Protokoll der Sitzung vom 29.08.2012

(Manfred Dachner, SPD: Da werden Sie aber neidisch.)

Aber die Proteste der Mitarbeiter/-innen gerade bei der häuslichen Pflege zeigen ja, wie wichtig dieser Punkt ist, und – auch ich habe eine Tour gemacht und habe ja vorher in einem Bereich gearbeitet, wo Pflege immer wieder eine Rolle gespielt hat – das zeigt, dass es eben doch einen großen Bogen gibt, nämlich den einerseits der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schwere körperliche Arbeit leisten mit einer psychischen Mehrarbeit, die dann teilweise eben in dem Bereich der Aufstockerinnen und Aufstocker tätig sind, andererseits immer wieder eine Debatte, ja, da verdienen sich die Pflegedienste oder die Köpfe der Pflegedienste einen goldenen Mercedes, wie Herr Kokert eben sagte.

Aber – und heute waren hier nicht warme Worte, sondern eher aggressive Worte – ich erwarte von der Ministerin, von der Landesregierung und von den beiden Fraktionen natürlich dann eine Vehemenz, denn, wir haben das heute schon mehrfach gehört, es geht hier um die Zukunftsbranche für Mecklenburg-Vorpommern und Pflege ist ein Beruf der Zukunft.

Wir haben als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schon eine Kleine Anfrage zur Vergütung der Fachkräfteentwicklung hier in unserem Bundesland gestellt, und da kam heraus, dass die Reallohnentwicklung rückläufig ist. Das muss erschrecken, vor allem, wenn wir immer wieder hören, wie attraktiv dieser Beruf ist, wie viel wir hier Werbung dafür machen müssen. Das heißt, wir müssen hier Mindestlöhne einsetzen in allen Bereichen und wir müssen dahin kommen, ambulant vor stationär, dass es dort natürlich dann auch keine Lohngefälle gibt.

Die Gesundheitsberufe sind für unser Bundesland die Zukunft und von daher erachte ich das auch als eine gute Botschaft, hier heute von der Ministerin zu hören, dass

wir eine gemeinsame Fachkräfteausbildung haben werden – ich denke, das ist wichtig für unser Bundesland –, die dann nämlich dem ländlichen und städtischen Bereich doch gerecht wird.

Wir brauchen, und das hören wir immer wieder, gute Strukturen, insbesondere in den ambulanten Pflegebereichen, und haben auch in der Enquetekommission zukünftig die Aufgabe, hier neue Formen der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung zu finden, die aber – und ich denke, das ist auch Aufgabe der Enquetekommission „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ – den Bogen weiter spannen.

Wir hören immer wieder von neuen Wohnformen, die dann teilweise nicht bezahlt werden können. Wir wissen aber auch aus der Erfahrung, dass bestimmte Wohnformen hier in den neuen Bundesländern noch gar nicht so attraktiv sind, weil man sich mit einer WG möglicherweise noch nie in Verbindung gesetzt hat. Deshalb ist es für uns wichtig, Pflege weiter zu sehen und auch in Wohnformen danach dann zu gehen, dass wir dort gutes Personal haben, das gut ausgebildet ist, und dass nicht, wie jetzt bei der häuslichen Krankenpflege in der Leistungsstufe 1, zu lesen ist, es können auch dort geeignete Hilfskräfte arbeiten. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann nicht der Weg sein, weil gerade diese Entwicklung zeigt, dass es ein Rückschritt ist und dass das sicher nicht zur Attraktivität dieses Berufes beiträgt.

Weiterhin stehen wir Bündnisgrüne immer wieder für Prävention und Gesundheitsförderung. Manch einer mag jetzt meinen: Was hat das mit diesem Bereich zu tun? Wir finden, dass es sehr wichtig ist. Die Landesregierung hat in Paragraf 45c und d, das ist beispielsweise in der Selbsthilfe ein sehr wichtiger Paragraf, zwar eine Verordnung umgesetzt, die aber gerade Pflegende vor Herausforderungen stellt. Sie können nämlich teilweise diese Anträge gar nicht ausfüllen. Hier fordere ich die Landesregierung auf, endlich die Richtlinien so herzustellen, dass auch Pflegende, die sich in Gruppen zusammenfinden – im ländlichen Bereich, in einer Stadt –, dieses Angebot genauso wahrnehmen können wie vielleicht Gruppen, die angeleitet werden. Hier, denke ich, ist Bedarf. Wir hören das immer wieder und wir haben auch gerade im Redebeitrag der Ministerin gehört, welchen Stellenwert denn Familie hat.

