Protokoll der Sitzung vom 22.06.2012

Wer der Ziffer 3 des Antrages zuzustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe – Enthaltungen? – Damit ist die Ziffer 3 des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/798 abgelehnt bei Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der NPD, Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU und bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 26: Das ist die Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Lücke im hochsensiblen Bereich der Kinder- und Jugendarbeit schließen – zeitlichen Rahmen für die Neuvorlage des Führungszeugnisses im SGB VIII klar regeln, Drucksache 6/822.

Antrag der Fraktion der NPD Lücke im hochsensiblen Bereich der Kinder- und Jugendarbeit schließen – zeitlichen Rahmen für die Neuvorlage des Führungszeugnisses im SGB VIII klar regeln – Drucksache 6/822 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Sommer 2011 stellte der Dresdner NPDStadtrat, Hartmut Krien, an die Oberbürgermeisterin der Stadt Dresden eine Anfrage mit dem Titel „Führungszeugnisse für Tätigkeit mit Minderjährigen“.

In der Antwort der Oberbürgermeisterin findet sich ein Satz, der für den von uns eingebrachten Antrag entscheidend ist, Zitat: „Das Sozialgesetzbuch VIII enthält keine konkrete zeitliche Vorgabe für eine Neuvorlage des Führungszeugnisses.“ Zitatende.

In Paragraf 72a Absatz 1 des Sozialgesetzbuches VIII heißt es zunächst, dass die „Träger der öffentlichen Jugendhilfe … für die Wahrnehmung der Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe keine Personen beschäftigen oder vermitteln (dürfen)“, die unter anderem „verurteilt worden“ sind wegen:

Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht,

sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen,

sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung einer Amts

stellung,

sexuellen Missbrauchs von Kindern,

Vergewaltigung,

sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen,

Zuhälterei und Ausbeutung von Prostituierten,

sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen,

Verbreitung pornografischer Schriften,

Missbrauchs von Schutzbefohlenen,

Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeu

tung und Menschenraubes und

Kinderhandels.

Der Kreis der Personen, die für eine Tätigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe nicht infrage kommen, ist also sehr klar geregelt. Im Gegensatz dazu wird der zeitliche Rahmen nicht klar bestimmt.

In Paragraf 72a Absatz 1 Satz 2 heißt es, Zitat: „Zu diesem Zweck sollen sie“ – also die Träger der öffentlichen

Jugendhilfe – „sich bei der Einstellung oder Vermittlung und in regelmäßigen Abständen von den betroffenen Personen ein Führungszeugnis nach § 30 Absatz 5 … des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen.“ Zitatende.

Man kann sich natürlich jetzt auf den Standpunkt der Rechtsanwältin, oder einer Rechtsanwältin einer Hamburger Kanzlei stellen, die zur derzeitigen Fassung des besagten Paragrafens bemerkt, Zitat: „Eine Definition von ,in regelmäßigen Abständen‘ nimmt das SGB VIII nicht vor. Hier wird mit Rücksicht auf Beteiligungsrechte kollektiver Arbeitnehmervertretung ein gleichmäßiger Abstand für alle betroffenen Beschäftigten zu vereinbaren sein, von dem nur in besonders zu begründenden Ausnahmefällen abgewichen werden kann.“ Zitatende.

Einen klaren Vorschlag macht auch diese Anwältin nicht. Wir von der NPD-Fraktion wollen aber für diesen hochsensiblen Bereich eine klare zeitliche Vorgabe für die Erneuerung des Führungszeugnisses.

Im Kommentar zum Sozialgesetzbuch VIII, herausgegeben von Professor Reinhard Wiesner, heißt es unter der Überschrift „Zeitpunkt der Vorlage“ auf Seite 1.027, Zitat:

„Das Führungszeugnis ist ,bei der Einstellung und in regelmäßigen Abständen‘ vorzulegen. Zur näheren Bestimmung des zeitlichen Abstands liefern die Materialien keine Hinweise. Im Hinblick auf den Regelungszweck ist einer konkreten Betrachtungsweise der Vorzug zu geben. Damit hängt der Abstand von der Art der Tätigkeit und der bisherigen Beschäftigungsdauer ab. So dürfte das Gefährdungsrisiko bzw. das Schutzbedürfnis im Bereich der wirtschaftlichen JHilfe“ – Jugendhilfe – „niedriger liegen als etwa im ASD“ – allgemeinen Sozialdienst – „oder einem sozialpädagogischen Spezialdienst, einer Kindertagesstätte oder einer stationären Einrichtung. Kürzere Abstände scheinen in der Probezeit und den ersten Berufsjahren angezeigt. Als genereller Rahmen kommt ein Zeitraum von mindestens drei bis höchstens fünf Jahren in Betracht.“ Zitatende.

Der Kommentator stützt sich dabei auf ein Gutachten des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht aus dem Jahre 2006.

