Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber es ist doch inhaltlich das Gleiche, oder?)

Ja, selbstverständlich. Wenn man über dieses Thema spricht, muss man auch darüber sprechen dürfen.

Und, meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir uns alle darüber einig sind: Auch das – das nehme ich übrigens vom CDU-Parteitag –, gleicher Lohn für gleiche Arbeit in Ost und West, nutzt überhaupt nichts, wenn man nicht von diesem Lohn leben kann. Wenn die Löhne so niedrig sind, dass die Menschen die Unterstützung des Staates einfordern müssen, egal, ob im Westen oder im Osten, dann stimmt etwas nicht. Das ist genau unser Ansatz zu sagen, die Politik muss handeln, im Gegensatz zu dem, was die CDU macht, wo die SPD ja mit uns übereinstimmt.

(Torsten Renz, CDU: Wir handeln doch.)

Sie handeln?

(Torsten Renz, CDU: Wegweisende Beschlüsse.)

Herr Renz …

(Torsten Renz, CDU: Da bleibt Ihnen die Sprache weg. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da bleibt mir nicht die Sprache weg. Ich erinnere mich an Parteitage meiner Partei vor 1989.

(Torsten Renz, CDU: Nicht ablenken!)

Ja, doch, doch, doch! So wegweisend sind Ihre Beschlüsse auf Ihrem Bundesparteitag.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Nein, nein, also jedes Mal, wenn Branchenmindestlöhne festgelegt wurden, dann wurde fein säuberlich in Ost und West unterschieden. Und, Herr Schulte, da stimmen wir vollkommen überein,

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

es ist doch eine Schande, dass im 21. Jahr der Einheit das immer noch ein Thema sein muss.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Wir hätten 20 Jahre lang gemeinsam daran arbeiten können und hier eine Veränderung erreichen können. Und wenn es um die Pflegerinnen und Pfleger geht, die im Osten 7,50 Euro pro Stunde verdienen und im Westen 8,50 Euro, dann soll mir mal jemand erklären, worin der Unterschied der Tätigkeit an dem Menschen besteht, der da gerade gepflegt werden muss.

(Vincent Kokert, CDU: Da gibt es keinen Unterschied. Da gibt es überhaupt keinen Unterschied. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Diesen Unterschied gibt es nicht und deswegen muss es doch ganz klar sein, es wäre gut gewesen, die SPD, Sie hätten den Antrag eingebracht, da hätten wir alle dafür stimmen können. Das wäre doch mal eine tolle Geschichte gewesen und nicht jetzt wieder eine Grundsatzdebatte, wer ist dafür und wer ist dagegen.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Aber Sie, Herr Kokert, die CDU stellt sich jetzt, wie Herr Renz es gerade gesagt hat, als Erfinderin des Mindestlohnes dar.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie haben auch den Atomausstieg erfunden. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Na, da kann ich ja wirklich nur lachen. Sie mit Ihrer Politik – und so habe ich die Kanzlerin gestern verstanden – zementieren die Unterschiede zwischen Ost und West. Ich bin mal gespannt, was Sie hier also ganz klar formulieren.

Und Sie wissen, dass es im Osten keine starke Tarifbindung gibt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das NPD-Verbot haben sie auch erfunden.)

Und Sie wissen, dass diese Kommission, die Sie in Ihrem Beschluss jetzt beschrieben haben, Herr Renz ist ja schon allgemein darauf eingegangen, diese menschenwürdige Lohnuntergrenze bestimmen soll. Was soll sie da machen? Ist denn Hartz IV jetzt der Maßstab? Oder was ist denn der Maßstab für Ihre Kommission, die Sie da einsetzen wollen?

(Vincent Kokert, CDU: Was ist denn der Maßstab für Ihren geforderten Mindestlohn?)

