Protokoll der Sitzung vom 06.12.2012

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Saalfeld

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Eifler, das hat uns sicherlich alle sehr überrascht,

(Dietmar Eifler, CDU: Das glaube ich nicht.)

was Sie eben gerade gesagt haben zum Schluss. Wir hätten eigentlich nichts anderes erwartet.

Aber, meine Damen und Herren, wir haben es heute schon mehrfach gehört, laut einer Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung entfallen auf die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung zwei Drittel des gesamten Nettovermögens. Das ist diese Reichtumsuhr, die Frau Rösler eben gerade schon genannt hatte. Auf das reichste Prozent entfallen immerhin noch 36 Prozent des gesamten Vermögens in Deutschland. Und was mich am allermeisten erstaunt hat, ist, dass das reichste Zehntelprozent, also der tausendste Teil der Bevölkerung, immer noch 22 Prozent des Gesamtvermögens besitzt. Diese Zahlen sprechen absolut für sich und verdeutlichen, dass die Vermögensunterschiede in unserem Land stark, meines Erachtens sogar sehr stark zugenommen haben.

Unser Grundgesetz sieht im Artikel 106 die Möglichkeit vor, große Vermögen zu besteuern oder eben einmalige

Abgaben auf Vermögen zu erheben. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 1997 wird von diesen beiden Möglichkeiten jedoch kein Gebrauch mehr gemacht. Seit 15 Jahren, meine Damen und Herren, bleibt damit ein Steuerinstrument ungenutzt, das einerseits dazu beitragen kann, die hohen Vermögensunterschiede in unserer Gesellschaft zu begrenzen und andererseits für das Gemeinwesen Einnahmen zu generieren, die im Sozialbereich zum Beispiel für die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze oder die Finanzierung einer Garantierente dringend benötigt werden.

Deswegen begrüßen und unterstützen wir GRÜNEN die Forderung nach einer Wiedererhebung der Vermögenssteuer. Wir begrüßen auch, dass sich das Finanzministerium von Mecklenburg-Vorpommern an einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe von zumeist rot-grün geführten Bundesländern beteiligt und an einer konkreten Ausgestaltung der Vermögenssteuer mitarbeitet. Uns GRÜNEN geht die Forderung nach der Einführung einer Vermögenssteuer, einer Vermögensteuer – Entschuldigung, nach Grundgesetz gibt es kein Binde-s – jedoch nicht weit genug, insbesondere mit dem Wissen, dass die Wiedereinführung, Frau Polzin sagte es eben gerade, noch einige Zeit dauern könnte.

Deswegen fordern wir auch die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe, eine Abgabe, um einen Ausgleich für die verlorenen 15 Jahre zu erhalten. Ein entsprechender Gesetzentwurf der GRÜNEN-Bundestags- fraktion liegt im Bundestag vor und ein entsprechender GRÜNE-Änderungsantrag liegt Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, hier im Landtag vor.

(Jörg Heydorn, SPD: Wir sind begeistert.)

Ich weiß, Herr Heydorn, dass Sie immer sehr begeistert sind, wenn ich spreche.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ein ehrlicher Zwischenruf.)

Ich komme auf diesen Änderungsantrag allerdings später zurück und möchte jetzt noch mal ganz kurz dazu sprechen, um was es eigentlich bei der Vermögenssteuer geht.

Die länderübergreifende Arbeitsgruppe hat ein Gutachten des DIW zur Wiederbelebung der Vermögenssteuer erstellen lassen. Frau Polzin und Frau Rösler hatten darauf schon abgehoben. Daraus geht hervor, dass sehr wenige Personen belastet würden und dennoch mit einem beträchtlichen Aufkommen zu rechnen wäre. Das Gutachten sieht nun einen einheitlichen Steuersatz von einem Prozent vor. Grundlage der Berechnung ist ein persönlicher Freibetrag in Höhe von 2 Millio- nen Euro für Ledige beziehungsweise 4 Millionen Euro für Verheiratete. Das DIW kalkuliert mit einem Aufkommen von 11,5 Milliarden Euro bei einem sehr geringen Verwaltungsaufwand von etwa 1,8 Prozent am Gesamtaufkommen. Der Steuer würden in diesem Modell rund 300.000 Personen unterliegen, unterteilt nach 143.000 natürlichen Personen und 164.000 juristischen Personen. Es soll keine zeitliche Begrenzung für die Erhebung dieser Steuer geben laut DIW-Gutachten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 1997 kritisiert, dass die Bewertung von Vermögen auf veralteter Grundlage aus dem Jahr 1964 erfolgte. Das war eine nicht gerecht

fertigte Bevorteilung von Grundeigentum. Mittlerweile gibt es für die Erbschaftssteuer verkehrswertorientierte Bewertungsvorschriften, die man für die Vermögenssteuer übernehmen könnte, denn grundsätzlich hält das Bundesverfassungsgericht eine Vermögenssteuer für verfassungskonform.