Familie braucht Unterstützung, und ich denke, da gibt es sehr unterschiedliche Positionen, wie die des Pflegedienstes, aber meine Redezeit ist ja begrenzt und ich denke, wir werden hier noch häufiger in Zukunft die Debatte führen können, ob wir Pflegedienste brauchen oder ob wir hier nicht möglicherweise Doppelstrukturen aufbauen und das Geld möglicherweise eher in anderen Bereichen der Pflege eingesetzt wird. Ich fordere die Landesregierung auf, und Frau Schwesig hat hier schon erste, ja,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gute Schritte getan! Gute Schritte getan!)

Unternehmungen unternommen, hier eine Mediatorin, nämlich die Ulla Schmidt, heranzuführen.

Ich wünsche mir natürlich von dieser Verhandlung oder von diesen Gesprächen, dass die Parteienpolitik ein Stück weit außen vor bleibt, dass es hier um faire Löhne,

um Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern geht, denn nach jetzigen Anzeichen, das haben wir vorhin gehört, gibt es erste Unterversorgungsanzeichen im ländlichen Bereich, weil es sich, wie manche sagen, nicht rechnet. Das kann nicht sein, weil das auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchgeführt wird, und wie wir alle wissen, ist dieser Bereich nach wie vor sehr geschlechtsspezifisch.

Von daher freue ich mich natürlich auf die anderen beiden Anträge, die wir morgen und übermorgen noch debattieren, und insbesondere auf die Enquetekommission, weil dort wird Pflege, ist Pflege eines der zentralen Themen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Barlen von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst mal möchte ich zum Ausdruck bringen, ich freue mich außerordentlich darüber, dass die gute und flächendeckende Versorgung unserer pflegebedürftigen Mitmenschen und die Belange der am Tage und in der Nacht pflegenden Beschäftigten auch hier im Landtag eine so große Aufmerksamkeit und eine so lebhafte Debatte erfahren. Das ist sehr gut und das ist sehr wichtig. Denn nicht zuletzt der heiße Sommer, so will ich ihn mal nennen, der Pflege, mit den zahlreichen beeindruckenden Demonstrationen im gesamten Land (in Klammern: auf denen ich die Damen und Herren der LINKEN oft vermisst habe), diese Demonstrationen haben gezeigt, wie wichtig dieses Thema nicht nur heute, sondern auch für die Zukunft von Mecklenburg-Vorpommern ist, welche Verantwortung wir als Landespolitik für die Wertschätzung der Pflegenden, für das Wohlergehen der Pflegebedürftigen und insgesamt für die Rahmenbedingungen der Pflege haben.

Ministerin Schwesig hat unsere große Linie in der Pflege ausführlich und, ich finde, vortrefflich dargelegt. Und auch einiges von dem Wenigen, was Sie vorgetragen haben, Herr Holter, einiges von dem Wenigen findet grundsätzlich meine Zustimmung. Eigentlich müsste ich Ihnen und Ihrer Fraktion DIE LINKE erst mal sehr herzlich gratulieren, nämlich dazu, dass Sie eingesehen haben, was für ein wichtiges Thema die Pflege für unser Land ist

(Heinz Müller, SPD: Hat ja auch lange genug gedauert.)

und dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegedienste hier vor Ort die konkrete Anerkennung und politische Unterstützung mehr als verdient haben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Sie kommen aber, Herr Holter, Sie kommen aber trotz dieser Glückwünsche nicht drum herum, dass ich Ihnen ein altes und insbesondere auch auf die Politik bezogen sehr wahres Sprichwort ins Stammbuch schreibe, und das lautet: „Es gibt nix Gutes, außer man tut es.“ Und wir können hier heute mal gemeinsam schauen, ob dieses Sprichwort stimmt. Ihre heutige inhaltliche Themensetzung pro Pflege bedarf nämlich dringend einer Einordnung, wenn man sich das konkrete Verhalten der Frakti

on DIE LINKE in den letzten Wochen und Monaten hier in Mecklenburg-Vorpommern anschaut.

Während Sie durch eine pflegepolitische Landtour und nicht zuletzt auch durch die heutige Aktuelle Stunde die pflegepolitischen Kümmerer darstellen, waren Sie in Wirklichkeit auf pflegepolitischer Tauchstation, als es hier im Landtag und auf den zahlreichen Demonstrationen im ganzen Land mit den Pflegenden darum ging, sich konkret solidarisch zu zeigen und konkret gegen die nicht akzeptablen Entwicklungen bei der Bezahlung von häuslicher Krankenpflege Position zu beziehen. Hier waren,

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Was erzählen Sie eigentlich für einen Unsinn, Herr Barlen?!)

hier waren – ich führe weiter aus –, hier waren wir es, unbeirrt übrigens durch die Unkenrufe, …

(Torsten Renz, CDU: Wer ist wir? Wer ist wir?)

Die SPD und CDU, Herr Renz.

(Torsten Renz, CDU: Okay.)

