nach Hause gehen, weil sie auf dem Arbeitsmarkt einfach gar keine andere Chance mehr haben. So ist die Realität, Frau Schwesig! Aber Sie in Ihrem Wolkenkuckucksheim sehen diese Realität nicht mehr.

Freie Entscheidung? Freie Entscheidung wäre dann hergestellt, wenn die Eltern entscheiden könnten, ob sie vor allem in den ersten drei Lebensjahren des Kindes das Kind zu Hause betreuen oder in eine Kinderbetreuung geben. Aber diese freie Entscheidung haben leider die wenigsten Eltern. Und dabei ist die Betreuung der Kinder durch die Eltern das Wichtigste für das Kind

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Zeltlager.)

und vor allem auch für die Eltern. Denn nur in der Familie erfahren die Kinder jene Geborgenheit, die sie letztendlich zu einem ganzen Menschen macht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Bei der HDJ, oder was?)

Und vor allem die ersten drei Jahre des Kindes in der Betreuung bei den Eltern sind besonders prägend.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Genau.)

Die sozialen Verwerfungen, die wir haben, rühren – und das haben wissenschaftliche Untersuchungen ergeben – vor allem auch aus den Gründen, weil die Eltern heutzutage nur noch wenig Zeit für die Kinder haben. Das sind die Ergebnisse Ihrer Politik.

Ich stimme Ihnen zu, das Betreuungsgeld ist ein fauler Kompromiss, genauso ein fauler Kompromiss, wie diese Landesregierung ein fauler Kompromiss ist.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oha!)

Und das Betreuungsgeld ist ein Almosen, denn es unterstützt die Eltern nicht wirklich.

Und, Frau Schwesig, wenn Sie glauben, dass eine Mutter, weil sie vom Staat 100 Euro im Monat kriegt, dann aus der Notwendigkeit heraus ist, arbeiten gehen zu müssen …

(Michael Andrejewski, NPD: Ja, 100 Euro reichen nicht.)

Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben, Frau Schwesig.

Das Betreuungsgeld ist aber ein Schritt in die richtige Richtung, ein Schritt zu mehr Wahlfreiheit. Das Betreuungsgeld ist natürlich viel zu niedrig. Jene Eltern, die sich entscheiden, ihr Kind von zu Hause aus zu betreuen, müssten von dem Betreuungsgeld letztendlich dieses auch finanzieren können.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aaah!)

Will heißen, sie müssten in der Lage sein, ohne Arbeit zumindest das Kind zu ernähren und sich selbst auch.

Wer aber Betreuungsgeld als Herdprämie bezeichnet, der diskriminiert jene Eltern, die sich für die Betreuung der Kinder von zu Hause aus entscheiden. Und die Fernhalteprämie, da stellt sich auch die Frage. Das Betreuungsgeld ist für Frau Schwesig die Fernhalteprämie, also für das Fernhalten von den Kindertageseinrichtungen. Sie wollen stattdessen auch eine Art Fernhalteprämie, indem Sie die Kinder durch den wirtschaftlichen Druck auf die Eltern in die Kindertageseinrichtungen geben wollen und sie somit von den Eltern fernhalten.

(Stefanie Drese, SPD, und Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ooh!)

Und dass das Betreuungsgeld jetzt auf Hartz IV angerechnet werden soll, das sind doch die realen Ergebnisse Ihrer Politik, denn Sie sind nicht an einer Familienpolitik interessiert, sondern Sie wollen Kinder und Eltern entfremden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Und Sie schicken sie in ein Zeltlager. – Stefan Köster, NPD: Zeltlager sind gut. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vor allem, wenn sie von der HDJ betrieben werden.)

Und das werden hoffentlich die Menschen im Land erkennen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Den Weg, den Mecklenburg-Vorpommern geht, hat die Ministerin eindrucksvoll skizziert und die SPD-Fraktion ist dabei stets an ihrer Seite und unterstützt das voll und ganz. Die frühkindliche Bildung steht für uns im Vordergrund, aber die Entscheidung der Eltern spielt dabei trotz alledem natürlich selbstverständlich eine wichtige Rolle.

Bei der Diskussion, die wir hier heute Morgen führen, ist einmal mehr die Kluft zwischen den ostdeutschen und den westdeutschen Bundesländern auch in Bezug auf das Familienbild insgesamt wieder klar zum Ausdruck gekommen. Und wenn ich so nach Berlin gucke und sehe da die Bundeskanzlerin

(Torsten Renz, CDU: Och, jetzt lassen Sie doch mal die Kanzlerin in Ruhe!)

und die Familienministerin – und gerade die Bundeskanzlerin –, muss ich sagen, jede Koalition birgt auch Kompromisse, die durchzusetzen vielleicht dem einen oder der anderen nicht ganz so leicht fallen, vor allen Dingen, wenn man in die Geschichte von Ost und West schaut

(Torsten Renz, CDU: Das war doch aber 2008 auch so ein Kompromiss beim Kinderförderungsgesetz.)

und die Sozialisierung der Frauen in der DDR und in der Bundesrepublik nach 1949 sich anschaut, ist das doch schon einen Blick wert.