Den Vorschlag des DIW-Gutachtens halten wir GRÜNEN für moderat und vertretbar. Die von der Fraktion DIE LINKE in der Antragsbegründung angeführte Auffassung, man könnte die Freibeträge auch halbieren und den Steuersatz auf fünf Prozent erhöhen, sehen wir GRÜNEN kritisch. Frau Polzin hat eben gerade ausführlich erklärt, was die Absenkung der Freibetragsgrenze für den Verwaltungsaufwand bedeuten würde. Da der Begründungstext, meine Damen und Herren, aber nicht Beschlussgegenstand ist, können wir dem Antrag trotzdem zustimmen.

Meine Damen und Herren, ich komme zu dem Ihnen vorliegenden Änderungsantrag der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zurück, der vor der Wiedererhebung der Vermögenssteuer die einmalige Erhebung einer Vermögensabgabe fordert. Worum geht es also bei der Vermögensabgabe? Die Vermögensabgabe kann im Vergleich zur Vermögenssteuer sofort wirksam werden, da ein entsprechender Gesetzentwurf von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag mit der dortigen Drucksachennummer 17/10770 vorliegt.

Das DIW hat in einem Gutachten für die GRÜNE-Bun- destagsfraktion den Ertrag einer Vermögensabgabe mit 100 Milliarden Euro beziffert. Die Erhebungskosten liegen unter einem Prozent. Während die Einnahmen einer Vermögenssteuer den Ländern zur freien Verfügung zufließen, wären die Einnahmen aus einer einmaligen Vermögensabgabe gemäß Artikel 106 Grundgesetz zweckgebunden und sollen zur Tilgung der Kosten der Finanzkrise eingesetzt werden, denn die Vermögenskonzentration, die extreme Anhäufung von Vermögen in den Händen weniger hat ja auch indirekt zur aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise beigetragen.

(allgemeine Unruhe)

Die Reichen waren in der Lage, mit ihren großen Vermögen immer größere Risiken an den Finanzmärkten einzugehen, während andere sich immer häufiger verschulden mussten und damit einen Teil der spekulativen Finanzprodukte erst generierten.

Einen Moment, Herr Saalfeld!

Also es finden hier andauernd Zwiegespräche zwischen den Bänken und über die Bänke hinweg statt. Wenn wirklich so ausdauernder Redebedarf besteht, dann bitte ich doch, in die Lobby zu gehen oder die Nischen hier im Landtag zu nutzen, aber nicht in der Reihe.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Bitte, Herr Saalfeld.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Wie soll die Vermögensabgabe nun also konkret ausgestaltet sein? Nettovermögen über 1 Million Euro pro Per

son sollen nach dem Gesetzentwurf der GRÜNENBundestagsfraktion mit 1,5 Prozent über zehn Jahre belastet werden. Alle Personen mit Wohnsitz in Deutschland sollen zu einem Stichtag in der Vergangenheit abgabepflichtig werden, um eine Steuerflucht zu verhindern oder eine Flucht in den Erwerb ausländischen Vermögens. Der Freibetrag pro Kind beträgt 250.000 Euro. Für höhere Vermögen als 1 Million Euro werden die Freibeträge schrittweise reduziert, um deren höhere Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass ab einem Vermögen von 2 Millionen Euro die Abgabe auf das gesamte Vermögen erhoben wird.

Für betriebliche Vermögen wird ein zusätzlicher Freibetrag in Höhe von 5 Millionen Euro gewährt. Unternehmen sollen selbst nicht abgabepflichtig sein. Unternehmensanteile, die im Privatbesitz gehalten werden, gehören aber zum entsprechenden Nettovermögen einer Person und werden dort mitbewertet. Um eine Substanzbesteuerung bei Familienbetrieben zu vermeiden, soll die jährliche Abgabe auf das Betriebsvermögen auf maximal 35 Prozent des laufenden Jahresertrages vor Steuern begrenzt werden.

Betroffen, meine Damen und Herren, wären etwa 330.000 Menschen, also weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Mehr als 99 Prozent der Bevölkerung wären von der GRÜNEN-Vermögensabgabe nicht betroffen. Sie bringt sofort 100 Milliarden Euro ein.

Die Abgabe dient dem Abbau der Schulden, ein Ziel, dem sich auch die Koalition dieses Landes verpflichtet hat. Die Zinskosten des Bundes würden damit auf einen Schlag um 3 Milliarden Euro jährlich reduziert, Geld, das wir lieber für die Aufgaben der Zukunft als für die Lasten der Vergangenheit ausgeben könnten.

Die Vermögensabgabe ist durch ein Gutachten durchgerechnet und bestätigt. Es liegt ein fertiger Gesetzentwurf vor. Ein vergleichbarer konkreter Vorschlag liegt noch von keiner anderen Partei vor. Die CDU denkt eher daran, dass in Zukunft finanzschwache Länder noch Zuschläge auf die Einkommenssteuer erheben sollen, um die ohnehin stark belasteten Gering- und Normalverdiener zusätzlich zu belasten. Das wäre ein Beitrag für noch niedrigere Löhne in Mecklenburg-Vorpommern. Deswegen halten wir eine Vermögensabgabe für sehr viel gerechter.

