Protokoll der Sitzung vom 26.10.2012

Kritik und Selbstkritik in der SED, Entschuldigung.

Deshalb gilt es, immer auch genau hinzuschauen: Was ist denn nun wirklich ehrlich und was ist eben Ritual?

(Stefan Köster, NPD: Das ist alles ein Brei.)

Da frage ich mich schon, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was ist denn Ihre persönliche Selbstkritik wert, wenn wir uns alle – so lange ist das gar nicht her, es war im August letzten Jahres – daran erinnern, dass am 13. August auf einem Parteitag der LINKEN eine ehemalige Ministerin der LINKEN

(Regine Lück, DIE LINKE: Das hat doch damit gar nichts zu tun. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU – Regine Lück, DIE LINKE: Quatsch!)

demonstrativ einfach sitzenbleibt,

(Minister Dr. Till Backhaus: Natürlich hat das damit was zu tun.)

wenn es um die Ermordeten, um das Gedenken, das gemeinsame Gedenken an die Ermordeten an der deut

schen Mauer ging? Und da muss ich fragen: Was ist ehrlich und was ist da Ritual?

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Und welchen Wert hat denn Ihre persönliche Selbstkritik, wenn vor wenigen Wochen die linke Oberbürgermeisterin hier in der Landeshauptstadt meint, die glühende Kommunistin und Antidemokratin Hermine Quandt, die Witwe des einstigen SED-Funktionärs Bernhard Quandt, mit einer Todesanzeige ehren zu müssen? Kritik und Selbstkritik als Ritual? Und war es nicht Helmut Holter, der 1999 –

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was machen Sie jetzt eigentlich, Herr Kollege Ringguth? Was machen Sie jetzt eigentlich? Das ist Ritual, was Sie da betreiben.)

und ich habe die damals gelesen, ich habe diese Rede gelesen und ich hielt sie für erheblich unkritisch, für erheblich unkritisch – nämlich allenfalls eine Trauerrede auf eben diesen Bernhard Quandt hielt? Und deshalb, meine Damen und Herren, und auch, weil sich DIE LINKE in den zurückliegenden Jahren nie besonders hervorgetan hat, die Erinnerungen an den 17. Juni wachzuhalten – ich erinnere mich an halbleere Fraktionsreihen während der Gedenkveranstaltung des Deutschen Bundestages vor zwei Jahren und euer Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi glänzte durch Abwesenheit –, und das, meine Damen und Herren, hat uns eben darin bestärkt,

(Zuruf von David Petereit, NPD)

den Antrag als Antrag der Koalition zu stellen.

(David Petereit, NPD: Das ist ja bei Ihren Parteien nicht anders.)

Und das, Herr Ritter, müssen Sie uns einfach zugestehen, dass wir diese Auffassung haben und auch haben dürfen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich darf meine Auffassung auch haben, ja?)

Natürlich, Herr Ritter, natürlich, selbstverständlich.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist ja das Schöne an der Freiheit.)

Meine Damen und Herren, die Impulse in den Junitagen, wirklich die Impulse, 1953 kamen von den Arbeitern, aber auch Bauern. Intellektuelle, Lehrlinge, Hausfrauen, Arbeitslose, Rentner, viele Menschen in der damaligen DDR beteiligten sich an dem Aufstand. Junge Menschen haben damals ihr Leben verloren, mein Kollege Fraktionsvorsitzender Kokert ist darauf eingegangen. Und zu den Ereignissen des Juni 1953 gehört eben auch, dass Justizbeamte Befehle verweigert haben, dass Lehrer sich neue Direktoren gewählt haben und dass sich auch Studenten engagierten.