Ja, bitte schön.

… die die Kassen per Landtagsantrag aufgefordert haben, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und vor allen Dingen auf Kürzungen zu verzichten. Und beide Seiten, also die Kassen und die Pflegeanbieter, die haben wir an ihre Verantwortung für die Pflegebedürftigen und auch für die Beschäftigten hier in Mecklenburg-Vorpommern erinnert.

Das konkrete, nicht das gewünschte, das konkrete Ergebnis ist bekannt. Die Pflege im gesamten Land ist dankbar für die Solidarität der Landespolitik inklusive des Vorschlags einer Mediation von Ministerin Schwesig durch Ulla Schmidt und die Kassen haben sich am Ende, genau darum ging es uns, die Kassen haben sich am Ende bewegt. Es wird wieder verhandelt, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

In einer bitterbösen Pressemitteilung vom 23. August beschwert sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion Peter Ritter über, Zitat: „verbale Entgleisungen“, Zitatende, in der Bewertung ihrer politischen Arbeit. Unter anderem wird MdL Barlen, das bin ich,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

mit einem Auszug aus seiner Einschätzung zum Hin und Her der Pflegepolitik der LINKEN zitiert. Die betreffende Passage meiner Pressemitteilung vom 26. Juli möchte ich sinngemäß wiederholen: Aus meiner Sicht handelt es sich beim Sinneswandel der LINKEN um den durchsichtigen Versuch, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen.

(Zurufe von Peter Ritter, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

Die Pflegelandtour ist insofern ein – und jetzt kommt der Stein des Anstoßes, den Sie damals kritisiert haben –, die Pflegelandtour der LINKEN ist ein verlogener PRGag, der einzig und allein dem Ziel dient, den sozialpolitischen Flurschaden einzudämmen, den DIE LINKE durch ihre bisherige Boykotthaltung zum Thema angerichtet hat. Zitatende.

Meine Damen und Herren, daran möchte ich anknüpfen und im Gegensatz zur unvollständigen Zitierweise meines Kollegen Peter Ritter die Argumente und Fakten vorbringen, die ebenfalls in meiner Pressemitteilung damals aufgeführt waren und die mich erst zu dieser Einschätzung gebracht haben. Dafür müssen wir einmal kurz zurückblicken.

Sie ahnen es, es geht um die von der SPD und der CDU angestoßene klare Positionierung des Landtages zur Bezahlung der häuslichen Krankenpflege in Mecklenburg-Vorpommern. Kein gutes Haar hat DIE LINKE damals an unserem sehr konkreten Vorhaben hier im Landtag gelassen,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

immer wieder mit dem Argument, wir mischten uns unsachgemäß in die Aufgabe der Selbstverwaltung ein. Der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Helmut Holter am 2. März, also kurz vor der Beschlussfassung des Solidaritätsantrages hier im Landtag am 15. März, Zitat: „Wir erwarten, dass die Fraktionen von SPD und CDU diesen Antrag zurückziehen,“

(Torsten Renz, CDU: Hört, hört!)

„um weiteren Schaden abzuwenden und sich eine Blamage zu ersparen.“ Zitatende.

(Torsten Renz, CDU: Jetzt lassen Sie die Ohren hängen. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Karen Stramm, am 15. März in ihrer Rede zu unserem Antrag „Sicherung guter häuslicher Krankenpflege in Mecklenburg-Vorpommern“, Zitat: „Wenn wir diesem Antrag zustimmen, produzieren wir nicht nur ein scandalum im Sinne von Thomas von Aquin, indem wir versuchen, eine Sünde zu ermöglichen. Mit der Zustimmung zu diesem Antrag machen wir uns auch lächerlich. Wir würden bekannt werden. Alle im Bereich der sozialen Sicherung Tätigen werden sich fragen: Wer stimmt einem solchem Unsinn zu? Ich und die Mitglieder meiner Fraktion wollen darauf gern verzichten.“ Zitatende. Gesagt, getan. Da muss man Ihnen also ein Kompliment aussprechen, das haben Sie gemacht, zumindest die meisten Mitglieder Ihrer Fraktion. So. Und damit nicht genug.

(Heinz Müller, SPD: Da gab es abweichendes Stimmverhalten.)

Damit nicht genug. Noch am 7. Juno, noch am 7. Juno, also kurz nach dem bis heute heftig umstrittenen Schiedsspruch, begrüßt ebenfalls Karen Stramm unter der Überschrift „Endlich weg von der Minutenpflege, hin zu einer fürsorgenden Pflege“, Zitat, „dass die seit drei

Jahren geführten Verhandlungen zwischen den Krankenkassen und den Pflegebetrieben endlich zu einem Ergebnis gekommen sind und damit die Stagnation bei der Pflegevergütung beendet ist.“ Zitatende.