Protokoll der Sitzung vom 31.08.2012

Sie selber haben deutlich gemacht, dass die Gesamtausbildungszeit von 5 auf 4 Jahre reduziert wurde, und wenn Sie, Frau Gajek, wenn Sie die Attraktivität der Erzieher/-innenausbildung hier angesprochen haben, dann ist genau das ein entscheidender Punkt gewesen, dass immer gesagt worden ist, die Erzieher/-innenausbildung dauert einfach zu lange.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zu lange.)

Da sind wir bei oder das setzen wir um. Die erste Phase ist abgelaufen. 2012, also mit dem Schuljahr 2013 beginnt nun der Einstieg in die zweijährige Fachschule für Sozialwesen für die Bildungsgänge Erzieherinnen und Erzieher sowie Heilerziehungspflege. Und damit ist letztendlich die gesamte Ausbildungszeit reduziert worden, ohne dass Abstriche an der Qualität gemacht werden, und selbstverständlich werden auch die KMK-Rahmenvereinbarungen über Fachschulen vom 07.11.2002 berücksichtigt. Ferner finden die aktuellen Abstimmungen auf KMK- und JFMK-Ebene zum Qua- lifikationsrahmen „Bildung und Erziehung in der Kindheit“ Beachtung, wodurch auch eine bundesweite – das ist ja immer wichtig –, bundesweite Anerkennung gesichert ist.

Sie sehen also, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Landesregierung setzt den bereits in der letzten Legislaturperiode auf Antrag der Fraktionen der SPD und CDU gefassten Landtagsbeschluss vom 12.07.2007, in dem die Landesregierung aufgefordert wurde, ich zitiere mal: „eine Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung bis spätestens 2009 einzuleiten, um den … Herausforderungen“ an die frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung „gerecht zu werden“, Zitatende, auch in der neuen Legislaturperiode weiter um. So was nennt man, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kontinuität

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aha!)

und so was nennt man Berechenbarkeit. Und diese Berechenbarkeit ist eben in der Koalitionsvereinbarung festgehalten worden.

Ich frage mich deshalb, was Sie eigentlich mit diesem Antrag erreichen wollen, und ich habe das eben schon gesagt, wahrscheinlich wusste das die Fraktion DIE LINKE auch nicht, sonst hätte sie ja nicht ihren Reparaturantrag gestellt.

Sie fordern die „Einführung der Möglichkeit einer dualen Ausbildung“ im Punkt a). Diese Forderung ist auf den ersten Blick charmant und auch unterstützenswert. Der Vorteil wäre, dass die Auszubildenden eine Ausbildungsvergütung nach den im Berufsbildungsgesetz geregelten und anerkannten Ausbildungsberufen oder nach den ebenfalls durch Bundesgesetze geregelten Berufen des Bereiches Gesundheit und Pflege erhalten würden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, ein Blick in den Koalitionsvertrag, in Ziffer 190, schon erwähnt,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den kennen wir ja nun schon.)

dort ist das Ziel formuliert, dass wir eine 36-monatige duale Ausbildung einführen wollen. Das ist dort deshalb festgehalten worden und noch nicht konkreter formuliert, weil es derzeit in keinem Bundesland eine derartige duale Ausbildung gibt und die Widerstände hiergegen auch erheblich sind. Würde Mecklenburg-Vorpommern also einen Alleingang machen, dann wäre die Anerkennung des beruflichen Abschlusses nicht garantiert. Und lediglich, darauf haben Sie selbst hingewiesen, in BadenWürttemberg beginnt im Schuljahr 2012/13 ein Pilotprojekt einer praxisintegrierten Erzieherinnen- und Erzieherausbildung mit Ausbildungsvergütung. Meines Erachtens sollten wir die Ergebnisse dieses Pilotprojektes erst mal abwarten, denn derzeit gibt es keine einzige Initiative, ich kenne jedenfalls keine, auf Bundesebene oder bei den Sozialpartnern, die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung in eine duale Ausbildung umzugestalten. Vielmehr geht die Mehrzahl der Länder weiterhin von einer Fachschulausbildung zur/zum staatlich anerkannten Erzieherin oder Erzieher aus.