Herr Glawe hat in einem Zeitungsinterview – ja, ja, Herr Glawe, Sie sind wichtig, deswegen will ich Sie jetzt auch mal zitieren – gesagt, von 8,50 Euro Stundenlohn könne man nicht leben. Wichtige Aussage.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist ja auch eine Untergrenze.)

Das ist eine Untergrenze, richtig.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Na ja also, es ist jedem freigestellt, etwas mehr zu bezahlen.)

Ich zweifle doch im Moment gar nicht die 8,50 Euro an. Ich frage nur: Wenn Herr Glawe sagt, 8,50 Euro reichen nicht, was soll dann die Kommission, wenn der Wirtschaftsminister des Landes diese Erkenntnis bereits hat? Deswegen steht doch die Frage: Sind es 5 Euro, sind es 6,50 Euro, oder was ist es denn? Unter 5 Euro? Wozu wollen Sie eine Kommission einsetzen? Das, was an Mindestlohn notwendig ist, ist meines Erachtens vollkommen klar. Die Gewerkschaften und die SPD sagen 8,50 Euro, wir sagen mindestens 10 Euro. Das ist bekannt. Aber es geht um die Grundsatzfrage, ob eine Entscheidung durch den Bundestag getroffen wird, einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn in ganz Deutschland festzulegen. Und diese Entscheidung, Herr Renz und Herr Kokert, hat die CDU nicht getroffen.

(Vincent Kokert, CDU: Nein, richtig.)

Sie verweist auf die Tarifpartner und die Politik entzieht sich ihrer Verantwortung. Deswegen ist das, was Ihr Beschluss ist, einfach weiße Salbe, weiße Salbe.

(Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Und wir, wenn ich das für die SPD-Kollegen sagen darf, wir, die für den gesetzlichen Mindestlohn eintreten, sind doch nicht gegen die Tarifautonomie.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Im Gegenteil, die Lohnuntergrenze, die wir gesetzlich festlegen wollen, ist doch der Ausgangspunkt für die Tarifverhandlungen, und deswegen führt an einem gesetzlichen Mindestlohn nun gar kein Weg vorbei.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Gut gemeint, Ihr Antrag, aber ich erwarte von der SPD und vom Ministerpräsidenten Aktivitäten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das machen wir schon. Da machen Sie sich mal keine Sorgen, Herr Holter!)

Es geht hier nicht nur darum, mal wieder rumzutönen, wer wofür und wer wogegen ist.

(Vincent Kokert, CDU: Was haben Sie denn eigentlich in acht Jahren Regierungszeit geschafft zum Thema? – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Jochen Schulte, SPD)

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie aktiv werden für Min- destlohn und dass Sie aktiv werden für gleiche Löhne in Ost und West und für gleiche Löhne für Männer und Frauen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Vielen Dank, Herr Holter.

Das Wort hat jetzt der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Erwin Sellering.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in der letzten Woche ihren jährlichen Bericht zum Stand der Deutschen Einheit veröffentlicht. Das Ergebnis ist eindeutig. Die ost- deutschen Länder haben in den letzten 20 Jahren kräftig aufgeholt, aber es gibt immer noch Rückstand – bei der Wirtschaftskraft, bei den Arbeitslosenzahlen und eben auch bei der Höhe der Löhne und der Renten. Und das zeigt, was unsere wichtigste Aufgabe in den nächsten Jahren ist: Wir müssen unser Land gemeinsam weiter voranbringen, damit Arbeitsplätze entstehen,

(Udo Pastörs, NPD: Binsenweisheiten. Immer dasselbe Gelaber.)

Arbeitsplätze gesichert werden, und zwar gute Arbeitsplätze, von denen man leben kann. So, das ist das Thema, über das wir heute reden. Es gibt keine Grundsatzdebatten darüber, was Sie ‘89 beschlossen haben, was die CDU in Leipzig beschlossen hat, sondern das ist unser Thema. Und da geht es auch nicht darum, dass wir heute hier nur diskutieren,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir diskutieren heute nur, es liegt kein Beschluss vor.)