Der Nachteil der Vermögensabgabe ist die zeitliche Befristung und die Einnahmen sind zweckgebunden und stehen dem Bund zu, während eben die Vermögenssteuer eine reine Ländersteuer ist. Deshalb ist die Vermögensabgabe für uns nur eine vorübergehende Lösung. Unser mittelfristiges Ziel ist die Einführung einer verfassungskonformen Vermögenssteuer, welche an die Bemessungsgrundlage der Vermögensabgabe anknüpft und möglichst wenig Verwaltungsaufwand verursacht. Wir stimmen daher dem Antrag der LINKEN zu und bitten um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Gundlack.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der erste Advent ist nun vorbei und, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Weihnachtsfest steht vor der Tür,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

das Weihnachtsfest mit seinen Gaben und all seinen Wünschen. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion DIE LINKE hat uns zu Weihnachten einen langen Wunschzettel vorgelegt, mancher würde sogar sagen, ein Wunschkonzert zum Heiligen Abend. Aber, meine Damen und Herren, Wünsche sind auch wichtig. Und natürlich haben wir als SPD-Landtagsfraktion von Mecklenburg-Vorpommern so kurz vor Heiligabend zum Thema „Wiedereinführung der Vermögenssteuer“ etwas zu sagen: Wir wollen sie, die Vermögenssteuer. Wir wollen sie wirklich. Schon aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit wollen wir sie.

Die Frage ist nicht ob, sondern ab wann, und dann bitte in einer verfassungskonformen Ausgestaltung. Und dies ist keine Ausrede, denn, meine Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, Sie wären doch die Ersten, die nach einem weiteren Scheitern bei der Vermögensbesteuerung lautstark und eindringlich und gelegentlich auch mit geballter Faust wieder die Besserwisserei ausrufen würden.

Meine Damen und Herren, genau genommen gibt es die Vermögenssteuer noch. Sie ist nur ausgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1997 die Vermögenssteuer verworfen, weil Immobilien nach Pauschalen veranschlagt und damit im Vergleich zum sonstigen Vermögen zu gering belastet wurden. Es wurde nicht die Erhebung der Vermögenssteuer an sich, sondern das Veranlagungsverfahren gerügt. Und um eine gerechte Besteuerung hinzubekommen, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt, muss das Vermögen der Steuerpflichtigen jedes Jahr zuverlässig geschätzt werden. Damit geht ein aufwendiges Verfahren einher, an das sich offenbar seit Jahren keine Bundesregierung herangetraut hat, denn dass die Regierung tatsächlich auf die Mehreinnahmen für den Staatshaushalt verzichten will, kann und will ich gar nicht so recht glauben.

Nun haben die SPD und auch die Jusos in MecklenburgVorpommern jeweils Mitte des Jahres ein Konzept vorgelegt.

(Egbert Liskow, CDU: Oi!)

Das Konzept wurde vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung berechnet und, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es sind sage und schreibe 11,5 Milliarden Euro pro Jahr mehr in der Haushaltskasse. Dafür sollen Vermögen ab 2 Mil- lionen Euro für Ledige und für Verheiratete ab 4 Millio- nen Euro mit jährlich einem Prozent versteuert werden. Das würde schätzungsweise 146.000 Steuerpflichtige betreffen. Soweit die Theorie, aber für die Praxistauglichkeit müssen Detailfragen geklärt werden. Deshalb hat sich eine Länderarbeitsgruppe gebildet, die die offenen Fragen und Verfahren klären soll. Im Moment gibt es noch keine Einigung, daher wurde die nächste Beratung für Januar 2013 angesetzt.

Meine Damen und Herren, aber was ist strittig? Strittig ist die Bewertung der Immobilien. Sie sollen nach dem Ver

kehrswert oder nach dem Ertragswert, zum Beispiel bei erzielter Miete des Objekts, veranlagt werden. Soll das Betriebsvermögen in die Vermögensbewertung einbezogen werden? Eine Frage, die mit Blick auf die Wirtschaft beantwortet werden muss. Die Vermögensbesteuerung soll nicht dazu führen, dass eventuell einzelne Unternehmen abwandern wollen. Natürlich müsste auch verhindert werden, dass das Vermögen vorher ins Ausland verschoben werden kann.

Eine weitere Frage ist zu klären: Wie hoch ist der Verwaltungsaufwand? Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist in die Abwägung einzubeziehen. Schließlich soll kein weiteres Bürokratiemonster erschaffen werden, das letztendlich die Steuereinnahmen wieder auffrisst. Daran schließt sich die Frage an, ob die Vermögensbesteuerung sich mit einem Prozent als richtig erweist. All diese Dinge, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sind noch zu klären.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren der Fraktion DIE LINKE, so sieht die Situation aus, und nur weil man seine Wünsche stets wiederholt, werden sie nicht besser oder gar in Erfüllung gehen. Ich weiß, dass sich Ihre Bundestagsfraktion bei diesem Thema schon mit dem Kopf an die breite Schulter der SPD-Fraktion angelehnt hat,

(Unruhe und Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

aber deshalb lassen wir uns noch lange nicht von Ihnen treiben.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)