Protokoll der Sitzung vom 26.10.2012

Ja, ich sage das so.

Aber wir haben eben auch gehört, die Geldverwendung ist frei.

Sie führen in Ihrer Begründung aus, dass politische Partizipationsmöglichkeiten sowie kulturelle, kommunikative und ökonomische Möglichkeiten des Internetzugangs Haushalten mit geringen Einkommen versperrt blieben. Es stellt sich die Frage, ob Menschen, die unzufrieden sind, nach Arbeit suchen und Zukunftsängste haben, nun ausgerechnet mit einem PC weitergeholfen ist. Wenn Sie mich fragen, ich glaube das nicht.

(Vincent Kokert, CDU: Aber Herr Ritter glaubt das.)

Für die Betroffenen ist es viel wichtiger – und bisher waren wir uns in dem Punkt, glaube ich, auch einig, meine Damen und Herren von der Linkspartei –, dass die Menschen in dieser Situation reale, nicht virtuelle Hilfe bekommen müssen, wie sie beispielsweise die Jobcenter anbieten. Sie brauchen Ansprechpartner, um aus ihrer zunehmenden sozialen Isolation herauszukommen und sich nicht noch weiter aus dem gesellschaftlichen Leben zurückzuziehen. Darin sehen wir unsere gesellschaftspolitische und soziale Aufgabe und Verantwortung.

Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu aberwitzig, dass Sie in Ihrer Begründung von Ausgrenzung sprechen, wenn jemand keinen Computer besitzt. Nein, Menschen müssen in ein soziales Umfeld eingebettet sein.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich weiß gar nicht, warum Sie darüber lachen, Herr Ritter!

(Vincent Kokert, CDU: Sehr richtig. – Peter Ritter, DIE LINKE: Über Ihre Rede, über den Inhalt Ihrer Rede kann ich nur lachen.)

Dies gilt umso mehr, wenn Betroffene aus diesem sozialen Umfeld herauszufallen drohen, weil ihnen beispielsweise der regelmäßige Kontakt mit Arbeitskollegen, zum Zeitungsverkäufer an der Ecke oder zum Dorfkonsum, sage ich jetzt mal, fehlt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die gibt es doch in jedem Dorf.)

In Zeiten steigender Fallzahlen von Internetsucht, für die man auch genug Zeit haben muss, sehen wir die hier aufgemachte Forderung als falschen Ansatz.

(allgemeine Unruhe)

Der richtige Ansatz lautet, die bestehenden Hilfsinstrumente zu nutzen, um den Betroffenen ein reales soziales Umfeld zu bieten und keine Scheinwelt, in die sie sich immer mehr zurückziehen. Für uns als CDU steht der Mensch im Mittelpunkt der Betrachtung.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Na, das merkt man.)

Und eben der Mensch und seine Notlage muss Grundlage unseres Handelns sein.

(Beifall Vincent Kokert, CDU – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade in Bezug auf die Arbeitslosigkeit eines Menschen wird ein Computer diesen Part nicht ersetzen können

(Michel Andrejewski, NPD: Teufelszeug!)

und aus dieser Sicht auch nicht sollen.

(Vincent Kokert, CDU: Sehr gut.)

Soziokulturelles Existenzminimum darf nicht zur Isolation führen. Teilhabe definieren wir deutlich anders. Wir lehnen deshalb Ihren Antrag ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt der Ab- geordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

(Jörg Heydorn, SPD: Herr Saalfeld, lachen Sie doch mal!)

Mache ich immer gerne.

(Zuruf aus dem Plenum)

Schön. Sind Sie neidisch? Ist doch schön, wenn es noch Menschen gibt, die lachen können.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE beantragt, die Landesregierung aufzufordern, sich im Bundesrat für die Anerkennung eines internetfähigen Computers als Sonderbedarf nach SGB II und SGB XII als Bestandteil des soziokulturellen Existenzminiums einzusetzen. Sie beantragt weiterhin einen Beschluss des Landtages, dass jeder

Mensch unabhängig von Zeit und Ort sowie unpfändbar über einen persönlichen Zugang zum Internet verfügen können muss,

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

um eben an modernen Formen der Information, des Konsums, der Kommunikation sowie politischer Partizipation teilhaben zu können. Wir haben es eben gerade schon mehrfach gehört.

Ich danke der Fraktion DIE LINKE ausdrücklich, dass sie sich dieses Themas angenommen hat und damit eben versucht, eine breite politische Debatte in Gang zu bringen. Denn in der Tat ist eine breite und öffentlichkeitswirksame Debatte zum Thema „Erwerbslosigkeit und digitale Teilhabe“ bisher weitestgehend ausgeblieben.

Ich hole mal ganz kurz ein bisschen aus: Der spanische Soziologe und Medientheoretiker Manuel Castells prägte im Laufe der in den 90er-Jahren aufkommenden Debatte über die Globalisierung den uns heute sehr geläufigen Begriff der Netzwerkgesellschaft. Netzwerke beeinflussen demnach nicht mehr nur gesellschaftliche Teilbereiche, sondern stellen ein gesamtgesellschaftliches Phänomen dar. Computertechnik ermöglicht, flexible soziale Beziehungen unabhängig von Territorien zu organisieren. Die große Kluft in der Netzwerkgesellschaft verläuft Castells zufolge nicht zwischen dem sozialen Oben und Unten, den geografischen Zentren und Peripherien, sondern zwischen den Vernetzten und Unvernetzten.

