Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

(Rainer Albrecht, SPD: Genau, genau.)

Ist das gerecht?

(Rainer Albrecht, SPD: Nein.)

Die Frage muss man doch mal stellen. Das ist doch

(Rainer Albrecht, SPD: Ungerecht hoch drei.)

systemwidrig ohne Ende.

Man darf an der Stelle nicht vergessen, wir haben es hier mit einem Versicherungssystem zu tun. Das heißt, dass das, was eingezahlt wird von der Höhe, immer auch eine Rolle spielt für das, was letztendlich ausgezahlt wird. Wir sind sehr dafür, Herr Holter, dass das Thema Mindestversorgung eine Rolle spielt und dass Menschen, die jahrelang und jahrzehntelang in die Rentenversicherung eingezahlt haben, letztendlich im Ergebnis auch eine Rente erhalten, die deutlich über der Grundsicherung liegt. Da haben wir überhaupt keine andere Meinung,

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

aber dem, was Sie hier vorschlagen, dem können wir die Gefolgschaft nicht antun.

(Jochen Schulte, SPD: Genau, „antun“ ist das richtige Wort.)

Antun, genau, antun.

Und dann möchte ich gerne noch auf ein paar andere Dinge eingehen, die hier quasi vorgetragen worden sind. Auf der einen Seite geht es der LINKEN um die Ausweitung der Beitragspflicht auf andere Einkommensarten. Das befürwortet die SPD schon seit Jahren.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Als Sie angefangen haben, das Thema Bürgerversicherung im Kontext mit der Krankenversicherung zu diskutieren, haben wir gesagt, es geht nicht an, dass diese Dinge nur auf das Thema Einkommen beschränkt werden. Es gibt heute eine Vielzahl von anderen Einkommensquellen, die unseres Erachtens bei dem Thema Versicherungspflicht berücksichtigt werden müssen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Dann sind wir uns doch einig.)

Das eine ist das Thema Mieten, Zinsen und so weiter und so fort. Das spielt für viele Leute eine erhebliche Rolle. Da muss man zwar Steuern drauf zahlen, aber sozialversicherungspflichtig sind diese Dinge nicht. Aber der Teufel liegt im Detail, Herr Holter, weil eins muss man sehen: Jeder, der einzahlt, der will auch was rausnehmen. Und die Berechnungen sind für mich noch nicht auf dem Tisch, die klarlegen, dass letztendlich alle davon profitieren, weil, wie gesagt, jeder, der einzahlt, will auch was rausnehmen.

Und der nächste Vorschlag, den Sie heute gemacht haben, war der sogenannte Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja.)

„Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze“ bedeutet, jemand, der 100.000 Euro im Monat verdient, der müsste 20.000 Euro in die Rentenversicherung einzahlen, wenn man von einem Beitragssatz von 20 Prozent ausgeht. So, jetzt gibt es bei uns in der Bundesrepublik den sogenannten, den verfassungsmäßigen Grundsatz des Äquivalenzprinzips. Das heißt, Beiträge auf der einen Seite müssen in einem äquivalenten Verhältnis stehen zu dem, was man rauskriegt. Das heißt, es darf kein Missverhältnis geben. Und jetzt stelle ich Ihnen die Frage, Herr Holter: Welche Rente soll denn jemand zu erwarten haben, der jeden Monat 20.000 Euro in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, wenn Sie die Beitragsbemessungsgrenze kippen?

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und ob das dem System nicht mehr Geld entzieht, als es letztendlich reinbringt, das ist noch mal eine ganz andere Geschichte an der Stelle.

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

Das heißt also, im Ergebnis muss man sagen, das, was Sie uns heute hier vorlegen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist auch verfassungswidrig.)

dem können wir unsere Zustimmung nicht erteilen. Das ist unseres Erachtens Murks, und zwar von vorne bis hinten, und wird von uns abgelehnt.

Ich würde aber gerne noch mal ein paar Dinge ins Gespräch bringen, die wir als SPD auch im nächsten Bundestagswahlkampf hier deutlich in die Debatte einführen werden. Das ist der Vorschlag des Parteivorstandes, der jetzt ja auch in den letzten Tagen in den Medien entsprechend publiziert worden ist. Und das Ganze fängt an bei dem Thema „Erwerbsarmut bekämpfen“. Das heißt, wir setzen uns ein für einen gesetzlichen Mindestlohn, zunächst von 8,50 Euro, und wir setzen uns ein für eine Stärkung der Tarifbindung. Tariflöhne liegen heute in der Regel schon deutlich über 8,50 Euro und je mehr Tarifbindung wir kriegen, desto mehr wird letztendlich auch an Abgaben an die Sozialkassen gezahlt und desto mehr hat man später auch an Rente zu erwarten.

