Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz nüchtern, wir beschäftigen uns heute mit Fragen zur Ausgestaltung des Wahlrechts.
Nun die Frage, ob es jetzt an der Zeit sei, dazu kann man durchaus unterschiedliche Auffassungen haben, wie in Rheinland-Pfalz zum Beispiel, wo ja ziemlich aktuell darüber diskutiert worden ist, und auch dort war man der Meinung, dass es eben nicht an der Zeit sei.
Und Sie fordern etwas, das hat der Minister schon gesagt, was junge Leute selbst sehr skeptisch sehen.
Also der Minister hat schon über die Umfrage in Brandenburg gesprochen. Ich haue noch einen obendrauf, lieber Peter Ritter, und sage, dass 2010, also vor zwei
Jahren, auch eine forsa-Umfrage in Berlin war, und auch dort waren es 63 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 29, die das Wahlrecht ab 16 Jahren für sich schon mal eben abgelehnt haben. Und die Ablehnung in der Gesamtbevölkerung liegt sogar bei 77 Prozent.
Meine Damen und Herren, bei dem anderen Tagesordnungspunkt, Herr Pastörs, bin ich auf das, was die NPDFraktion vorgetragen hat, eingegangen. Das werde ich bei diesem Tagesordnungspunkt weiß Gott nicht machen,
weil das, was Tino Müller da gesagt hat, war einfach nur Unfug und ist nicht weiter zu kommentieren.
Aber ich will auf die Anträge von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von den LINKEN eingehen, weil sie zwar in der Argumentation unterschiedlich vortragen, aber beide Anträge ja das gleiche Ziel verfolgen. Also jetzt mache ich das mal so wie Herr Saalfeld vorhin, der zu meiner Überraschung gesagt hat, liebe CDU. Das hat mich so angerührt, jetzt sage ich: Liebe Bündnis-90Grüne, lieber Herr Saalfeld!
(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich fühl mich angesprochen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das sollten Sie sich schriftlich geben lassen.)
Mir stellt sich also doch irgendwo die Frage, was Sie eigentlich mit Ihrem Antrag wirklich erreichen wollen. Sie tragen ja zur Begründung vor und haben das auch noch mal mündlich gemacht, „dass die nachfolgenden Generationen von den Fragen der politischen Zukunftsgestaltung häufig am stärksten betroffen sind“ und dass es daher sinnvoll sei, „junge Menschen so früh wie möglich an den Entscheidungen, die sie betreffen, teilhaben zu lassen.“ Zitatende.
Und da muss ich sagen, ja, das klingt pathetisch. Schaut man aber genauer hin, ist eben dieses Argument, dass man Jugendlichen durch die Absenkung des Wahlalters die Vertretung ihrer eigenen Interessen ermöglichen muss, doch wieder relativ schwach, denn die eigenständige Vertretung ihrer Interessen wäre doch wirklich nur dann möglich – und da war alles das, was Sie da eben gesagt haben, für mich doch nicht zielführend –, wenn die jungen Leute auch wählbar wären. Aber die Absenkung des passiven Wahlrechts fordern ja weder Sie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch DIE LINKE.
Ja, das könnten wir machen, wir können es auch bleiben lassen, Peter Ritter, weil wir zum Beispiel der Auffassung sind, dass es gar nicht klug ist, einen solchen Änderungsantrag zu machen.
Ja, das unterscheidet uns. Vielleicht ist das nicht das Einzige, was uns unterscheidet, aber das unterscheidet uns,
denn die daraus resultierende Entkopplung des aktiven und passiven Wahlrechts, das ist einfach, mal ganz ehrlich gesagt, nicht besonders logisch und der Antrag ist zumindest in diesem Punkt, wie wir meinen, inkonsequent.
Dazu kommt ja noch Folgendes: Diese Argumentation, nämlich bei einer immer älter werdenden Gesellschaft, wenn man die einmal weiterdenkt, zu Ende denkt, dann würde ja auch zwangsläufig irgendwann es dazu führen, dass Sie eines Tages eine unterschiedliche Stimmgewichtung nach Altersklassen fordern würden. Das wäre dann sozusagen stringent in der Argumentation, aber für uns eben auch überhaupt nicht logisch.
