Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Waldmüller hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass ich in Stralsund lebe und insofern, wenn ich in den letzten Tagen durch die Stadt gegangen bin, wie soll ich das beschreiben, viel Resignation und viel Hoffnungslosigkeit erlebt habe. Es gab kaum ein anderes Thema als die Perspektive der Stralsunder Werften. Ähnlich wird es in Wolgast gewesen sein und heute ist leider dieser lange befürchtete rabenschwarze Tag für die Werften in Mecklenburg-Vorpommern eingetreten.
Die Insolvenz der P+S Werften ist nicht nur für Stralsund und Wolgast eine arbeitsmarktpolitische und eine wirtschaftliche Katastrophe, sondern für die gesamte Region, das möchte ich hier an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal sagen, denn mit dem Verlust der Werften – wer die Region kennt, der weiß das – droht, dass wir den einzigen großen industriellen Kern Vorpommerns verlieren. Hunderte von Industriearbeitsplätzen in den Werften können verloren gehen. Zulieferbetrieben – und ich weiß, dass das eine ganz reale Gefahr ist – droht ebenfalls die Insolvenz. Damit sind auch Arbeitsplätze im Zulieferbereich massiv gefährdet und viele Menschen stehen vor einer unsicheren Zukunft. Und wenn Sie in Stralsund Gespräche führen, dann wissen Sie, dass jeder zweite oder dritte in irgendeinem familiären oder persönlichen Zusammenhang mit Menschen steht, die von dieser Insolvenz betroffen sind.
Deshalb sage ich hier sehr ausdrücklich und greife auch das auf, was der Ministerpräsident vorhin gesagt hat, es muss gemeinsames politisches Ziel im Rahmen des Insolvenzverfahrens sein,
dass die Standorte in Wolgast und in Stralsund Werftenstandorte bleiben. Sie verfügen über gute Bedingungen, um nach einer Umstrukturierungsphase als Industriestandorte fortentwickelt zu werden, und dazu bedarf es der politischen Unterstützung aller demokratischen Fraktionen.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die will auch gar keiner. – Udo Pastörs, NPD: Das ist völlig klar. Umstrukturierung der Umstrukturierung der Umstrukturierung.)
Man sollte an dieser Stelle auch nicht verschweigen, dass das nicht zu den Bedingungen und den Konditionen gehen wird – das war auch bei den Umstrukturierungen der anderen Werften, die Insolvenzverfahren hinter sich haben, nicht so –, ohne dass in massiver Form Arbeitsplätze verloren gehen.
Ich will auch anmerken, dass dabei geprüft werden muss, ob und inwieweit eine Neuorientierung der beiden Industriestandorte auf neue Technologien und in Zukunftsbranchen hinein erfolgen kann.
Windkraft, Offshore – in der Tat, das können Sie sich gern mal in anderen Werften anschauen, die diese Prozesse hinter sich haben – sind eine reale Option, wenn man an den Offshorebereich denkt. Die Landesregierung, und auch da erhalten Sie unsere Unterstützung, muss diesen Prozess fördern und unterstützen.
die heute von der Insolvenz und ihren Folgen betroffen sind, und auch hier bekommen Sie Unterstützung der Bündnisgrünen-Fraktion, die ich hier signalisieren kann,
müssen wir über Auffang- und Übergangslösungen und auch über Qualifizierungsmöglichkeiten nachdenken.
Lieber Kollege Kokert, ich komme gleich noch zu den Differenzen, die wir möglicherweise in dieser Frage haben.
Im Insolvenzverfahren muss konstruktiv darauf hingearbeitet werden, dass an beiden Standorten zukunftsträchtige Lösungen entstehen.
und wenn Sie in die Werften hineinhören, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sprechen, deren Verbitterung und deren Unverständnis erfahren, dann stellt sich nicht nur uns die Frage: Wie konnte diese desaströse wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung der P+S Werften verhindert werden?
Und es reicht nicht aus, Herr Schulte, ausschließlich auf die strukturellen Schwierigkeiten, mit denen die Werftenbranche ohne Zweifel seit Jahren konfrontiert wird, hinzuweisen, sondern es ist notwendig, sehr dezidiert in diesen Prozess hineinzuschauen, der zu der jetzt entstandenen desaströsen Situation geführt hat.