Und sollten auch wir uns hier vielleicht für ein Modellprojekt entscheiden, kann ich nur davor warnen, einen Schnellschuss zu machen, denn wir haben umfangreiche Vorababstimmungen mit Trägern, Kitas und Fachschulen zu machen. Ich weiß, dass einzelne Träger schon Interesse signalisiert haben, dennoch bedarf es einer gewissen Vorbereitungszeit.

Etwas irritierend finde ich in diesem Zusammenhang jedoch, dass in dem vorliegenden Antrag einerseits von der Einführung der dualen Ausbildung gesprochen wird, im Punkt b) dann jedoch „eine Ausweitung der Kapazitäten der Hochschulausbildung“ gefordert wird. Was denn nun? Rin in de Kartüffeln, wieder rut ut de Kartüffeln? Wollen Sie nun die duale Ausbildung oder die Akademisierung der Erzieher/-innenausbildung?

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Spezifizierung.)

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Landesregierung im bereits von mir auch schon genannten Bericht vom 28. Februar 2011 unter Punkt 3.1.3 die, ich zitiere: „Erhöhung des Anteils von Hochschulabsolventinnen und -absolventen in den Kindertageseinrichtungen“, Zitatende, als zu lösende Aufgabe und Schwerpunkt für den Reformprozess herauskristallisiert hat und ja auch mit den Maßnahmen – haben Sie selber gesagt – zum Bachelorstudiengang Early Education in den Jahren 2008 und berufsbegleitend 2009 auch begonnen hat umzusetzen. Warum also diese Aufforderung? Das hat die Landesregierung doch selbst formuliert.

Soweit darüber hinaus allerdings eine Erhöhung der Kapazitäten an den Hochschulen gefordert wird, muss ich auf die derzeitig gültigen Zielvereinbarungen mit allen Hochschulen unseres Landes bis 2015 verweisen. Darin sind die jeweiligen Kapazitäten festgeschrieben, die die Hochschulen bereitstellen müssen. Eine Erhöhung der Kapazität setzt also automatisch eine Kündigung der Zielvereinbarung mit der entsprechenden Hochschule voraus, auf deren Bestehen die Hochschulen bisher eigentlich immer vertrauen konnten. Und deshalb hat die Fraktion der SPD auch überhaupt kein Interesse daran, diese mühsam erarbeiteten Zielvereinbarungen mit den Hochschulen über diesen Punkt hier infrage zu stellen.

Zu den Quereinsteigern, also Punkt c), sei nur kurz angemerkt: Der Quereinstieg ist neu geregelt. Quereinsteiger haben die Möglichkeit, in einer dreijährigen Ausbildung zu staatlich anerkannten Erzieher/-innen ausge- bildet zu werden, wobei das erste Jahr ein Vorbereitungsjahr auf die Fachschulausbildung ist, in dem die Schülerinnen und Schüler den Abschluss als staatlich geprüfte Sozialassistent/-innen erwerben. Wenn man nicht die Qualität absenken will, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann darf man diesen Ausbildungszeitraum schlicht nicht unterschreiten.

Und schließlich zu Punkt d), der „Verbesserung der Anerkennung pädagogischer Vorkenntnisse und (Teil)- qualifikationen“. Der SPD ist selbstverständlich daran gelegen, dass die in den Kitas unseres Bundeslandes tätigen Erzieherinnen und Erzieher eine fundierte theoretische und praktische sozialpädagogische Ausbildung haben. Und deshalb ist es unseres Erachtens wichtig, bei der Anerkennung von pädagogischen Vorkenntnissen differenziert vorzugehen.

