Protokoll der Sitzung vom 26.10.2012

die nicht den Begriff der Landwirtschaft im Sinne des Paragrafen 201 des Baugesetzbuches erfüllen, Herr Mi- nister.

Es gibt durchaus Übereinstimmungen mit dem vorliegenden Antrag der Bündnisgrünen.

Nun zur Ziffer 1 des Antrages. Seit Februar liegt ein Referentenentwurf zur Änderung des Baugesetzbuches auf Eis. Das wissen ja auch alle hier im Raum, oder fast alle. Er sieht vor, für größere Vorhaben zum Bau von Tierhaltungsanlagen die Außenbereichsprivilegierung abzuschaffen. Besteht die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung, muss künftig ein Bebauungsplan Baurecht schaffen. Und ich beziehe mich insbesondere auch auf die Schwellenwerte, die aus dem Bundes-Immissions- schutzgesetz und auch dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz stammen. Also meine Beispiele sind nicht frei erfunden, sondern die belegen sich genau auf diese beiden Gesetze.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Das liegt jetzt hier.)

Bei Mastschweinen heißt das konkret, dass jede Anlage ab 3.000 Plätzen nicht mehr im Außenbereich per se genehmigungsfähig wäre, im Einzelfall kann diese Schwelle auch bei 1.500 oder 2.000 Mastschweinplätzen erreicht sein. Laut Antrag soll nicht erst abgewartet werden, was die Vorprüfung ergibt, sondern die Privilegierungen entfallen, sobald eine Vorprüfung vorgeschrieben ist. Bei Mastschweinen würde die Schwelle dann generell bei Anlagen ab 1.500 Plätzen liegen.

Ich bringe eine dritte Möglichkeit ins Spiel. Die Privilegierung sollte entfallen, wenn ein förmliches Verfahren nach der Vierten Bundes-Immissionsschutzverordnung durchzuführen ist. Bei meinem Beispiel für Mastschweine würde das bei Anlagen von 2.000 Plätzen der Fall sein. In den Fachausschüssen sollten wir wirklich darüber diskutieren können, welche Schwellenwerte denn die richtigen wären. Das muss man natürlich fraktionsübergreifend tun.

Noch wichtiger ist es jedoch, dass unser Land im Bundesrat überhaupt der Teilaufgabe der Privilegierung zustimmt. Es wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Und das Land sollte Druck machen, dass endlich die Baugesetzbuchnovelle auf den Weg gebracht wird.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Haben Sie mir nicht zugehört? Habe ich russisch gesprochen? Ich habe deutsch gesprochen.)

Allerdings hält sich meine Hoffnung in Grenzen. Kürzlich sprach die Landgesellschaft in einem Vortrag zur Novelle des Baugesetzbuches im Rahmen einer Mitgliederversammlung der Thünengesellschaft von Problemen. Eines davon sei die Abhängigkeit des Investors von der Einstellung der Kommune. Sieht dies das Agrarministerium auch so, wäre das fatal.

Ich sage deutlich: Meine Fraktion will die demokratische Mitbestimmung der Kommunen stärken. Derzeit spielt der gemeindliche Planungswille bei den Genehmigungsverfahren faktisch keine Rolle, und das kann nicht sein.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!)

Für Gewerbeansiedlungen sind Bebauungspläne zwingend vorgeschrieben: Die Gemeinde bestimmt, welches Gewerbe sie wo und in welchem Umfange ansiedeln will. Das muss künftig auch für gewerbliche Tierhaltung gelten. Im Rahmen von Bauleitplanungen sind gemeindliche Interessen zur Entwicklung mit den Interessen des Investors in Einklang zu bringen. Durch Kompromisse werden

natürlich auch Konflikte minimiert, sei es das Finden des optimalen Standortes im Gemeindegebiet oder einer regional verträglichen Dimension gewerblicher Tierhaltung. Die Öffentlichkeit muss von Anbeginn mit in die Planung einbezogen werden. Das sind Vorteile auch für den Investor. Er erhält Planungssicherheit und dadurch natürlich auch Akzeptanz.