Die Bundesregierung hat sich jedenfalls ganz sicher nicht träumen lassen, welch eine Welle – man kann das ja fast schon Tsunami nennen – die Einführung des verabredeten Betreuungsgeldes nun ausgelöst hat. Das ist auch sozusagen der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Die Frauen in der Bundesrepublik kennen die Diskriminierung auf vielfältige Art und Weise, die oft ganz subtil und erst auf den zweiten Blick überhaupt sichtbar wird. Im Arbeitsmarkt allerdings tritt sie dagegen doch sehr offen zutage. Und wenn man mal zurückschaut, das Grundgesetz hat die Gleichstellung festgeschrieben. Aber erst in den 1970er-Jahren wurde das Ehe- und Familienrecht dahin gehend geändert, dass Frauen selbstständig entscheiden durften, ob sie überhaupt arbeiten gehen und dafür nicht den Segen und die Erlaubnis ihres Gatten brauchten.

Das sah natürlich in der DDR damals ganz anders aus. Bereits 1949, als die erste Verfassung der DDR geschrieben wurde, stand da eine Gleichberechtigung der Frau ziemlich ausformuliert schon drin: Gleiche Rechte für Arbeit, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, aber auch gleiche Verantwortung für die Kinder waren darin festgeschrieben. Und dieses Bild galt bis zur Wende und nach wie vor.

Das sah in der Bundesrepublik ganz anders aus. Die Knüppel, die man da den Frauen zwischen die Beine warf, wenn es um das Arbeitsleben ging, die waren nicht von schlechten Eltern, kann man da nur sagen. Man hat sich da immer neue Dinge ausgedacht. Das Familienbild, das geprägt wurde und ja angelehnt war an das bürgerliche Familienbild, das sich im 17. und 18. Jahrhundert ausgeprägt hatte,

(Torsten Renz, CDU: Fuffzehnhundert.)

wurde immer ziemlich hochgehalten. Das Mutterbild war da manchmal ein bisschen skurril. Einerseits wurde das immer sehr hochgehalten, fast schon Madonnencharakter annehmend, auf der anderen Seite galt die Frau immer so als Anhängsel und Schmuckstück des Ehegatten,

ohne wirkliche Rechte und dagegen in erster Linie nur mit Familienpflichten.

Die Gesetzgebung auf Bundesebene hat sich erst in den 1980er-Jahren so richtig auf den Weg gemacht, Frauen auch im Arbeitsleben ein bisschen mehr zu festigen und zu unterstützen. Das hat einen langen Werdegang, hat viele gesetzliche Grundlagen erfordert und hat alles noch nicht mal zu einem Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft nach heutigem Resümee gereicht. Alle Vereinbarungen auf freiwilliger Basis haben nicht wirklich viel gebracht. Wir haben allerdings von der EU-Gesetzgebung her natürlich einige Dinge hier umsetzen müssen. Wir hatten das Job-AQTIV-Gesetz, das auch den Gleichstellungsgedanken und den Gedanken der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wieder in Fahrt gebracht hat. Das war im Jahre 2002. Wir sind hier in Mecklenburg-Vorpommern sehr gut weitergekommen insgesamt – und dann kommt das Betreuungsgeld.

Das Betreuungsgeld dient dazu, nicht nur die Kinder von frühkindlicher Bildung fernzuhalten, sondern natürlich auch die Frauen vom Arbeitsmarkt fernzuhalten. Und wenn man einen Blick in die alten Bundesländer riskiert, wird man feststellen, je länger Frauen vom Arbeitsmarkt fern sind, also je länger die Betreuungsphasen sind, umso geringer ist die Chance, wieder in ihren Ausbildungsberuf zurückzukehren.

(Torsten Renz, CDU: Aufgrund der Demografie werden wir jede Arbeitskraft brauchen.)

Jeder Blick über den Tellerrand zeigt auch, dass gerade, wenn wir hier darüber klagen, dass Akademikerinnen so eine schwache Geburtenrate vorweisen,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

dass überall dort, wo die Betreuungsangebote stimmen, wir von Anfang an auch eine höhere Geburtenrate zu verzeichnen haben