Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist der Eindruck gewesen. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das ist der Eindruck gewesen. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

will ich gerne hier Stellung nehmen.

Meine Damen und Herren, es ist richtig, es ist zehn Jahre her, seit der Bundestag deutsche Soldaten nach Afghanistan entsandt hat. Es war damals eine schwierige Entscheidung kurz nach den schrecklichen Anschlägen vom 11. September 2001. Die rot-grüne Bundesregierung und die dazugehörige Bundestagsmehrheit haben sich diese Entscheidung gewiss nicht leicht gemacht. Bundeskanzler Schröder hat damals die Abstimmung bewusst mit der Vertrauensfrage verbunden und dann eine Mehrheit erhalten.

Seitdem ist das Mandat mehrfach verlängert worden. Das entspricht den Regeln, die das Bundesverfas- sungsgericht für Auslandseinsätze festgelegt hat. Der Bundestag darf Soldaten nur zeitlich begrenzt in Einsätze schicken und er muss in regelmäßigen Abständen neu über das Mandat entscheiden. Ich halte das für eine sehr kluge Vorgabe, denn sie zwingt dazu, dass solche Einsätze, in denen es um die Fragen von Krieg und Frieden, um Fragen von Leben und Tod geht, immer wieder kritisch überprüft werden und die Entscheidungsträger Rechenschaft darüber ablegen, ob sich die Lage verändert hat, ob sie sich so verändert hat, dass wir zu neuen Bewertungen kommen müssen.

Meine Damen und Herren, Sie alle kennen – Herr Holter hat das gerade noch erwähnt – meine Überzeugung, dass sich der Afghanistan-Einsatz in den letzten Jahren unzweifelhaft geändert hat, dass wir uns dort inzwischen im Krieg befinden. Das hat spätestens die Bombardierung des Tanklastzuges gezeigt

(Peter Ritter, DIE LINKE: Von Anfang an, nicht erst seit dem.)

und die zunehmenden Angriffe auf deutsche Soldaten. Deshalb meine ich, es ist an der Zeit, es ist überfällig, dass Bundesregierung und Bundestag zu einer neuen Bewertung kommen. Es ist an der Zeit, den Einsatz so schnell wie möglich zu beenden und die Soldatinnen und Soldaten nach Hause zu holen. Das ist meine Überzeugung.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Und, meine Damen und Herren, das ist nicht nur meine Überzeugung, diese Position hat die SPD in Meck- lenburg-Vorpommern schon in den letzten Jahren ver-

treten, das werden wir auch weiter tun. Unsere Position ist da sehr klar: Wir stehen hinter der Bundeswehr, aber wir sagen Nein zum weiteren Einsatz in Afghanistan. Übrigens stehen wir mit dieser Position nicht allein: Mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland lehnen den Einsatz ab. Ich meine deshalb, Bundesre- gierung und Bundestag wären klug beraten, wenn sie auf die Mehrheit der Menschen in Deutschland hören würden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Nun hat die Bundesregierung angekündigt, dass sie die Truppenstärke reduzieren will, zunächst um 500 Anfang 2012 und dann um weitere 500 bis Anfang 2013. Dazu sage ich: 1.000 Soldaten weniger bis Anfang 2013, das ist viel zu langsam und viel zu wenig, zumal man sagen muss, bei den ersten 500 handelt es sich zum überwiegenden Teil nur um Stellen. Tatsächlich abrücken werden etwa 100 Soldatinnen und Soldaten und die weiteren 500 stehen dann unter den altbekannten Vorbehalten, also nur dann, wenn die Sicherheitslage das zulässt.

Ich sage: Wir müssen schneller raus aus Afghanistan. Es kann nicht sein, dass die letzten deutschen Soldaten erst 2014 oder sogar noch viel später in die Heimat zurückkehren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Meine Damen und Herren, das ist meine Überzeugung, die kennen Sie. Dafür setze ich mich ein auf Bundesebene. Dafür werde ich mich weiter auf Bundesebene in meiner eigenen Partei, der Bundespartei der SPD, einsetzen und in der Öffentlichkeit.