Meine Damen und Herren, wir sind eher davon überzeugt, ein guter Interessenausgleich kann durchaus auch ohne Absenkung des Wahlalters gelingen, und ich gehe auf ein weiteres Argument von Ihnen ein. Unter Berufung auf Ergebnisse der Jugendsozialisations- und Entwicklungsforschung begründen Sie doch Ihren Antrag damit, dass keine Zweifel bestünden, dass Jugendliche hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenz, ihrer Reife und so weiter und ihrer intellektuellen Urteilsfähigkeit früher als mit 18 Jahren politisch entscheidungsfähig sind. Dem möchte ich jetzt etwas entgegenhalten, denn die Teilnahme am Wahlakt setzt doch ein gewisses Maß an Verständnis des politischen Systems voraus, und dass die Erfahrungen unter 18-Jähriger deutlich geringer sind als die von über 18-Jährigen, das kennt jeder, der selber Kinder hat.
Also ich nehme das zum Beispiel für mich in Anspruch und das belegt nicht zuletzt auch eine Studie der Uni Hohenheim, die erst im Januar 2012, die haben Sie ja gelesen, im Landtag von Rheinland-Pfalz diskutiert wurde, ich habe darauf vorhin schon hingewiesen.
Und dort stellen die Wissenschaftler fest, vor einem Wahlrecht mit 16, bevor man das wirklich ernsthaft will, müssen die Schulen die wirklich noch bestehenden Defizite beseitigen. Und da muss ich schon sagen, wer dann meint, dass es solche Defizite nur in Rheinland-Pfalz in den Schulen gibt, na ja, der war wohl schon länger nicht mehr in einer Schule, die vielleicht kein Gymnasium ist, und hat sich mal mit Jugendlichen, die so um 16 sind, unterhalten.
Also es ist und bleibt, wer wählt, der bestimmt dann in diesem Falle, wenn es um die Landtagswahlen geht, auch über die Geschicke des Landes und er übernimmt damit Verantwortung. Und das ist etwas, was in der Debatte mir bisher zu kurz gekommen ist,
dieses Wort Verantwortung, Herr Ritter, Verantwortung, denn aus meiner Sicht ist das sogar das entscheidende Argument, weil Rechte müssen immer auch mit Pflichten einhergehen.
Man kann nicht nur einfach Rechte geben, ohne dass man dann auch verpflichtet, und jeder muss für die Folgen seines eigenen Handelns eben einstehen und dafür muss er eben diese Folgen überhaupt überschauen können.
Und Heinz Müller hat vorhin schon gesagt, nicht ohne Grund gibt es ja in vielen Rechtsgebieten für Minderjährige einen relativ hohen Schutz, im Zivilrecht das Beispiel mit dem Kaugummi oder ich sage mal wegen Handyvertrag, den der Jugendliche nicht abschließen darf, es sei denn, es geht um den Taschengeldparagrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Das geht nun mal, was die volle Geschäftsfähigkeit betrifft, eben erst ab Erreichen des 18. Lebensjahres.
Und Herr Saalfeld hat vorhin das Argument gebracht, dass man ja auch mit 16 schon heiraten kann. Ja, nun gut, aber das muss dann auch ein Familiengericht entscheiden, ob derjenige heiraten darf oder nicht. Das kann der also nicht selbstbestimmt entscheiden, dass er mal eben mit 16 heiraten möchte.
Und 16- oder 17-Jährige dürfen auch keinen Pkw- oder Lkw-Führerschein erwerben, ja eben, weil sie noch keine 18 Jahre alt sind. Diese Ausnahme des begleiteten Fahrens ab 17 ist eine tolle Sache, das haben wir damals gemeinsam gemacht, aber das ist eben die Ausnahme von der Regel.
Und auch im Strafrecht wird ja differenziert, bei jugendlichen Straftätern wird die besondere Bedeutung des Heranwachsens immer wieder in besonderer Weise betont. Rhetorisch gefragt könnte man ja sagen: Wollen Sie demnächst denn vielleicht doch eine Verschärfung des Strafrechtes fordern? Ich glaube nicht, dass das auch nur irgendjemand will.