Und nun schauen wir mal auf den sogenannten (N) ONLINER Atlas, aus dem auch schon Herr Ritter zitiert hatte, aus dem Jahr 2012, ob denn nun die Kluft zwischen Vernetzten und Unvernetzten im Land nicht auch entlang der sozialen Grenze von Oben und Unten, also sozial stärkeren und schwächeren Schichten verläuft. Und siehe da – wir hatten es vorhin schon gehört –, die jährliche Studie über Nutzung und Nichtnutzung des Internets und den Verlauf des digitalen Grabens durch Deutschland zeigt Folgendes: Im Jahr 2012 nutzten 75 Prozent der Deutschen das Internet, in MecklenburgVorpommern waren es 68 und damit liegen wir auf Platz 14 in Deutschland. Bei der Internetnutzung nach Haushaltseinkommen – Herr Ritter hatte es schon dargestellt –

(Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)

gibt es große Unterschiede, nur 54 Prozent.

Ich habe Sie nicht ganz verstanden.

(Jörg Heydorn, SPD: Dann können Sie es doch lassen.)

Nö, es ist nämlich sehr interessant. Und ich glaube, die Wiederholung trägt zur Verstetigung bei.

(Beifall Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur 54 Prozent der Haushalte mit einem Einkommen unter 1.000 Euro pro Monat nutzen das Internet, 66 Prozent – also ein bisschen mehr – bei einem Nettoeinkom

men von 1.000 bis 2.000 Euro, 83 Prozent bei 2.000 bis 3.000 Euro und interessanterweise 92 Prozent – das ist eine sehr hohe Rate – bei einem Nettoeinkommen von über 3.000 Euro monatlich. 88 Prozent der Berufstätigen nutzten 2012 das Internet. Dagegen nutzten nur 60 Prozent der Nichtberufstätigen das Internet.

An diesen Zahlen sehen wir doch, dass die soziale Situation eng mit der digitalen Teilhabe verbunden ist – ein Missstand, dessen wir uns gesamtgesellschaftlich annehmen müssen, und ich sage dazu, nicht nur am untersten Ende. Wir müssen diesen digitalen Gap, diese digitale Kluft überwinden. Dann hätten wir vor den Sozialgerichten mit den aktuellen Regelungen auch überhaupt keine Probleme. Und zwar hätten wir keine Probleme mehr, dass internetfähige Computer in Haushalten unterer Einkommensgruppen als den maßgeblichen Vergleichshaushalten für Hartz-IV-Empfänger als üblicherweise vorhanden eingestuft werden. Ein internetfähiger Computer als Haushaltsgegenstand würde damit den sozial üblichen Standard auch in unteren Einkommensgruppen darstellen. Damit würde ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten unterer Einkommensgruppen orientiertes Wohnen das Vorhandensein eines internetfähigen Computers umfassen. Insofern wäre dieser auch unstrittig für eine geordnete Haushaltsführung bei HartzIV-Empfängern erforderlich. Wir müssen also die Nutzung des Internets unterer Einkommensgruppen zuerst stärken, dann würden die heutigen rechtlichen Regelungen bereits ausreichen und für Hartz-IV-Empfänger würden internetfähige Computer zur Erstausstattung von Haushalten nach Paragraf 24 SGB II gehören.

Der Antrag der LINKEN zielt nun aber auf eine schnelle Lösung durch einen spezialgesetzlichen Anspruch ab. Das ist auf jeden Fall ein geeignetes Mittel, aber auch ein sehr teures Mittel. Und ist es denn eigentlich auch ein angemessenes beziehungsweise verhältnismäßiges Mittel? Löst die spezialgesetzliche Lösung auch das Grundproblem? Schließlich sind in den Regelsätzen für Hartz-IV-Empfänger Kommunikationskosten ja bereits enthalten,

(Jörg Heydorn, SPD: Jetzt werden Sie besser.)

über die sie frei verfügen können. Frau Schwesig ist ja eben gerade auf diese Problematik schon eingegangen. Die Höhe ist in meinen Augen unangemessen niedrig.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt werden Sie schon wieder schlechter. – Jörg Heydorn, SPD: Nee, nee, nee!)

Die Höhe der im Regelbedarf enthaltenen Kosten für Internetdienste und Datenverarbeitung inklusive Software beträgt etwa 6 Euro, Frau Schwesig sprach eben gerade von 25 Euro. Es kommt immer darauf an, was man gerade dazu reinrechnet. Aber wenn man Datenverarbeitung, Software und Internetdienste zusammenrechnet, kommt man auf 6 Euro monatlich. Ich frage Sie: Wie soll man mit diesem Betrag einen internetfähigen Computer überhaupt betreiben? Da steht dann der Computer, würde aber trotz spezialgesetzlicher Regelungen nur Staub ansetzen. Wir sollten das bei der nächsten Neubemessung der Regelsätze dringend berücksichtigen.

Ich fasse also meine Position noch mal zusammen: Das Ziel des Antrages teile ich. Ich bin bloß vom Lösungsweg

noch nicht ganz überzeugt, vor allem weil er meiner Meinung nach wichtige Teilaspekte ausblendet. Ich sehe noch Entwicklungs- und Beratungsbedarf.