Wenn Defizite im Fachwissen vermieden werden sollen, können nur die Vorkenntnisse, die für die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung relevant sind, anerkannt werden. Das erfolgt nach meiner Kenntnis bereits jetzt partiell schon. Defizite dürfen dabei aber in der Ausbildung nicht entstehen. Darüber hinaus können in der Nichtschü- lerprüfung auch bei uns gegebenenfalls Vorleistungen laut Fachschulverordnung für Sozialwesen anerkannt werden.

Fazit: Der Antrag greift in Teilen auf, was bereits in der letzten Legislatur begonnen wurde und laut Koalitionsvereinbarung von dieser Koalition fortgesetzt wird, zu anderen Teilen geht er an der bestehenden Realität vorbei. Zudem ist der Antrag der GRÜNEN in sich widersprüchlich.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bleibt also das Ergebnis: Ablehnung des vorliegenden Antrages.

Noch ein kurzes Wort zum Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. Ich hatte es schon gesagt, dass mit diesem Änderungsantrag offensichtlich versucht wird, den Ursprungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu reparieren oder vielleicht sogar zu qualifizieren. Wenn man ehrlich ist, bleibt von dem Ursprungsantrag – gucken Sie mal in Ihren Antrag rein! – außer der Überschrift und einer allgemeinen Feststellung in Punkt 1 nichts mehr übrig. Und für mich ist es daher fraglich, ob er nicht schon allein aus formalen Gründen abzulehnen wäre, da vom ursprünglichen Antrag ja nichts oder fast nichts mehr übrig bleibt.

(Egbert Liskow, CDU: Oh, oh!)

Der Antrag verkennt leider, dass sich die beruflichen Schulen mitten in der Umsetzung der letzten Reform befinden. Es hat noch nicht einmal ein Jahrgang die verkürzte Ausbildung absolviert und da hat es meines Erachtens auch keinen Sinn, wenn man schon jetzt gegebenenfalls eine Überarbeitung fordert.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus habe ich wenig Verständnis dafür, eine erneute Unterrichtung zum Fachkräftebedarf im Land zu fordern, obwohl der letzte Bericht der Landesregierung erst knapp 1,5, also anderthalb Jahre her ist. In seiner Rede vom 15.03. zum damaligen Antrag – auch der Fraktion DIE LINKE – hat der Minister gesagt, und ich zitiere mal: „Es ist völlig berechtigt, die Forderung aufzustellen, dass wir in regelmäßigen Abständen eine entsprechende Kapazitätsplanung vorzunehmen haben. Das werden wir auch tun. Ich werde den zuständigen Fachausschuss auch zu gegebener Zeit darüber unterrichten, wie wir uns das vorstellen, auf welcher Grundlage. Aber es bleibt dabei, dies ist ein gesetzlicher Auftrag, der ohnehin besteht.“ Zitatende. Das heißt, selbstverständlich wird die Landesregierung ihrer gesetzlichen Pflicht aus Paragraf 11a Absatz 1 KiföG auch künftig nachkommen, aber wie bereits vom Minister im März gesagt wurde, verpflichtet der Paragraf 11a KiföG die Landesregierung nicht dazu, jährlich oder alle zwei Jahre eine neue Kapazitätsplanung vorzulegen.

Eines Antrages, dass die Landesregierung ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommt, bedarf es heute genauso wenig wie im März. Statt in kurzen Abständen Berichte zu verfassen, sollten meines Erachtens die vorhandenen Kräfte auf die weitere Umsetzung der aktuell eingeleiteten Reform konzentriert werden. Und wir werden deshalb auch den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE ablehnen,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ach!)

obwohl er inhaltlich substantiierter ist als der Antrag der GRÜNEN. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Egbert Liskow, CDU: Das war ja eine knallharte Analyse.)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Bernhardt von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit Ihrem Antrag greifen Sie ein Thema auf, das hochaktuell ist und in diesem Landtag eine lange und bis heute unerledigte Geschichte hat.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Nee, sie ist im Fluss! Sie ist im Fluss!)