Es ist nun, meine Damen und Herren, nicht das erste Mal, dass wir im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern über einen Antrag der LINKEN zu diesem Thema debattieren. Das ist ein wichtiges Thema, keine Frage, aber es ist eben auch ein Thema, bei dem wir, der Landtag und auch die Landesregierung, keinerlei Entscheidungsrechte haben. Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr treffen die Bundesregierung und der Bundestag ganz allein.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die Fürsorgepflicht für die Soldatinnen und Soldaten, die dort stationiert sind.)

Das wirft dann schon die Frage auf: Was wollen Sie mit Ihren immer neuen Anträgen, die den gegenteiligen Eindruck erwecken sollen? Was wollen Sie eigentlich hier erreichen?

(Vincent Kokert, CDU: Mätzchen machen auf dem Rücken der Soldaten, ja, das ist ja das Schlimme.)

Ja, das ist sehr deutlich geworden. Sie wollen sagen, ich stehe nicht zu meiner Überzeugung. Aber ich stehe zu meiner Überzeugung. Ich habe zum Beispiel, was nicht ganz einfach ist, in der eigenen Partei dafür gesorgt, dass wir noch einmal eine Afghanistan-Konferenz in Berlin gemacht haben und noch einmal diskutiert haben. Es ist mir jedoch nicht gelungen, mich durchzusetzen in der Bundes-SPD, aber – das können Sie nachverfolgen – ich setze mich dafür ein.

Aber was wir nicht machen, und darüber können alle kunstvollen Begründungen von Ihnen nicht hinwegtäuschen, ist, wir werden nicht auf die parteipolitischen Spielchen eingehen, die Sie hier machen. Es stimmt, die Koalitionspartner SPD und CDU in MecklenburgVorpommern haben zu diesem Thema unterschiedliche Auffassungen, das tragen sie auch aus.

(Vincent Kokert, CDU: Was auch ganz normal ist, wir haben doch nicht geheiratet.)

Das tragen wir auch aus, aber wir lassen uns von Ihnen hier nicht vorführen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ich finde es schade, dass Sie dieses ernste Thema immer wieder missbrauchen, um dann vermeintlich parteipolitisch hier zu punkten. Damit sind Sie schon in der letzten Wahlperiode gescheitert und, ich sage voraus, Sie werden wieder scheitern.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Wir lehnen diesen Antrag ab. Ich bitte Sie, nicht so unredlich zu sein, daraus zu schließen, wenn ich einem Antrag der LINKEN nicht zustimme, dass ich von meiner grundsätzlichen Überzeugung abrücke, für die ich eintrete, aber nicht, indem ich einen Antrag von Ihnen unterstütze, mit dem Sie nichts anderes vorhaben, als einen Keil in diese Koalition zu treiben. Das ist einfach zu billig.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Auf dem Rücken der Soldaten.)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Jaeger für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will es mir bei diesem Thema nicht leicht machen. Im Oktober 2001 war ich Delegierter auf der BDK. Wir haben auf dieser BDK – und das war einer der beeindruckendsten Parteitage, die ich erlebt habe – acht Stunden über dieses Thema diskutiert. Ich gehörte mit zu den Leuten, die für den Afghanistan-Einsatz gestimmt haben. Damit stehe ich innerhalb meiner Fraktion heute alleine da, das will ich auch deutlich sagen. Das wird auch zur Folge haben, dass es ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten meiner Fraktion zum Antrag der LINKEN geben wird.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist ja nichts Schlimmes.)

Ich möchte auf ein paar Punkte des Antrages der LINKEN eingehen. Für mich ist der Hauptgrund, gegen diesen Antrag zu stimmen, der Satz, für einen sofortigen Abzug zu sein. Ich kann das nachvollziehen, was Ihre Bedenken gegen den Afghanistan-Einsatz sind, und sehe ihn inzwischen auch deutlich kritischer. Ich könnte das unter Umständen vergleichen mit meiner Einstellung zum Irak-Krieg, wo ich der rot-grünen Bundesregierung gefolgt bin, die den Irak-Krieg abgelehnt hat, wo ich aber

heute auch der festen Überzeugung bin, auch wenn Deutschland sich an diesem Krieg nicht beteiligt hat, dass ein sofortiger Abzug aller ausländischen Soldaten aus dem Irak einen Bürgerkrieg massiv beschleunigen würde und ich ihn deswegen ablehnen würde, obwohl ich ganz klar gegen den Irak-Krieg aufgetreten bin und gegen den Irak-Krieg auch öffentlich argumentiert habe.

(Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE: Stimmt nicht.)

In Afghanistan – und das ist inzwischen auch eine breit getragene Meinung innerhalb von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – ist es so, dass wir sagen, die deutschen Soldaten sollen aus Afghanistan abziehen, aber es geht um einen geordneten und geregelten Rückzug. Wir haben auf dem Parteitag der GRÜNEN mehrere Punkte festgelegt, die bei diesem Rückzug berücksichtigt werden müssen. Und ich kann nicht verstehen, dass solche Punkte in einem Antrag der LINKEN nicht mal erwähnt werden. Sie haben einen Satz dazu gesagt, aber diese Punkte haben nicht Einzug gefunden in Ihren Antrag. Die Punkte sind für die GRÜNEN:

Wir möchten, dass den Menschen, die in Afghanistan eine sichere Zukunft verlieren, eine sichere Zuflucht geboten wird.

Wir sind ganz klar – und das ist wieder ein Thema für die Landespolitik – für einen Abschiebestopp für afghanische Flüchtlinge. Das ist eine Sache, die uns hier direkt angeht, und die hängt damit zusammen, dass wir wissen, was ausgelöst wird, wenn die Truppen Afghanistan verlassen werden.

Wir brauchen eine Unterstützung des UN

Flüchtlingskommissariats, damit auch die Flüchtlinge, die in die Nachbarländer, nach Iran und Pakistan, gegangen sind, unterstützt werden. Dafür gibt es eine internationale Verantwortung. Und wir ziehen nicht einfach nur die Truppen ab und sagen, diese Region ist nicht mehr unser Problem, sondern es muss klar sein, dass das zusammengehört.

Und der letzte Punkt ist, mit dem Abzug dürfen der zivile Aufbau und die Mittel für den zivilen Aufbau auf keinen Fall fehlen. Und auch das gehört in einen solchen Antrag hinein, ein klares Bekenntnis zum zivilen Aufbau in Afghanistan.

Deswegen, weil all diese Punkte nicht drinstehen, werde ich ganz klar mit Nein gegen den Antrag der LINKEN stimmen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Jaeger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Köster für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DIE LINKE beantragt also am heutigen Tag erneut, dass der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern sich einerseits gegen den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan aussprechen soll und andererseits einen sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan fordern soll. Die Landesregierung soll darüber hinaus sich

auf Bundesebene dafür einsetzen, dass dieser Abzug auch geschieht. Ferner soll sich der Landtag ausdrücklich dagegen aussprechen, dass über eine Bundeswehrstrukturreform eine weltweit agierende Interventionsarmee geschaffen wird – im Grunde ein Antrag, dem jeder Nationalist zustimmen kann.

Allerdings wird sowohl durch den Antrag als auch durch den Redebeitrag von Herrn Holter die große Scheinheiligkeit der LINKEN deutlich. Stets stehen bei Ihnen Forderungen auf der Tagesordnung, die beim deutschen Bürger gut ankommen. Ich erinnere Sie da gern in diesem Zusammenhang an die Fremdarbeiterdebatte des Linken Lafontaine, die einzig und allein darauf zielte, Wählerstimmen zu erhaschen. Denn Sie vergessen eines, meine Damen und Herren von der LINKEN:

Einerseits lehnen Sie Sachen ab, aber andererseits wollen Sie bei diesen übernationalen, überstaatlichen Organisationen trotzdem mitspielen. DIE LINKE tritt weiterhin dafür ein, dass es die UNO gibt, so, in der Form, und will sie ein wenig demokratisieren. DIE LINKE unterstützt massiv die Europäische Union und macht sich dadurch, allein durch die Unterstützung der Europäischen Union, mitschuldig an dem, was in Afghanistan geschieht, denn die Kriegspolitik in Afghanistan hat einen großen wirtschaftlichen Hintergrund. Das ist die Scheinheiligkeit, welche die NPD-Fraktion Ihnen vorwirft.

Dadurch, dass aber in Afghanistan deutsche Soldaten für fremde Interessen ihr Leben opfern müssen, stimmen wir dem Antrag zu, denn die deutschen Soldaten müssen endlich wieder nach Deutschland zurückkommen. Raus aus Afghanistan! Kein Blut für fremde Interessen!

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)