Was im Antrag fehlt, ist eine Abgrenzung gewerblicher und landwirtschaftlicher Tierhaltung. Einige Forderungen in Ziffer 1, so zur Futtergrundlage und zur Verwertung der Abprodukte, setzen sich mit dem Begriff „Landwirtschaft“ auseinander. Paragraf 201 des Baugesetzbuches enthält eine Legaldefinition zum Begriff „Landwirtschaft“. Die gültige Definition geht auf eine Änderung des Baugesetzbuches aus dem Jahr 2004 zurück. Die erfolgte unter Rot-Grün und wurde auch vom damaligen Bundesumweltminister Trittin unterzeichnet.

In der Begründung der Gesetzesänderung heißt es dazu, ich zitiere: „Landwirtschaft … im Zusammenhang mit Tierhaltung und Tierzucht liegt nur vor, wenn sie ,auf überwiegend eigener Futtergrundlage‘ erfolgt. Daraus wurde teilweise gefolgert, dass nicht nur das Futter für die Tiere zu mehr als der Hälfte auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Flächen erzeugt …, sondern auch tatsächlich verfüttert werden muss … Diese Betrachtungsweise entspricht jedoch nicht den heutigen Abläufen in der Landwirtschaft.“

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja. Ja.)

„Auch in flächenbezogenen Tierhaltungen wird das erzeugte Futter verarbeitet, bevor es an die Tiere verfüttert wird. Die Änderung soll dies berücksichtigen. Es soll mithin ausreichen, wenn genügend landwirtschaftlich genutzte Flächen, die zum landwirtschaftlichen Betrieb gehören, zur (überwiegenden) Futtererzeugung vorhanden sind.“

(Dr. Till Backhaus, SPD: 50 Prozent.)

„Auf die unmittelbare Verfütterung des erzeugten Futters an die Tiere soll es daher für den baurechtlichen Begriff der Landwirtschaft nicht mehr ankommen...“ Zitatende.

Ich will die Debatte mit dieser Äußerung versachlichen und anregen, im Agrarausschuss darüber zu reden, inwieweit diese Begriffsdefinition noch aktuell ist, oder wäre sie zu ergänzen um Aussagen zur Verwertung der Abprodukte und sollte sie sich deutlicher von gewerblichen Tierhaltungen abgrenzen.

Die Ziffer 2 des Antrages befasst sich mit den Grundlagen für die Genehmigung und den Betrieb von Tierhaltungsanlagen. Auch meine Fraktion zweifelt, dass die technischen Anleitungen und Regelungen zum Immissionsschutz noch dem aktuellen Wissensstand entsprechen und für immer größer werdende Anlagen anwendbar sind. Deshalb gehören die Genehmigungs- und Betreibungsgrundlagen auf den Prüfstand. Meine Fraktion unterstützt das ausdrücklich. Dazu sollten wir uns im Wirtschaftsausschuss verständigen.

Auch Ziffer 8 findet die Zustimmung meiner Fraktion. Die Pannen bei der Genehmigung der Schweinezucht-

anlage Alt Tellin zeigen deutlich, dass die mit der Genehmigung befassten Behörden wahrscheinlich überfordert waren.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, richtig. Richtig.)

Hervorragende Arbeit leistete jedoch der Landkreis, der kräftezehrend die Bauarbeiten überwachte und auch Unregelmäßigkeiten aufdeckte. Das will ich hier ausdrücklich noch einmal würdigen.

Zu guter Letzt gehe ich auf Ziffer 9 ein, die dafür wirbt, in den regionalen Raumentwicklungsprogrammen künftig Eignungsgebiete für die Tierhaltung festzulegen. Auch damit sollten wir uns im Energieausschuss eingehend auseinandersetzen.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Das überlegen Sie sich mal richtig. Haben Sie das mit Dr. Tack schon abgestimmt?)