Meine Damen und Herren, wir von der CDU sind jedenfalls dafür, dass die Einheit der Rechtsordnung gesichert bleibt, und deshalb sollte die mit der Ausübung des Wahlrechts verbundene Verantwortung eben nicht früher eintreten als die volle Verantwortlichkeit im zivil-, familien- und auch im strafrechtlichen Bereich.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch kurz auf die Argumente der Fraktion DIE LINKE eingehen. Sie sehen, DIE LINKE sieht ja eine Ungleichbehandlung junger Menschen darin, dass die Wahlaltersgrenze bei kommunalen Landtagswahlen in unserem Land eben unterschiedlich ausgestaltet ist, und sie meinen auch, dass Kommunalwahlen keine geringere Bedeutung haben würden als Landtagswahlen, und deshalb soll die Altersgrenze möglichst einheitlich gelten. Also da stimme ich ganz ausnahmsweise der LINKEN zu. Kommunalwahlen sind wichtige Wahlen und ich persönlich erinnere mich noch wie heute an die ersten freien, gleichen, geheimen Kommunalwahlen in der damals noch DDR am 6. Mai 1990.
Wir hatten uns diese Wahlen, die Wahlen zur Volkskammer im März 1990, dann im Anschluss auch auf den
Straßen und in den Kirchen und in den Städten und in den Dörfern erkämpft. Und ich bin mir gar nicht sicher, ob zum Beispiel Herr Holter oder Sie, Herr Ritter, im Herbst 1989 damals schon wirklich diese freien, gleichen und geheimen Wahlen wollten, auch auf kommunaler Ebene. Ich wollte sie jedenfalls. Für mich war das damals wichtig und für mich hat sich, als ich dann Bürgermeister in meiner Müritz-Gemeinde wurde, vielleicht das ganze Leben danach verändert.
Aber zurück zum Antrag: Dass wir nun also seit 1999 in Mecklenburg-Vorpommern auf kommunaler Ebene das Wahlrecht mit 16 haben, das ist auch nach meiner Auffassung vernünftig. Aber Lorenz Caffier als Innenminister hat ja auf den verfassungsrechtlichen Unterschied zwischen Landtag und der kommunalen Ebene, glaube ich, ausreichend hingewiesen und ich sage, richtig ist doch, dass die Kommunen wirklich die Keimzellen der Demokratie sind. Und auf kommunaler Ebene ist das so unmittelbar, da kann auch ein Jugendlicher erkennen, welche Auswirkungen die eigene Wahlentscheidung hat, nämlich ob zum Beispiel ein Jugendklub geschlossen wird, ob ein Spielplatz errichtet wird oder ob ein Kindergarten geschlossen wird oder ob er neu gebaut wird. Dort kann man eben lernen und das halte ich auch für wichtig, wie um Entscheidungen manchmal gerungen wird, wie Argumente ausgetauscht werden und wie sich dann Mehrheiten organisieren. Und immer geht es um das unmittelbare Lebensumfeld. Das ist also etwas, wo ich der Meinung bin, das ist auch für jugendliche Heranwachsende etwas, wo man wirklich lernen kann.
Beim Landtag, neben verfassungsrechtlich völlig anderen Situationen, geht es aber um etwas mehr. Nicht nur, dass es hier um echte gesetzgeberische Kompetenzen geht, sondern es gibt auch Entscheidungen mit deutlich größerer Tragweite. Wir erleben das doch jetzt zurzeit zum Beispiel gerade bei der Gerichtsstrukturreform. Da die richtigen Entscheidungen zu treffen, da muss man deren Auswirkungen auch sozusagen überschauen
Und ob man die Lebenserfahrung in dem Maße, wie sie dann erforderlich wäre, wirklich schon mit 16 attestieren kann, das sage ich als Vater selbst mit Blick auf meine eigenen Kinder, da war ich sehr im Zweifel. Das mag jeder anders sehen, aber ich als Vater habe das so gesehen.