Es ging eben um weit mehr als um soziale Gerechtigkeit. Und das belegt auch eine Forderung der Werktätigen – so hieß das ja damals – des Kreises Bitterfeld, die wie folgt lautete:

„1. Sofortiger Rücktritt der Regierung, die durch Wahlmanöver an die Macht gekommen ist, 2. Einsetzung

einer provisorischen deutschen demokratischen Regierung, 3. freie, demokratische, geheime und direkte Wahlen in 4 Monaten“, das war die Forderung, „4. Zurückziehung der deutschen Polizei von den Zonengrenzen und sofortiger Durchgang für alle Deutschen, 5. sofortige Freilassung der politischen Häftlinge“.

Meine Damen und Herren …

(Vincent Kokert, CDU: Da fehlt das soziale Thema so richtig, finde ich eigentlich.)

Ja, ist da jedenfalls nicht im Fokus der Betrachtung.

Meine Damen und Herren, in Westberlin fand am 23. Juni 1953 eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Aufstandes statt. In einem Bericht über diese Veranstaltung hieß es damals: „Die Tränen der Hinterbliebenen sind die Tränen der Nation geworden. Mögen die TrauerGlocken zu Glocken des Friedens und der Freiheit werden – für ein einiges und freies Deutschland.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat mehr als 37 Jahre gedauert, bis dann am 3. Oktober 1990 die Glocken in Berlin wirklich für ein einiges und freies Deutschland läuten durften. 37 Jahre! Und im Herbst 1989, im Revolutionsherbst, gelang es dem SED-Regime eben nicht mehr, die Revolution niederzuschlagen. Der Wille nach Freiheit und Demokratie war einfach zu groß geworden.

Und dies mussten selbst die greisen Machthaber im Politbüro dann erkennen, obwohl Erich Mielke noch im Spätsommer fragte: „Bricht morgen der 17. Juni aus?“ Der Stachel des Volksaufstandes saß bei ihm jedenfalls immer noch sehr tief und vor allem Mielke war es, der damals als Folge des Volksaufstandes das System von Unterdrückung und Überwachung,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

also die Staatssicherheit ausbaute und auf perfide Art und Weise perfektionierte.

Der Kollege Jaeger hat es gesagt, im Gegensatz zu 1953 blieb die Hilfe des großen Bruders aus Moskau diesmal ja aus.

(Vincent Kokert, CDU: Gott sei Dank!)

Die Panzer blieben in den Kasernen und kein Schuss ist gefallen. Es ist unter anderem dem klugen und umsichtigen Handeln von Michail Gorbatschow zu verdanken, dass es so friedlich ablief, und ich möchte mir gar nicht vorstellen, ich möchte es mir wirklich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn in Moskau irgendwelche Hardliner damals gesessen hätten.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann würden wir hier jetzt nicht sitzen.)

Wenn wir uns den Aufstand in Ungarn oder den Prager Frühling in Erinnerung rufen, dann können wir Ostdeutschen wirklich sagen, Gott sei Dank, und wir können immer wieder sagen, die Mauer ist von Ost nach West umgefallen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der deutschen Einigung wurde die Erinnerung an den 17. Juni 1953 dann wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und das ist gut und das muss auch nach fast 60 Jahren so bleiben.

Der Volksaufstand lehrt uns, dass Demokratie und Freiheit eben unteilbar sind. Und es bedarf mutiger Menschen, sich dafür auch einzusetzen. Das war 1953 so und das war 1989 eben auch so. Und dies muss auch in Zukunft so sein.

(Udo Pastörs, NPD: Und das wird so sein.)

Die deutsche Geschichte lehrt uns, dass Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeit sind, und, meine Herren von der Fensterfront,

(Zuruf von David Petereit, NPD)

jederzeit und stets verteidigt werden müssen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und zwar durch die Demokratie.

(Stefan Köster, NPD: Ja, wir müssen sie uns erst mal erkämpfen.)

Der 17. Juni, und das ist dann sozusagen die Klammer, muss im kollektiven Gedächtnis der Deutschen auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Und deshalb wird der Landtag die Menschen ehren, die sich am 17. Juni 1953 für Freiheit und Demokratie eingesetzt haben. Ich danke Ihnen für die Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 6/1220. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 6/1220 einstimmig angenommen.