Wie Sie sehen, fordern kompetente Stellen den Gesetzgeber dazu auf, eine Lücke im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit zu schließen. Zugegebenermaßen streiten sich die Geister darüber, inwieweit man Führungszeugnisse auch auf ehrenamtlich Tätige in Jugendverbänden ausdehnen sollte.

Der Deutsche Bundesjugendring argumentiert in einem „Hintergrundpapier“ aus dem Jahre 2009, dass es sich bei Jugendverbandsarbeit um – ich zitiere – „ein politisch gewolltes Einstiegs- und Lernfeld für ehrenamtliches Engagement“, Zitatende, handele. „Dies“ – so heißt es in dem Papier weiter – „kann nur geleistet werden, wenn der Zugang zu Engagement leicht und unformalisiert möglich ist.“ Deshalb wäre die Beibringung „von Führungszeugnissen“ für die Jugendverbandsarbeit beziehungsweise „für die Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Funktionen hinderlich“. Auch könnten viele junge Menschen durch den Zwang, ein Zeugnis beibringen zu müssen, von der Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit abgeschreckt werden.

Der Bundesjugendring erklärt in demselben Dokument aber auch, Zitat: „In den meisten anderen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe stehen Kinder und Jugendliche zu den dort tätigen Menschen in besonderen, existentiellen Abhängigkeitsbeziehungen (z. B. als sogenann- te Heimkinder, als Pflegekinder, als Hilfesuchende in Notsituationen). Diese Abhängigkeiten können sexuelle Übergriffe fördern. Es ist daher folgerichtig, hier besonders hohe Standards anzulegen. Diese müssen dann auch für Ehrenamtliche gelten, die in diesen Bereichen eingesetzt werden.“ Zitatende.

Die Festlegung einer konkreten zeitlichen Vorgabe für eine Neuvorlage des Führungszeugnisses, zumindest in den genannten Bereichen, wäre ein weiterer Mosaikstein eines wirksamen Schutzes der Kinder und Jugendlichen. Allein schon aus Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen dürfen Sie sich dem besseren Schutz nicht verschließen. Ob Sie sich allerdings dieser moralischen und politischen Verantwortung bewusst sind,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Köster und Moral, das passt ja auch nicht zusammen.)

wird sich heute zeigen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Bernhardt von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin!

Mitglieder der Fraktion der NPD, als ich Ihren Antrag gelesen habe, dachte ich mir so: So sieht also die viel gepriesene Vorreiterstellung der NPD beim Thema Kinderschutz aus – überholt und überflüssig.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Nun werden Sie sich, wie wir es von Ihnen gewohnt sind, in Ihre Opferrolle begeben und meinen, dass wir, die demokratischen Fraktionen, mit fadenscheinigen Argumenten Ihren Antrag ablehnen.

(Udo Pastörs, NPD: Wir sehen uns nicht als Opfer.)

Ich kann nur sagen: Die brauchen wir nicht. Sie haben nichts dazu gesagt, dass diese Regelung des Paragrafen 72a SGB VIII bereits am 01.10.2005 erlassen wurde. Diese Vorschrift ist sieben Jahre alt. Sieben Jahre gab es keine gerichtliche Entscheidung zu dieser Norm, wo es um die Auslegung der regelmäßigen Abstände des Paragrafen 72a SGB VIII ging. Und das heißt schon was.

Womit begründen Sie denn aktuell das Regelungsbedürfnis? Gibt es einen aktuellen Fall, der auf eine Regelungslücke hinweist?

(David Petereit, NPD: Wollen Sie solange warten?)

Ich kenne keinen aktuellen Fall, wo das erkennbar ist,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vielleicht muss Herr Petereit ein Führungszeugnis vorlegen und er kriegt keins.)

dass der besagte Wortlaut in Paragraf 72a SGB VIII unbestimmt wäre und nachgebessert werden müsste, um eine effektive Prävention beim Kinderschutz zu gewährleisten.

Und auch die Überschrift des Antrages impliziert etwas, was gar nicht der Fall ist. Sie unterstellen mit der Überschrift, dass es in diesem Paragrafen eine Regelungslücke gäbe. Die kann ich nicht erkennen.

Paragraf 72a SGB VIII besagt, dass das Führungszeugnis in regelmäßigen Abständen vorzulegen ist. Also ist doch bei der Wiedervorlagepflicht keine Lücke vorhanden. Das Gesetz sagt „in regelmäßigen Abständen“. Aber vielleicht haben Sie ja einfach die Wörter verwechselt und meinten nicht „Lücke“ sondern „Unbestimmtheit im Gesetz“. Dazu kann ich nur aus meiner juristischen Ausbildung sagen, dass es Gesetze nun mal so an sich haben, dass sie abstrakt gehalten sind, um einen möglichst großen Wirkungskreis zu entfalten.