Und in dem Zusammenhang, sehr geehrte Damen und Herren, scheint sich in der Tat anzudeuten, dass gravierende Managementfehler zumindest dazu beigetragen haben,
dass die Werften Liefertermine nicht einhalten konnten und so in eine finanzielle Schieflage gerieten. Wenn Sie mit Werftarbeitern sprechen, mit Menschen, die in der Produktion beschäftigt waren, die in Produktionsabläufe eingebunden werden, dann werden Sie in diesen Tagen, aber auch schon in den letzten Wochen und Monaten immer wieder hören, dass dort Unverständnis geäußert wurde, weil Dinge ein- und ausgebaut wurden, ohne dass das irgendwie nachvollzogen werden konnte, Sinn und Verstand hatte, dass Baupläne nicht vorlagen, dass Ingenieurleistungen nicht geliefert werden konnten.
(Vincent Kokert, CDU: Schuld der Landesregierung. Der Ministerpräsident hätte persönlich gucken müssen. – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Jochen Schulte, SPD)
Das alles ist nicht Schuld der Landesregierung, Herr Kokert, aber hier deutet sich an, dass sich das bestätigt, was ich gerade ausgeführt habe, dass es hier massive Managementfehler gegeben hat, die dazu beigetragen haben,
(Jochen Schulte, SPD: So weit ist der Weg in Stralsund nicht bis zur Werft. – Zurufe von Dr. Margret Seemann, SPD, und Udo Pastörs, NPD)
und – und das müssen Sie sich auch anhören – es deutet sich auch an, dass der Geschäftsführer offensichtlich Angaben zur finanziellen Situation des Unternehmens gemacht hat, die nicht haltbar waren.
Wir haben uns auch als Bündnisgrüne und Oppositionsfraktion – Herr Waldmüller hat das ausgeführt, Herr Sellering hat das aufgeführt und ich will das gar nicht beschönigen, sondern ausdrücklich noch mal unterstützen und unterstreichen – hinter die Landesregierung gestellt, als
innerhalb weniger Tage über eine Rettungsbeihilfe in Höhe von 152 Millionen Euro entschieden werden musste. Wir wussten damals, auch das will ich deutlich sagen, wir wussten damals durchaus, dass die Landesregierung dabei ein hohes, ein millionenschweres Risiko eingeht. Ich glaube, ich habe es in einem der Gespräche, die wir geführt haben, auch einmal ausdrücklich gesagt.
Gerade deshalb, eben weil dieses Risiko so hoch war, gerade deshalb wäre eine enge Begleitung der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung der Werften geboten gewesen. Und genau an der Stelle haben wir in der Tat Zweifel, ob das in ausreichendem Maße geschehen ist.
Gerade deshalb, Herr Glawe hat darauf hingewiesen, dass er der Auffassung ist, es habe das in ausreichendem Maße gegeben, hätte es ein ganz enges Controlling geben müssen. Auch da haben wir Zweifel, ob das in ausreichendem Maße gegeben war, und gerade deshalb durfte sich niemand auf die Angaben der Geschäftsführung verlassen, die natürlich in einer Interessenlage war, aus der heraus sie Liquidität sicherstellen musste. Wir haben in der Tat Zweifel, ob in ausreichendem Maße überprüft worden ist, ob die Aussagen der Geschäftsführung haltbar gewesen sind.
Unmittelbar nach den Aussagen des neuen Geschäftsführers und noch drängender nach den Beratungen im Wirtschaftsausschuss, und ich meine den Wirtschaftsausschuss aus der letzten Woche, und im Finanzausschuss drängen sich zahlreiche Fragen auf. Ich will das mal an drei Beispielen, ich könnte viele andere noch nennen, deutlich machen.
Erstes Beispiel: Es ist für uns nach wie vor nicht nachvollziehbar, wie so eine derartig zeitlich enge Situation entstehen konnte, innerhalb kürzester Zeit, weniger Tage, unter Einbeziehung von EU und Bund, über eine Rettungsbeihilfe in dieser Dimension von 152 Millionen entscheiden zu müssen. Der Prozess, der dazu geführt hat, hätte vorher bekannt sein müssen.