Schon in der letzten Legislaturperiode forderten im Jahr 2007 die Koalitionsfraktionen die Landesregierung auf, ein Konzept zur Reform der Erzieher/-innenaus- bildung vorzulegen. Der Termin zur Einleitung der Reform wurde mit dem Antrag von SPD und CDU auf, ich zitiere: „spätestens 2009“ festgesetzt. Nur das Konzept wurde am 26.02.2011, also mit vier Jahren Verspätung im Landtag übergeben und der Termin für die Umsetzung war bereits um zwei Jahre überschritten. Sie finden das in der Parlamentsdatenbank unter der Drucksachennummer 5/4166. Ich denke, Sie müssten es vom Staub befreien, denn bis heute ist kaum etwas passiert – bis auf die Absenkung der Ausbildungszeit, wie wir von Frau Dr. Seemann erfahren konnten.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Ich habe aber vier Punkte genannt.)

Dabei ist das Konzept gar nicht so schlecht, aber was nützen denn die besten Konzepte, wenn sie nicht umgesetzt werden. Auszugsweise möchte ich ein paar Schwerpunkte aus der Unterrichtung nennen:

So sollen Aktivitäten auf der Bundesebene in der Kultusministerkonferenz und in der Familienministerkonferenz zu einem gemeinsamen Orientierungsrahmen und einem bundesweit einheitlichen Rahmenlehrplan für Erzieherinnen und Erzieher unternommen werden.

Im Land sollen die Fachschulen für Sozialpädagogik zum Beispiel durch

Verkürzung der Ausbildungsdauer,

bessere Verzahnung von theoretischer und prakti

scher Ausbildung,

Erhöhung der Anzahl von Hochschulabsolventinnen

und -absolventen in den Kitas,

verstärkte Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten

Förderung der Qualifizierung von Leitungskräften

gestärkt werden.

Viele der genannten Punkte sind Bestandteil des vorliegenden Antrages. Es geht folglich nicht um eine Reform, sondern nach unserer Ansicht um die Umsetzung des seit 2011 vorliegenden Konzeptes. Der Antrag müsste deshalb fordern, das vorliegende Konzept endlich umzusetzen. Der Reformbedarf war schon 2007 bekannt, nur passiert ist bis heute kaum etwas. Papier ist eben geduldig und die damaligen und jetzigen Koalitionäre sind es noch viel mehr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dabei brennt es gegenwärtig an vielen Stellen der Erzieherin

nen- und Erzieherausbildung lichterloh. Da fehlen Ausbildungskapazitäten, um den sich abzeichnenden Fachkräftebedarf zu decken, da gibt es eine enorme Bugwelle von Absolventinnen und Absolventen privater Bildungsträger, die auf eine Prüfung warten und die deshalb ihre Arbeit an den Einrichtungen nicht aufnehmen können, weil sie keinen Abschluss vorweisen können. Es wäre nötig, Ausbildungszeit zu straffen und die Praktikumsanteile auszuweiten. Da gibt es eine erhebliche Diskrepanz zwischen den stetig steigenden Ausbildungsangeboten von freien Trägern und den zurückgehenden Kapazitäten an den staatlichen Schulen. Das führt doch im Kern dazu, dass Bildung immer weiter privatisiert wird, weil Angebote freier Träger für die Schülerinnen und Schüler im Gegensatz zu staatlichen Schulen kostenpflichtig sind. Aber da die Erzieherausbildung als Vollzeitlehrgang konzipiert ist, ist sie wegen des Lehrkräfteeinsatzes auch extrem teuer. Wenn man diese Ausbildung freien Trägern überlässt, spart das Land Geld – Geld, das dann die Schülerinnen und Schüler bezahlen müssen.