Der nächste Punkt, für den wir uns starkmachen als Sozialdemokraten, ist das Thema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Das betrifft sowohl das Verhältnis zwischen Festangestellten und Leiharbeitern. Wir finden nicht, wenn Leute die gleiche Arbeit leisten, dass sie unterschiedlich bezahlt werden dürfen. Das ist eine ganz klare Geschichte. Das betrifft aber auch das Verhältnis von Männern und Frauen. Nach wie vor haben wir in der Bundesrepublik die Situation, dass Frauen in vielen Bereichen schlechter bezahlt werden als Männer. Das gehört abgeschafft. Das darf es so nicht geben.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Der nächste Punkt für uns ist ganz klar: Wir wollen Altersarmut verhindern. Das heißt, wir wollen eine Rente deutlich oberhalb der Grundsicherung für Menschen, die viele, viele Jahre in die Sozialversicherung eingezahlt haben.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: 40! 40!)

Wir finden es unanständig, wenn heute Menschen 35 Jahre in die Sozialversicherung eingezahlt haben und keine andere Möglichkeit haben, als dann Grundsicherung zu beantragen. Das kann es nicht sein. Wir sind als SPD für eine deutliche Flexibilisierung beim Eintritt ins Rentenalter.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Für Rente mit 67 sind Sie.)

Ja, genau das muss flexibel gestaltet werden.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist Ihre Entscheidung, Rente mit 67.)

Ich finde, im Grunde genommen sollte jeder länger arbeiten, der möchte, auch über das 67. Lebensjahr hinaus, und wer das aus gesundheitlichen Gründen kann, der soll das tun. Und das ist dann auch keine Rentenkürzung. Wenn jemand bis 67 arbeitet, dann führt das nicht zur Kürzung seiner Rente, sondern logischerweise zu einer Erhöhung der Rente.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, dem werden zwei Jahre Rentenbezug entzogen.)

Aber jetzt geht es um das Wesentliche. Es gibt eine Vielzahl von Menschen, die Berufe haben, die sehr hart und anstrengend sind. Und wir finden es nicht richtig, wenn diese Menschen vor der Erreichung des 67. Lebensjahres in Rente gehen, dass sie dann Abschläge haben bei der Erwerbsminderungsrente. Das heißt, wir treten für einen abschlagsfreien Zugang zu einer Erwerbsminderungsrente ein. Das ist eine ganz klare Geschichte. Wir treten dafür ein, dass man eine Teilrente einführt ab dem 60. Lebensjahr. Und wir sind dafür, dass es einen abschlagsfreien Zugang zur Rente nach 45 Versicherungsjahren gibt. Das heißt also, wenn jemand schon 45 Versicherungsjahre hat, dann soll er im Grunde genommen, auch wenn er das 67. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ohne Abschläge in Rente gehen können.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Wer schafft das?)

Die Vorschläge, die SPD-seitig ausgearbeitet sind, die sind sozial ausgewogen, sie sind gerecht, sie verhindern Altersarmut und sie tarieren das Verhältnis zwischen Beitrags- und Leistungszielen aus, denn – unsere Ministerin hat schon darauf aufmerksam gemacht – jeder, der mehr will, der muss die Frage beantworten, wie das finanziert wird vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Anzahl der Leute, die letztendlich im Erwerbsleben stehen und Beiträge zahlen, nicht steigt und in den nächsten Jahren deutlich geringer wird. – Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr guter Beitrag, Herr Heydorn.)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Schön, dass ich hier dank des Antrags der LINKEN heute Gelegenheit habe, das grüne Konzept gegen Altersarmut kurz vorzustellen: die Garantierente.

(Zurufe aus dem Plenum: Oooh!)

Die Diskussion auf Bundesebene …

Herr Renz!

(allgemeine Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Meine lieben Kollegen der CDU, ich möchte gerne mich jetzt zu Ihrer Ministerin äußern, Frau von der Leyen, und da würdet ihr mir doch bitte das Ohr schenken.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Die Diskussion auf Bundesebene um das aktuelle Lieblingsprojekt von Frau von der Leyen, die Zuschussrente, geht unserer Meinung nach in die völlig falsche Richtung. Wer von Altersarmut bedroht ist, dem hilft die Zuschussrente nicht weiter, bei der es sich ja quasi um eine verkappte Sozialhilfe für Rentnerinnen und Rentner handelt. Auch der Vorschlag der SPD, dass ab 2013 alle Neurentnerinnen und Neurentner eine Aufstockung ihrer Rente bekommen sollen, wenn sie mindestens 40 Versicherungsjahre vorweisen können und davon mindestens 30 Jahre lang Beiträge gezahlt haben, taugt nichts.

(Torsten Renz, CDU: Wie bitte?)

Das hat die SPD mittlerweile ja auch selbst bemerkt und streitet sich jetzt deshalb intern um ihr Konzept. Schon jetzt ist klar: Viele Menschen werden die hohen Hürden – mindestens 40 Versicherungs- und 30 Beitragsjahre – nicht nehmen können und folglich von vornherein nicht in den – in Anführungsstrichen – Genuss der sogenannten Solidarrente kommen können. Diejenigen, die die Bedingungen erfüllen, sollen dann maximal 850 Euro Rente im Monat bekommen. Vorher müssen sie aber erst noch umfassend ihren Bedarf nachweisen.