Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

(Heinz Müller, SPD: So ist es.)

Und das haben wir leider in der Vergangenheit nicht ganz so selten gehabt, das wissen wir.

(Torsten Renz, CDU: Da schließe ich mich an.)

Es wurde hier viel mit Zahlen jongliert. Ich habe andere Zahlen und weiß auch nicht, inwieweit diese Zahlen belegt sind, deswegen werde ich meine Zahlen für diesen nahen Kreis jedenfalls einfach mal stecken lassen.

Aufgefallen ist mir allerdings, Herr Foerster, dass Sie mit der Begründung des Antrages und der Nennung von 80.000 Menschen in Minijobs, und davon sind 10.000 über 65 Jahre alt, zu tief gegriffen haben, die kommen nämlich noch dazu. Wenn Sie Ihre eigene Kleine Anfrage und die Antwort darauf durchlesen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Noch ein Grund mehr, unserem Antrag zuzustimmen.)

dann sehen Sie, dass da noch mal mit 88.171 eben die Menschen über 65 Jahre gar nicht erfasst sind, sondern die kommen tatsächlich noch dazu.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Schlimm genug.)

Und wenn wir uns die ganze Angelegenheit näher betrachten, müssen wir ganz einfach resümieren, dass diejenigen, die hauptsächlich mit Minijobs arbeiten, allerdings auch die sind, die die meisten Arbeitsplätze über

haupt, also auch die meisten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in diesem Land zur Verfügung stellen. Das muss man dabei auch wissen.

Und wenn man sich dann auch noch anguckt, dass das unter den hundert Unternehmen hier im Land mit den meisten Beschäftigten gerade mal 14, gut 14 Prozent aller Unternehmen ausmacht – und da reden wir von Unternehmensgrößen von 200 Arbeitnehmern und aufwärts –, kann man davon leicht ableiten, wie viele Unternehmen weit weniger Beschäftigte haben und wie schwierig demzufolge auch Ihre Forderung, zum Beispiel der letzte Punkt Ihrer Forderung in Ihrem Antrag ganz konkret durchzuführen ist. Wenn Sie hier schreiben, dass Einfluss im Bündnis für Arbeit mit dem Ziel geltend gemacht wird, dass die in Minijobs tätigen Beschäftigten über ihre Rechte aufgeklärt werden, ist das für mich einfach eine Blase, eine Worthülse, weil, egal, was in diesem Zusammenhang verabredet wird und getan wird, das bei den Menschen, die das betrifft, wahrscheinlich nicht ankommen wird.

Und in Ihrer mündlichen Ausführung haben Sie auch noch gesagt, dass der Ministerpräsident und die Vertreter der Landesregierung das gegenüber jenen geltend machen sollen oder darauf hinweisen sollen, die ihre Minijobs dazu einsetzen, um reguläre Beschäftigungsverhältnisse damit abzulösen, also mit anderen Worten, kaputt zu machen. Und die werden sich sicherlich in jedem Fall diese Ratschläge sehr zu Herzen nehmen und das ihren Mitarbeitern oder zukünftigen Minijobbern genau erklären, dass das, was sie mit ihnen vorhaben, gesetzwidrig ist, weil sie damit die tariflichen Vereinbarungen unterlaufen. Also das ist für mich ehrlich gesagt ein bisschen lebensfremd, das auch nur zu fordern.

Wir wissen, hier im Land – auf diese Zahlen greift die Ministerin immer wieder zurück – arbeitet ein Viertel aller Arbeitnehmer für weniger als 8,50 Euro. Ich glaube, das ist das ganz riesengroße Problem, dem wir uns ja auch stellen, indem wir den flächendeckenden Mindestlohn einfordern, hier im Land das dazu beigetragen haben, was in unserem eigenen Vermögen steht, wo wir direkten Einfluss darauf haben. Das fordern Sie ja vehement immer wieder und jedes Mal sagen wir, das ist genau das, was wir tun. Und wenn wir an der Stelle sind, sagen Sie, das steht ja nicht in dem Antrag, aber da sagen Sie ja dann: Das, was Sie für einen gesetzlichen Mindestlohn fordern, 8,50 Euro, das ist uns ja sowieso zu wenig, wir wollen ja 10 Euro. Das werden Sie vielleicht gleich in Ihren weiteren Ausführungen auch noch sagen.

Wir haben hier in Mecklenburg-Vorpommern und weit darüber hinaus alle möglichen seltsamen Beschäf- tigungsformen zu verzeichnen. Ich habe neulich mal dabei zugesehen, wie jemand versucht hat, einen Teilzeitjob im Internet zu finden. Und da bin ich dann zum Beispiel auf das Wort in einem Callcenter hier im Land gestoßen, das nannte sich Muttischichten. Ich kannte das noch nicht, aber jetzt werden Arbeitsverhältnisse auch als Muttischichten, was immer auch dahintersteckt, angeboten. Und das ist auch eine von diesen sehr seltsamen …

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist extrem frauenfeindlich. – Dr. Margret Seemann, SPD: Das hört sich sehr frauenfeindlich an. – Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Eben, das ist ein vollkommen frauenfeindlicher Ausdruck. Und gerade das hat Frau Gajek eben auch noch mal schön hervorgehoben: Minijobs sind besonders dann zu verachten und zu verneinen, wenn es darum geht, Frauen von regulären Arbeitsverhältnissen fernzuhalten,

(Udo Pastörs, NPD: Ganz wichtig.)

was in unserem Sinne garantiert nicht ist. Wir sind immer dafür eingetreten, dass wir als Regel für eine jede erwachsene Frau auch ansehen, dass sie ihren eigenen Lebensunterhalt mit einem regulären Beschäftigungsverhältnis bestreiten können soll, ob sie Kinder hat oder nicht, und wenn sie Kinder hat, dann natürlich auch den Lebensunterhalt für ihre Kinder.