Die Länder gehen unterschiedlich heran bei den Eignungsgebieten. Sollte die Handhabung im Land wie bei Windeignungsgebieten erfolgen, wäre außerhalb dieser Eignungsgebiete Tierhaltung ausgeschlossen.

(Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

Das wäre die Abkehr von einer flächendeckenden Landwirtschaft. Innerhalb der Eignungsgebiete würde sich dagegen die Tierhaltung konzentrieren. Das würde meine Fraktion nicht mittragen. Das sage ich hier auch noch mal ausdrücklich.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

Wir wollen keine Verhältnisse wie im Emsland, wir wollen die Land- und Ernährungswirtschaft flächendeckend, nachhaltig und auch multifunktional ausrichten. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gerkan.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich außerordentlich, dass vonseiten der LINKEN so inhaltlich und sachlich argumentiert wurde. Vielen Dank dafür.

Vorab noch eine Bemerkung: Ich halte es für gut, wenn wir Bündnisgrüne bundesweit durchaus einheitliche und vergleichbare Positionen haben.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Aber nicht in allen Fällen. Das ist ja euer Problem.)

Ich möchte Ihnen gerne ein paar weitere Fakten an die Hand geben.

(Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

Zurück zum Gewässergütebericht 2008. Der zeigt Nitratbelastungen von über 100 Milligramm Nitrat pro Liter im

Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, wo ich herkomme,

(Dr. Till Backhaus, SPD: Das haben Sie vorhin schon mal gesagt.)

insbesondere im Bereich Hohen Wangelin.

Zitat aus dem Bericht: „Hier bestand von 1975 bis 1990 eine industrielle Rindermastanlage, aus der regelmäßig große Mengen Gülle auf den umliegenden Flächen ausgebracht wurden. Der Standort wird weiterhin landwirtschaftlich, aber auch zur Tierzucht genutzt.“

In einem Gutachten werden auch acht Jahre nach der intensiven Nutzung des Standortes noch sehr hohe Nitratgehalte festgestellt. Der Trend zu auffällig hohen Werten besteht fort. Regelmäßig werden in diesem Areal Mittelwerte von über 300 Milligramm Nitrat pro Liter im Grundwasser gemessen. Spitzenwerte erreichen sogar 600 Milligramm Nitrat pro Liter. Das ist eine zwölffache Überschreitung des Grenzwertes, der bei 50 Milligramm liegt. Dieses Grundwasser ist nicht ansatzweise zu menschlichem Verzehr geeignet,

(Dr. Till Backhaus, SPD: Das müssen Sie an die SED richten, den Vorwurf, in der Vergangenheit.)

und nicht einmal als Gießwasser für Ihr Gemüse im Garten. 55 Prozent aller Grundwassermessstellen in Mecklenburg-Vorpommern weisen regelmäßig Grenzüberschreitungen mit Konzentrationen von über 100 Milligramm Nitrat pro Liter auf. Diese Beispiele belegen, es besteht durchaus ein akuter Handlungsbedarf.

Die Stickstoffbilanz in der Landwirtschaft oder der Stickstoff muss reduziert werden und bei allen Überlegungen in dieser Richtung muss die industrielle Tierhaltung eine gewichtige Rolle spielen, wobei wir durchaus nicht sagen, dass ganz Mecklenburg-Vorpommern durch industrielle Tierhaltung belastet ist. Das möchte ich sehr wohl sagen hier an der Stelle.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Ist schon mal ein interessanter Ansatz.)

Das haben wir auch nie behauptet.

So sollten, um einen lokalen Nährstoffkreislauf sicherzustellen, neue Tierhaltungsanlagen im Außenbereich nur noch unter der Voraussetzung genehmigt werden, dass der anfallende Wirtschaftsdünger im eigenen oder in landwirtschaftlichen Betrieben in einem Umkreis von 20 Kilometern – das können wir auch noch in den entsprechenden Ausschüssen diskutieren – ausgebracht und verwertet werden kann.