Also Minijobs sollen nur ein Beschäftigungsangebot sein für andere Fälle oder für andere Menschen als die, die einer regulären Beschäftigung nachgehen können, aber die bauen tatsächlich teilweise wirklich darauf. Und ich denke da nur mal an die Studenten. Die Rentner sind noch mal eine Gruppe für sich, die würden es übrigens auch als sehr bitter empfinden, wenn sie diese Zuverdienstmöglichkeiten nicht mehr hätten, ganz davon abgesehen, dass es natürlich verwerflich ist, dass sie teilweise gar nicht umhinkommen, solche seltsamen Beschäftigungsverhältnisse aufzunehmen, weil sie sonst schlichtweg ihre Existenzgrundlage gefährdet sehen. Da habe ich überhaupt gar keine andere Meinung, aber leider haben wir diese Situation und wir haben viele Rentner, die nehmen dieses Mittel in Anspruch, und es gibt sogar Leute, die arbeiten, auch wenn sie das nicht mal aus wirtschaftlichen Gründen zwingend nötig hätten.

Aber ich denke insbesondere auch an die Studenten. Und, sehr geehrte Damen und Herren, wenn man mehrere Studenten in der Familie hat, dann ist man froh, wenn diese Studenten trotz zügiger Abarbeitung ihres Studiums, wenn man innerhalb der Regelstudienzeit fertig werden will und muss, dann ist man dankbar für dieses Mittel des Minijobs. Mehr kann man nämlich wahrscheinlich nicht leisten, aber dann ist man dankbar, dass diese Zuverdienstmöglichkeit besteht. Ich bin es, zurzeit habe ich drei Studenten. Ich sage Ihnen, jede Leistung, die sie selbst erbringen, dafür bin ich wirklich dankbar. Und ich wünsche mir, dass das auch so bleibt, dass Zuverdienstmöglichkeiten da sind.

Aber lange Rede, kurzer Sinn: Minijobs als Verdränger von regulären Beschäftigungsverhältnissen sind ein Skandal und es ist eine Fehlentwicklung.

(Torsten Renz, CDU: Richtig.)

Die Forderungen nach einem flächendeckenden Mindestlohn sind da sehr hilfreich, weil die würden auch automatisch Wochenarbeitszeiten direkt wieder einschrumpfen. Dann wäre das Thema Wochenarbeitszeit nämlich überhaupt gar kein Thema mehr. Wenn man davon ausgeht, dass weniger als 8,50 Euro gar nicht verdient werden darf pro Stunde,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

hätte man das mit einer Klappe praktisch bereits erledigt.

(Torsten Renz, CDU: So, jetzt haben Sie es.)

Ich hatte eigentlich vor, noch mal was zu sagen zu dem einzigen wirklichen Vorteil, der bei dieser neuen Regelung, was die Rentenpunkte angeht, oder es ist ja mehr eine Verpflichtung zur Einzahlung in die Rentenkasse, hier vorgesehen ist. Man soll ja aktiv werden, wenn man nicht in die Rentenkasse einzahlen möchte, und ansonsten soll da so ein Automatismus eingezogen werden, um dem einen oder anderen Studenten oder demjenigen, der länger als gewöhnlich in der Ausbildung ist, vielleicht auch ein bisschen zu helfen.

Sehr geehrte Fraktion DIE LINKE, ich denke, Ihr Antrag ist entbehrlich.

(Torsten Renz, CDU: Der ist schädlich.)

Na ja, teilweise sogar schädlich.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so?)

Da muss ich Ihnen ausnahmsweise mal recht geben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ausnahmsweise.)

Für die Menschen, die darauf angewiesen sind, kann er sich als schädlich erweisen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Aber die Tendenz, die Herr Foerster damit verfolgt, nämlich wenn man davon ausgeht,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

dass hier reguläre Beschäftigungsverhältnisse verdrängt werden,

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

ist das natürlich ein Ansinnen, das man teilen kann, aber ich denke, der Weg dahin

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ihre Ministerin hat aber was anderes gesagt.)

ist die Einführung flächendeckender Mindestlöhne, und genau dazu bekennen wir uns. Deswegen unterstützen wir Ihren Antrag auch nicht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Renz von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollen uns hier heute austauschen zum Antrag der LINKEN,

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

der zur Grundlage ja einen Gesetzentwurf hat, wo es darum gehen soll, die sogenannten 400-Euro-Jobs auf 450 Euro anzuheben. Falls der eine oder andere mit der Materie nicht so vertraut ist, dann möchte ich es an dieser Stelle noch mal sagen: Der Gesetzentwurf liegt noch gar nicht vor, demzufolge auch keine Begründung. Ich habe mich auch aufgrund des Antrages noch mal gerade in Richtung Berlin gewandt. Dort wurde mir dann mitge

teilt, am 25.09. gibt es einen Koalitionsbeschluss, 27.09. Erste Lesung im Bundestag. Also es ist natürlich schwierig, über einen Gesetzentwurf zu philosophieren, den man gar nicht kennt, wo die Begründung nicht vorliegt, es sei denn, Sie haben ihn hier als Antragsteller, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir den als Arbeitsgrundlage für die heutige Debatte hier zur Verfügung stellen.

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Aber nichtsdestotrotz bin ich auch gern bereit, über einen Gesetzentwurf, der nicht vorliegt, inhaltlich zu diskutieren. Das ist natürlich dann auch nicht so das Problem, ich will aber auch gleich vorwegsagen, dass ich das auch nur,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, Sie kriegen das schon hin, Herr Renz.)